Jagdszenen aus Oberfranken
Am letzten Mittwoch zeigten „empörte Bürger“ den Grünen wieder mal, was eine Mistgabel ist: Die Jahreshauptversammlung des Kreisverbands Bamberg-Land musste auf Rat der Polizei „zügig zu Ende gebracht“ werden, da ungefähr 300 Demonstrierende mit 60 Traktoren vor das Bürgerhaus in Hirschaid gezogen waren.
Die Veranstaltung wurde durch Klopfen, Pfeifen und Hupen gestört, man leuchtete durch die Fenster des Veranstaltungssaals, ließ Sirenen laufen und filmte Anwesende im Gebäude. Die Teilnehmer wurden dann unter Polizeischutz durch ein Spalier des Mobs geführt und mussten sich unflätige Beleidigungen anhören.
Offenbar wollte man die Versammlung zunächst in einer Gaststätte abhalten, deren Wirt aber so eingeschüchtert wurde, dass er seine Zusage widerrief.
„Für unsere Mitglieder war es massivst einschüchternd", sagte der Kreisvorsitzende Tim-Luca Rosenheimer. Nach Angaben der Polizei war die Protestaktion nicht angemeldet. Rosenheimer machte nach eigenem Bekunden die Polizei im Vorfeld auf die Protestpläne aufmerksam. An dem Tag seien jedoch nur wenige Einsatzkräfte vor Ort gewesen. Verstärkung erschien erst, als die Veranstalter Notrufe absetzten. Die Ordnungshüter bestreiten das.
Die Polizei „prüfe“ nun, ob versammlungs- oder strafrechtliche Verstöße vorlägen. Das dürfte den Pöbel sicherlich schwerstens beeindrucken.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-02/hirschhaid-gruene-proteste-bayern
Die Landespartei-Chefin Gisela Sengl fordert jetzt einen besseren Polizeischutz ihrer Veranstaltungen. Zudem rief sie CSU und Freie Wähler auf, endlich mit ihrer Hetzerei gegen die Grünen aufzuhören.
Das Haberfeldtreiben gegen diese Partei hat inzwischen ja Methode:
Bereits am 1. August letzten Jahres versuchte man, mit Gebrüll und dem Lärm hunderter Trillerpfeifen, einen Bierzeltauftritt von Katharina Schulze und Cem Özdemir zu sprengen. Nur unter massivem Polizeischutz konnte die Veranstaltung zu Ende geführt werden. Draußen bot man, angeblich „aus Spaß“, Tomaten, Eier und Steine an.
Im September flog dann bei einem Wahlkampfauftritt in Neu-Ulm tatsächlich ein Stein in Richtung der grünen Spitzenkandidaten.
Vizekanzler Habeck entkam im Januar dem Mob in Schlüttsiel nur dadurch, dass seine
Fähre schnell wieder ablegte.
Am Aschermittwoch musste eine Veranstaltung der Grünen in Biberach wegen massiver Störaktionen abgesagt werden. Am selben Tag wurde die Vorsitzende Ricarda Lang bei einem Auftritt in Schorndorf beim Verlassen der Halle bedrängt und wüst beschimpft. Sie konnte ihr Fahrzeug nur unter Polizeischutz erreichen, obwohl ein Vertreter der Protestierenden sogar Rederecht bei der Veranstaltung bekam.
Zirka 1200 Straftaten gab es 2023 nach einem Bericht der Bundesregierung gegen Vertreter der Grünen – so viele wie gegen keine andere Partei.
https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-hirschaid-gruene-proteste-polizei-1.6388946
https://www.bkz.de/nachrichten/ricarda-lang-laesst-sich-nicht-einschuechtern-227271.html
Von der CSU und den Freien Wählern gibt es keinen uneingeschränkten Rückhalt für die Attackierten:
Der bayerische Fraktionschef der CSU, Klaus Holetschek, äußert sich verhalten. Es gehe nicht darum, „sich an die Seite von irgendjemand zu stellen, sondern es geht darum, Politik zu machen, die die Lebenswirklichkeiten der Menschen mitnimmt." Politiker müssten, gerade in gewissen Ämtern und Funktionen, auch einiges aushalten.
Ministerpräsident Markus Söder, bis Freitag noch auf Auslandsreise in Schweden, wollte sich auch auf mehrfache Nachfrage nicht zu den Vorkommnissen in Hirschaid äußern. Selber durfte er am Aschermittwoch ungestört die grüne Umweltministerin Steffi Lemke mit der ehemaligen Bildungsministerin der DDR, Margot Honecker, vergleichen.
Für mich klingt da vieles wie „Sollen sie halt eine andere Politik machen, dann werden sie auch nicht mehr bedroht“.
Klar distanzieren sich nun die Verbandsvertreter der
Bauern von solchen Aktionen. Sogar ein paar konservative Politiker. Niemand
aber widmet sich der Tatsache, dass Pogrome erst entstehen können, wenn man
eine Pogromstimmung herbeiredet. Wenn man Verrückten die nötige Kulisse liefert. So wie der Flugblatt-Spezialist Hubert
Aiwanger in seiner „Erdinger Rede“, in der er das Volk aufrief, sich „die
Demokratie zurückzuholen“. Ich fürchte, das tut ein unsägliches Gebräu aus
radikalen Landwirten, Querdenkern, Reichsbürgern, Rechtsextremen und anderen
Schwachköpfen nun – auf seine Weise! Eine solche „Demokratie" möchte ich nicht geschenkt haben!
Hier eine kleine Kostprobe:
https://www.youtube.com/watch?v=gt3fFHD3pYI
Bei der Polizei und Staatsanwaltschaft habe ich nicht den Eindruck, dass man solchen Aktionen mit größerem Engagement begegnet. Bei linksradikalen Aufmärschen dieser Preislage wäre man sehr schnell mit Schlagstock und Wasserwerfern bei der Hand…
„Das darf man ja nicht mehr sagen“ gehört zu den Standard-Argumenten der anderen Spezies. Ich fürchte, das denken sich vor allem fortschrittliche Politiker – vom Bund bis zu den Kommunen – die auf allen möglichen Kanälen mit Bedrohungen eingedeckt werden. Gerade im örtlichen Bereich verbreitet sich die Frage, was man sich für seine ehrenamtliche Tätigkeit eigentlich alles gefallen lassen muss. Zunehmend resigniert man und zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück.
Um dem erwartbaren Whataboutism zu begegnen: Das
Recht auf einen von illegalen Angriffen freien politischen Diskurs gilt
natürlich für alle Parteien. Es bildet die Basis jeder Demokratie. Und ich habe noch nie die Grünen gewählt. Aber dieser Stil des Umgangs ist unterirdisch.
Die Vernichtung politischer Kräfte, von unliebsamen Mitbürgern beginnt stets mit Einschüchterung und Bedrohung. Die deutsche Geschichte ist voller Lernbeispiele. Sie begannen mit den Mahnwachen strammer SA-Aktivisten vor jüdischen Geschäften, setzten sich in der Karikierung der Gegner in „Stürmer-Manier“ fort und endeten in Auschwitz.
Und ja: Noch darf ich das sagen!
Video: https://www.ardmediathek.de/video/br24/hirschaid-wieder-stoeraktionen-gegen-die-gruenen/br-fernsehen/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzMzNGJlMTlmLWFhMTctNDQ0Ni1iZTAxLWY3NGUzOTY0NTBmNQ
Maxi Schafroth hat gestern auf dem Nockherberg eine Fastenpredigt gehalten, die genau zum Thema meines Artikels passt. In vielen Aspekten sind wir deckungsgleich. Dem Redner gelang eine rhetorische und satirische Meisterleistung: https://www.ardmediathek.de/video/auf-dem-nockherberg/die-fastenrede-von-maximilian-schafroth/br-fernsehen/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvLzI0ZDU5ZDg0LWZhMWEtNGE0NS1iNDdkLTQ1ZDFlYTgzODIwMg
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