Salsa: Tango ohne Krampf
“Dancing is the only place where you can put
your hands all over a girl’s body for 5 minutes,
and at the end she thanks you for it.”
(Enio Cordoba,
amerikanischer Salsa-Lehrer)
Schon
öfters geriet ich auf der Suche nach Tanzthemen auf eine Salsa-Seite und war jedes Mal angetan von dem freundlichen
Umgangston und der lockeren Einstellung – ganz im Gegensatz zum Tango muss man
dort lange suchen, um einmal eine heftigere Diskussion zu finden.
Daher
habe ich mich nun auf der Website http://www.salsaland.de
ausführlich umgesehen: Sie ist optisch klar und ansprechend, leicht zu
navigieren und enthält eine Menge Wissenswertes über die deutsche Salsa-Szene
inklusive aktueller Daten zu den diversen Veranstaltungen.
Besonders
interessiert hat mich aber der Blogbereich
von „Salsaland“, welcher eine größere Zahl von Beiträgen zu Fragen enthält, die
im Tango ebenso relevant sind. Und das Ganze wird in einem derart vernünftigen,
zugewandten und ideologiefreien Ton abgehandelt, dass mir als Veteranen
diverser Tangokriege die Tränen kommen!
Verbissene
Auseinandersetzungen um den allein seligmachenden Tanzstil fallen schon deshalb weg, da Salsa ja bekanntlich als „Soße“
aus verschiedenen Latino-Rhythmen (angereichert mit Jazz und Pop) entstand und
je nach Ursprungsort in diversen Varianten getanzt wird:
„Salsa Cubana ist der ‚klassische‘ Stil und der in Deutschland noch
immer am weitesten verbreitete. Er benötigt wenig Platz und ist daher ideal
geeignet für volle Tanzflächen. Die Bewegungen wirken sehr fließend, und das
Spiel mit der Hüfte wird besonders hervorgehoben. Charakteristisch sind die
offene Tanzhaltung, das Führen mit nur einer Hand und das kreisförmige Tanzen
der Partner um einen gemeinsamen Mittelpunkt. Daher sagt man, dass der Cuban
Style ‚im Kreis‘ getanzt wird – im Gegensatz zu ‚auf der Linie‘ bei New York Style, L.A. Style und Puerto Rican
Style.
Bei diesen Stilen bewegen sich Mann und Frau sehr viel vor und zurück auf der Linie. Ein wichtiges Merkmal sind auch die
Shines (Solo-Schrittkombinationen). Zunächst entwickelte sich aus der
puerto-ricanischen Schule der New York Style, als die Musik dort populär wurde
– dann schwappte das Fieber an die Westküste über und es entwickelte sich der
L.A. Style Salsa. Allen Unterschieden zum Trotz unterscheiden sich die Stile
nicht im Grundsatz, so dass man problemlos mit Partnern tanzen kann, die eine
andere Art erlernt haben.“
Wie
erfreulich, dass hier keine engen Grenzen gezogen werden, obwohl dazu noch
verschiedene rhythmische Betonungen kommen, je nach Stil auf der 1, 2 oder 3
der Musik.
Und so sieht das beim „New York Style“ aus:
Nun
gut, auch der Tango entstand ja als „Soße“
aus ganz verschiedenen Musikarten und wurde im Lauf von mehr als hundert Jahren in
unterschiedlichsten Stilen getanzt – aber das hat man in unserer Szene
erfolgreich verdrängt…
Vielleicht
hat dies mit dem Durchschnittalter
zu tun, welches bei der Salsa nach meinen Recherchen Anfang bis Mitte
Dreißig beträgt – und damit zirka zwei Jahrzehnte von dem des Tango entfernt ist: Die Vermutung einer größeren Flexibilität und (auch mentalen)
Beweglichkeit liegt durchaus nahe.
Jedenfalls
kommt man hier zum Fazit:
„Kein Stil ist
besser als der andere, er ist einfach nur anders - und andere fühlen in Bezug
auf die anderen Stile genauso, wie Du für Deinen Feuer und Flamme bist. Bleib'
gerecht!
Für das Gefühl, etwas
Besseres zu sein, liefert die beste Salsa-Performance keinen Anlass, und auch
enzyklopädisches Wissen berechtigt dazu nicht.“
Generell
hütet man sich davor, das Salsa-Tanzen im Sinne eines Exklusivitäts-Gedudels (wie
man es beim Tango gerne verwendet) künstlich zu überhöhen:
„Ein Tänzer ist ein
besserer Mensch.
Wirklich? Viele
scheinen das zu glauben – wenn man hört, wie manche Salsatänzer über das Tanzen
vor Freunden sprechen, die nicht tanzen, so bekommt man das Gefühl, letztere
seien eigentlich Menschen zweiter Klasse. Schlimmer noch, diese Salsatänzer
scheinen tatsächlich zu glauben, Nicht-Tänzer seien Menschen zweiter Klasse.
Hier fehlt es eindeutig an Sozialkompetenz... und die ist unverzichtbar beim
Tanzen!
Wir alle lieben
Salsa. Aber zu glauben, dass einen diese Fähigkeit und Leidenschaft in
irgendeiner Form über andere erhebt, ist Unfug.“
Kein Zweifel: Bei der Salsa sucht man Lebensfreude, beim Tango Erleuchtung – mit unterschiedlichem Erfolg...
Kein Zweifel: Bei der Salsa sucht man Lebensfreude, beim Tango Erleuchtung – mit unterschiedlichem Erfolg...
Salsa
gilt nach einem gerne genommenen Klischee als besonders „sexy“ (Tango als „erotisch“).
Hierzu finden Frauen auf dem „Salsaland“-Blog grundvernünftige Hinweise zur „besonderen
Männergattung“:
„Wenn er den von Dir gewünschten
Abstand nicht akzeptiert, dann sei nicht zu höflich, und lass‘
ihn einfach mitten im Tanz stehen. Das ist für ihn natürlich peinlich, und das
ist auch gut so – vielleicht überlegt er sich nächstes Mal zweimal, ob er eine
Frau so respektlos behandelt. Und selbst wenn nicht: Du wirst Dich besser
fühlen. Salsa tanzen soll Freude und Entspannung sein, also lass‘ Dir nicht den
Spaß verderben!“
Obwohl
hier die Gefahr „sexueller Nötigungen“ sicher nicht geringer ist, macht man um
das Auffordern nicht annähernd so
ein Geschiss wie beim Tango:
„Zum Auffordern einer
Frau ist es völlig ausreichend, ihr die Hand ausstrecken und freundlich zu
lächeln. Wenn du unbedingt etwas sagen möchtest, wähle kurze Sätze wie ‚Tanzen?‘,
‚Magst du tanzen?‘, ‚Lust auf einen Tanz?‘ oder ähnliches.
Ein Nein in der Salsa
Szene hat einfach keine Bedeutung. Sag‘ einfach höflich ‚Schönen Abend noch!‘
oder ‚Ok!‘ und gehe weiter. Warum? Weil es Dir nichts ausmachen darf. Sogar die
besten und attraktivsten Tänzer bekommen ab und zu ein ‚Nein‘ zu hören. Frag‘
einfach die nächste.“
Darf
man Körbe geben? Hierzu liefert das
Blog eine wunderbar dialektische Auskunft:
„Nach dem
allgemeinen, ungeschriebenen Salsa-Gesetz hast Du als Tänzer jeden Tanz
anzunehmen - oder aber Du wirst den Rest Deines Lebens in der Salsa-Hölle
schmoren. (...)
Das Recht, abzulehnen:
Gibt es das also
doch? Wir finden schon. Es ist Dein Körper, Deine Zeit – und das Tanzen soll
Spaß machen und nicht zur sozialen Pflichtübung werden. Natürlich solltest Du
aber dennoch nie aus Arroganz und Überheblichkeit ablehnen, beispielsweise,
weil Du glaubst, Du tanzt zu gut für den, der Dich um einen Tanz bittet.“
Die
einzigen kleineren Konflikte habe
ich – wen wundert’s – zur Musik
gefunden:
Da
es bei der Salsa eine Unzahl verwandter Tänze gibt, ist die Grundeinstellung
sehr liberal:
„Wird auf Salsa
Partys nur Salsa getanzt?
Nein, und das ist
auch gut so! Vor allem für Anfänger. Neben der relativ schnellen Salsa-Musik
werden in der Szene auch die einfacher zu tanzenden Bachata, Kizomba oder
Merengue gespielt.“
Für
den von EdO-Debatten gebeutelten Tangomenschen klingen die Ratschläge für DJs geradezu rührend:
„Als guter DJ
brauchst Du nicht nur ein breites Repertoire, Du musst auch alle neuen Trends
kennen. Denn sonst klingen Deine Tracks schnell veraltet, und sie ermüden Dein
Publikum. Musik entwickelt sich ständig weiter, neue Musiker werden bekannt,
neue Musik erscheint fast täglich.“
Also
echt jetzt, nach aktuellen Musiktrends suchen? O mei‘!
Gelegentlich
tauchen auf Blogs ebenfalls vereinzelte Klagen auf, es würde zuviel „artfremde Musik“ (wie die afrikanische
Kizomba) gespielt. Während jedoch die Debatten beim Tango dann schnell immer
verbissener werden, kommt bei der Salsa meist rasch das „Spaß-Argument“:
„Da muss man die Musikrichtungen wirklich in
Räume trennen. Man tanzt natürlich auch nur, um zu zeigen, was man kann und
nicht, um die Musik zu fühlen, sich tragen zu lassen und einfach Spaß zu haben.
Leute, tanzt mal wieder aus Spaß und hört auf mit der Diskussion.“
(http://www.salsa-stuttgart.com/forum/posts.php?parent=1613&PHPSESSID=21b85d3ad5976a787a8ea763b77949df)
Und, Schreck lass nach, es werden einfach irgendwelche „Lieder“ hintereinander gespielt – ohne Tandas und Cortinas! Man tanzt mit einem Partner nur ein oder zwei Stücke. Ein Wunder, dass die Salsaleute da nicht jegliche Orientierung verlieren!
Und, Schreck lass nach, es werden einfach irgendwelche „Lieder“ hintereinander gespielt – ohne Tandas und Cortinas! Man tanzt mit einem Partner nur ein oder zwei Stücke. Ein Wunder, dass die Salsaleute da nicht jegliche Orientierung verlieren!
Auch
die Ehrfurcht vor südamerikanischem
Tanzpersonal hält sich in engen Grenzen:
„Nur Latinos tanzen
richtig gut Salsa – aah, das berühmte
Vorurteil mit dem ‚Im-Blut-Haben‘! (…) Das hat wohl etwas mit Talent, mit
Naturbegabung zu tun. Aber mit dem ethnischen Hintergrund ganz sicher nicht!
Richtig ist natürlich, dass Menschen aus dem lateinamerikanischen Raum – oder
entsprechenden Subkulturen in Nordamerika – einfach oft früher und intensiver
mit Salsa in Berührung kommen, und dadurch schon in einem Alter ziemlich gut
tanzen können, wenn viele von uns diese Musik und den Tanz erst gerade
entdecken.
Schau‘ aber mal auf
die Profi-Salsaszene: Dann wirst Du feststellen, dass es auch sehr viele
Profitänzer gibt, die andere kulturelle Wurzeln haben. Kein Grund zu verzagen
also!“
Introversion beim Tanzen wird in
der Salsa-Szene nicht direkt verlangt: Auffällige Köperbewegungen und Posen
laufen unter dem Begriff „Styling“ und sind durchaus nicht verboten. Allerdings
sollte man die Grenzen kennen:
„Okay, wir alle sind
manchmal stolz auf das, was wir können. Das ist doch auch prima so. Aber
vergesst darüber nicht, dass Ihr noch eine Tanzpartnerin habt, die gerne auch
mal angeschaut werden will. Wenn gerade ein Spiegel in der Nähe ist: Beobachtet
nicht die ganze Zeit Euch selbst. Ein kleiner Seitenblick ab und an genügt doch
auch...“
Im
Vergleich mit dem derzeitigen, scheinheiligen „Ja-nicht-auffall-Getue“ beim
Tango könnte man da schon neidisch werden…
Man
kann sogar Tänzertypen veräppeln,
welche man für suboptimal hält (wofür man mich als Buchautor bekanntlich
gesteinigt hat):
„Little Miss
Schnattergans“
„Mr. Wichtig und
seine Gadgets“
Und
Hurra, man darf als Single Salsa
lernen – nix da mit „Anmeldung nur paarweise“:
„Muss ich einen
Tanzpartner mitbringen?
Nein. Du musst keinen
festen Tanzpartner mitbringen. Ein Rotieren der Tanzpartner wird von den
Tanzlehrern eingesetzt, um Spannungen abzubauen und das Tanzen mit möglichst
unterschiedlichen Partnern zu üben – denn schließlich hat jeder einzelne Mensch
seine ganz eigenen Bewegungen. Je früher man übt, sich auf verschiedene Partner
einzustellen, desto leichter fällt später das Tanzen in Salsa Clubs.“
Das
könnte ja glatt von mir sein…
Kaum zu glauben, dass beide Tänze ihren Siegeszug in Europa ab den 1980-er Jahren angetreten haben - Salsa allerdings, ohne eine 70-jährige, schellackknisternde Vergangenheit hinter sich herzuziehen!
Kaum zu glauben, dass beide Tänze ihren Siegeszug in Europa ab den 1980-er Jahren angetreten haben - Salsa allerdings, ohne eine 70-jährige, schellackknisternde Vergangenheit hinter sich herzuziehen!
Dürfen
sich nun meine werten Gegner im Tango Hoffnungen machen, dass ich wegen dieser
krampfarmen Tanzart zur Salsa abdrifte?
Nun, ich fürchte, dass ich den lockeren Hüftschwung in meinem
fortgeschrittenen Greisenalter vielleicht doch nicht mehr perfekt hinbekomme –
und ich will auch nicht noch mehr Neid erzeugen, wenn ich dann mit bauchfreien
Zwanzigjährigen durch die Clubs tobe…
Vermutlich
werde ich doch beim Tanz vom Rio de la Plata bleiben – schon, um meine Kollegen
an das zu erinnern, was mir der werte Cassiel
einmal fettgedruckt ins Stammbuch schrieb:
Es geht auch anders.
P.S. Natürlich habe ich auch nach Schattenseiten der Salsa gefahndet, wurde jedoch
im Netz mit Suchbegriffen wie „Salsa
Probleme“ kaum fündig. Einen Treffer kann ich anbieten:
Es handelt sich um ein Problem mit dem
Zahlenschloss des Reisekoffers „Rimowa Salsa Deluxe“.
Danke für das Lob an unser Blog bei Salsaland.
AntwortenLöschenSchaut aber auch auf unsere Veranstaltungen bei den Städteseiten. Hier versuchen wir wirklich immer up to Date zu sein.
[url=http://www.salsaland.de/salsa-in-stuttgart]Salsa Veranstaltungen in Stuttgart [/url] oder
[url=http://www.salsaland.de/salsa-in-berlin]Salsa Veranstaltungen in Berlin[/url]
Hoffe jetzt klappt es mit den Links... ;-)
AntwortenLöschenhttp://www.salsaland.de/salsa-in-stuttgart
http://www.salsaland.de/salsa-in-berlin
Leider erlaubt das Programm bei Kommentaren keine direkte Verlinkung.
LöschenTipp: Links kopieren und in eine Suchmaschine eingeben!
Danke für die Infos!
Lieber Gerhard,
AntwortenLöschenwenn du so von Salsa schwärmst, was hältst du dann von Rueda? Das ist der pure Salsa (cubanisch) Spass und der Partnerwechsel ist im Tanz inbegriffen?
Liebe Grüße aus Linz
Mein "Schwärmen" bezog sich ja nicht auf eigene Erfahrungen, sondern auf den freundlichen Umgangston in den Blogs.
LöschenUnd ich hab ja geschrieben "Nun, ich fürchte, dass ich den lockeren Hüftschwung in meinem fortgeschrittenen Greisenalter vielleicht doch nicht mehr perfekt hinbekomme" - wird wohl in diesem Leben nix mehr mit Salsa.
Und Rueda - also Formationstanz mit einem Caller - ich fürchte, da bin ich zu sehr Einzelgänger. Zu meinen früheren Tanzsportclub-Zeiten musste ich mehrmals in der Gruppe mit Strohhut auf der Birne "alte Tänze" aufführen. Das hat mir entschieden gereicht...