Tango & Salsa
Ich bin nun wahrlich der Letzte, der in Sachen Tango irgendwelche „Reinrassigkeits-Ideologien“ vertritt. Daher habe ich mich stets gefreut, wenn der DJ zur Entspannung zwischendurch mal ein Salsa-Lied einstreute. Sozusagen als „tanzbare Cortina“. Gerne auch einen Rock’n’Roll oder Swing. In Buenos Aires ist es ja durchaus üblich, auf den Milongas gelegentlich „Otros Ritmos“ aufzulegen. Das kann auf das übliche Tango-Einerlei nur belebend wirken. Vor allem, wenn man diese anderen Tänze auch beherrscht.
Mehrfach habe ich nun Versuche erlebt, bei den Veranstaltungen Tango und Salsa eins zu eins anzubieten. Nach den jüngsten Erfahrungen sage ich: Solchen Events werde ich in Zukunft fernbleiben.
Die Musikstücke dieser „Latino-Soße“ tun es ja selten unter fünf Minuten – und für mich jedenfalls klingen drei solcher Lieder hintereinander noch viel ähnlicher als das, was konservative Tango-DJs in einer Tanda zusammenschrauben.
Was ich an den Salsa-Leuten durchaus sympathisch finde: Sie überhöhen ihren Tanz nicht mit hehren Regeln und Vorschriften. Die Musik stammt schlimmstenfalls aus den 1980er Jahren, da dieser Tanz deutlich jünger als der Tango ist. Und die „korrekte Ronda“ ist eh kein Problem, da die Paare auf der Stelle tanzen.
Allerdings muss ich nach den jüngsten Erfahrungen sagen: Wenn bei einer Tanzschul-Salsa lendenlahme teutonische Figurendreher hölzerne Erotik-Mimikry bieten, hat das fast einen höheren Kabarett-Faktor als nicht paarungsfördernde Tango-Imitationen. Das Elend in deutschen Betten wird nirgends so peinlich-öffentlich zur Schau gestellt wie auf dem Tanzparkett.
Ungefähr so:
https://www.youtube.com/watch?v=4rBzj6AzbjM
Für mich besteht die Kunst des DJ vor allem darin, mich in eine „Tangostimmung“ zu versetzen, indem er mir die verschiedenen Emotionen dieses Tanzes vorstellt: Nostalgie, Trauer, Hoffnung, Sinnlichkeit, Lebensfreude und vieles mehr. Nach einer Viertelstunde Latino-Gedudel ist das alles dahin.
Leider kommt dazu, dass solche DJs ihre kulturelle Offenheit dadurch beweisen müssen, dass nach einer Viertelstunde Karibik-Discofox dann nicht etwa ein erkennbarer Tango erklingt, sondern eher eine invasiv-depressive Ballade mit drei im Tonstudio zusammengetackerten Harmonien. „Wann fängt denn mal die Musik an?“ fragte mich jüngst eine Tanzpartnerin nach vier Minuten serotonin-hemmender Beschallung. Ja, was weiß denn ich…
Nach einer Viertelstunde Salsa kommt also zur Abwechslung kein Tango. Na prima...
Eine Frage quält mich: Wenn schon „Non Tangos“ aufgelegt werden, warum dann nicht auch mal „Non Salsas“? Persönlich könnte ich der „Kleinen Nachtmusik“ mit Timbales im Zweivierteltakt durchaus etwas abgewinnen – oder gar der großen… Aber wahrscheinlich würden dann sogar die netten Salseros aggressiv.
Und wenn der DJ dann noch – bei jeder verdammten Milonga – zwei Titel aus meiner „Shitparade“ wählt („Tango to Evora“ und „Mil Pasos“) bin ich froh, dass man bei zunehmendem Alter und nachlassenden Körperkräften nicht mehr sehr zu Gewalttaten neigt. Immerhin spiele ich mit dem Gedanken, mir mal von einem gerade nicht empörungsbereiten Bauern seinen Traktor auszuleihen und einen großen Misthaufen vor die Tanzschul-Tür zu kippen. Gilt ja inzwischen als „demokratischer Protest“!
Apropos Verwesungsgerüche: Bei Valses ist es des progressiven DJs Pflicht, was Süßlich-Langweiliges auszuwählen. Sollte Annett Louisan mal nicht zur Verfügung stehen, dann unbedingt „La Valse d Amélie“ – obwohl die Kinder, welche (2001) bei dieser Musik gezeugt wurden, inzwischen längst volljährig sind!
Ich muss aber zugeben: Wenn ein derartiger Käse aus den Lautsprechern quillt, stürmen die Gäste aufs Parkett – auch wenn sie nicht wissen, wozu. Bei kommerziellen Milongas wird mit den Füßen abgestimmt: Wenn das Geld im Kasten klingt, der Tango aus der Playlist springt!
Bei einem solchen Ablasshandel zieht sich mein Tango leise weinend ins Gestern zurück, wo ihm Künstler wie Susana Rinaldi oder Carlos Gardel eine Heimstatt boten. Wo Tangos eine Seele hatten. Was blieb, sind Kreuzfahrt-Ü 50-Partys mit Tanzgelegenheit.
Das ist nicht schön.
Aber wenn man schon Tango mit Salsa verknüpfen möchte, dann bitte so:
https://www.youtube.com/watch?v=7tCxZ83A43k
P.S. Zum Weiterlesen:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2016/08/salsa-tango-ohne-krampf.html
https://milongafuehrer.blogspot.com/2023/02/leidfaden-fur-neo-djs.html
Herrlich! Wärest du halt ins Netzwerk gekommen, wie wir. Dort war die Musik zwar "Edo", aber die Leute fröhlich, harmonisch und tangotanzbereit. Tja, wenn du auch vorher nicht die Sterne befragst, wie ich es immer tue ...
AntwortenLöschenTja, mein Fehler... Ich werde dich beim nächsten Termin um ein Horoskop bitten. Wobei ich nicht dran glaube - aber ich habe gehört, dass es trotzdem hilft!
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