Offener Brief an Daniela Groß

 

Liebe Daniela Groß,

Sie erinnern sich bestimmt noch an den Artikel, den ich am 22. November letzten Jahres zur Veranstaltung in der Münchner Auferstehungskirche geschrieben habe:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2023/11/tanzverbot-macht-wangen-rot.html

Einer meiner Leser berichtete mir damals von einem Konflikt mit anderen Gästen, da er auch schon im ersten Teil des Konzerts zur Musik getanzt habe. Sie hätten sich aber klar auf dessen Seite gestellt. Er schreibt:

„Das dritte Feedback dann war eine sehr interessante Wendung. Als wir nach Ende der Veranstaltung (unsere Kritiker hatten frühzeitig das Weite gesucht) die Kirche verließen, verabschiedete sich auch die (Mit-)Veranstalterin von uns. Und sagte, dass sie es schön fand, dass wir zum ersten Set getanzt hätten, obwohl wir alleine auf der Tanzfläche geblieben seien. Gerne hätte sie auch getanzt, aber sei noch von Organisatorischem aufgehalten worden. Und erklärte, dass sie die Konzerte dort bewusst so gestalten, dass die Bands im ersten ‚konzertanteren‘ Set auch die Lieder präsentieren können, die oft als ‚weniger tanzbar‘ gelten. Trotzdem sei das Tanzen dazu nicht nur erlaubt – sondern sogar ausdrücklich erwünscht.

Auch in Ihrem Kommentar dazu signalisieren Sie Zustimmung:

„Lieber Carsten,
es tut mir leid, dass Euch das auf unserer Milonga passiert ist. Umso mehr freut es mich, dass es Euch sonst gut gefallen hat und Ihr überlegt, auf das nächste Konzert wieder zu kommen.
Ich werde es das nächste Mal am Anfang ansagen, und vielleicht können wir auch was an den Stuhlreihen ändern. Wir machen das ja erst seit kurzem (das war das dritte Konzert) und lernen ständig dazu.“

Ich habe mich damals sehr über diese Reaktion gefreut und beschloss, nach Möglichkeit die nächste Veranstaltung am 6.2.24 zu besuchen. Beim heutigen Programm auf den meisten Milongas fehlt die Gelegenheit, auch einmal zu komplizierterer Musik tanzen zu können. Daher sind solche Chancen sehr selten.

Ihre dann etwas andersartige Einladung im Internet machte mich allerdings stutzig: Nun war plötzlich vom Tanzen erst ab zirka 20.30 Uhr die Rede – auf den Flyern stand jedoch: „Konzert zum Tanzen oder zum Zuhören“.

Tatsächlich war dann auf der Veranstaltung eine „Rolle rückwärts“ zu bestaunen: Das Parkett stand zunächst voller Stühle – Tanzen im ersten Teil war also unmöglich.

Diese Inkonsequenz habe ich dann in einem Artikel – neben anderen Details – kritisiert. Daneben habe ich durchaus auch anerkennende Worte gefunden.

https://milongafuehrer.blogspot.com/2024/02/erstmal-nicht-tanzen.html

Laut Ankündigung auf der Terminseite „Tango München“ waren Sie die Veranstalterin:

https://www.tangomuenchen.de/de/tanzen/termin-details/event/event/show/kirchen-milonga-la-maquina-invisible-06-02-2024.html

Da wundert es mich dann schon, dass andere per Kommentar die Kastanien aus dem Feuer holen dürfen, während Sie sich mit keinem Wort dazu äußern. Und auch diese Schreiber meiden peinlich die für mich grundlegende Frage, warum man von einem progressiven Konzept wieder abgewichen ist. Ich finde, es stünde Ihnen gut an, dazu einmal selber Stellung zu nehmen!

Ich habe in meinem Text gefragt, „ob und welche externen Einflüsse zu dieser inkonsequenten Entscheidung führten. Möglicherweise hat es manchen Herrschaften schon missfallen, dass Ihre anfängliche Haltung von mir unterstützt wurde. Ich bin nun lange genug im Tangoblogger-Geschäft, um nicht mehr an Zufälle oder „Spontanentscheidungen“ zu glauben. Offenbar hat am 19.1.24 eine Änderung des Ankündigungstextes stattgefunden.

Immer wieder erlebe ich im Tango, dass man hemmungslos gelobt wird, wenn man Musik, Tänze und Milongas preist. Wer es aber wagt, manche Dinge nicht gut zu finden, wird mit Missachtung oder persönlichen Angriffen bestraft. Und zumeist werden solche Aktionen „hintenrum“ organisiert – eine Diskussion mit offenem Visier scheut man. Ich finde eine solche „Geheimdiplomatie“ schlimm und dem Ruf unseres Tanzes abträglich.

Aus diesen Gründen trauen sich viele in der Szene nicht, ihre ehrliche Meinung auszudrücken – jedenfalls nicht öffentlich. Gerade Frauen fürchten eine Abstrafung mittels „Aufforderungssperre“. Und nicht wenige ziehen sich – nicht nur wegen der langweiligen Musik – vom Tango zurück.

Kritiker lässt man gerne wissen, wenn ihnen etwas nicht passe, sollten sie halt wegbleiben. Ist das die „Willkommenskultur“, die „liebevolle Atmosphäre“, die man im Tango gerne und werbewirksam beschwört?

Es ist sicher verdienstvoll, modernen Tangoensembles Auftrittsmöglichkeiten zu bieten. Wieso man dann wieder Angst vor der eigenen Courage" bekommt, verstehe ich nicht. 

Daher werde ich nicht müde werden, unbequeme Fragen zu stellen, und werde auch bei diesem Thema keine Ruhe geben.

Ich würde mich freuen, liebe Daniela Groß, wenn Sie sich zu dieser Sache einmal öffentlich äußern würden. Wie wir aus der Politik wissen: Fehler sind nicht schlimm – ein bestimmter Umgang mit ihnen jedoch schon.

Mit besten Grüßen

Ihr Gerhard Riedl

Foto: www.tangofish.de

 

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