Zur Diktatur der Einfachtänzer
Mein Artikel (plus Video) zur „Tango-Shitparade“ hat einen meiner langjährigen Kritiker mal wieder auf den Plan gerufen.
Natürlich unter einem Pseudonym („Silver Locke“ – wobei ich den richtigen Namen kenne), da schimpft es sich bekanntlich leichter…
Nun geht es dem Schreiber typischerweise kaum um das Thema – nein, er pickt sich einen Satz aus dem begleitenden Artikel heraus, mit dem ich zu begründen versuchte, wieso viele DJs immer wieder dieselben Aufnahmen spielen:
„Der Tangokunde von heute möchte keine Überraschungen, welche seine eh reduzierten tänzerischen Fähigkeiten auf härtere Proben stellen. Daher ist man dankbar für Stücke, welche man rauf und runter kennt. Wer dann auf Milongas musikalische Abwechslung sucht, muss es büßen.“
https://milongafuehrer.blogspot.com/2024/02/video-meine-tango-shitparade.html
Im Kommentar schreibt mein Kritiker dazu:
„Darf es nicht wie im restlichen Leben auch viele ‚Normalos‘ geben, die einfach ein bisschen Freude am Tanz ohne große Ansprüche und Fähigkeiten haben? Sie machen oft eine große Menge an Tänzern nieder, nur weil diese vielleicht wirklich nach einfachen Schritten und Regeln tanzen wollen. Warum?“
Nun, da stimmen wir in der Diagnose doch ziemlich überein: Viele Tanzende haben keine großen Ansprüche sowie Fähigkeiten und wollen mit einfachen Schritten agieren. Dazu liefert man ihnen dann die passende Musik. Nur: Wo habe ich behauptet, dass es dies nicht geben dürfe? Und in welcher Weise hätte ich solche Leute „niedergemacht“?
Ich habe dann versucht, dies richtigzustellen. Leider keine Chance:
„Silver Locke“ sieht darin eine „Herabsetzung“ von Menschen, die meinen „Ansprüchen an Musikalität und Tanzvermögen nicht entsprechen.“ „‚Der Tangokunde von heute‘ ...mit seine(n) eh ‚reduzierten tänzerischen Fähigkeiten‘ ist wohl kein Tangotänzer? Darf nicht mit einer Musik bedient werden, die ihm gefällt?“
Tja, wo hätte ich das nun wieder geschrieben? Natürlich nirgends. Bereits vorher hatte ich dazu Stellung genommen:
„Ich wehre mich aber dagegen, dass nun die ganze Zeit solche Musik läuft. Es gibt nämlich genug Tanzende, die komplexere Herausforderungen suchen. Die finden sie auf vielen Milongas überhaupt nicht. Im Zweifel tanzen sie dann seltener oder hören ganz mit dem Tango auf. Diesen Trend halte ich für verheerend.“
Mein Ziel beim Tango ist stets die Vielfalt: Wie in jedem Gesellschaftstanz gibt es Menschen, die nur sehr eingeschränkte tänzerische Fähigkeiten besitzen – und andere, welche es besser oder sogar sehr gut können. Optimal läuft es in einer Szene, in der alle sich willkommen und angesprochen fühlen. Und natürlich freut es einen, wenn schlechter Tanzende sich bemühen, weiterzukommen. Aber auch, wenn sie daran kein Interesse haben, ist das zwar schade, aber zu tolerieren.
Arroganz ist völlig fehl am Platz. Ebenso allerdings eine „Diktatur der Einfachtänzer“, in der nur noch auf diejenigen mit bescheidenen Fähigkeiten Rücksicht genommen wird. In der dann den ganzen Abend „Förderschul-Tangos“ dudeln. Wie soll sich eine Gemeinschaft weiterentwickeln, wenn man denen, die mehr wollen, keinen Anreiz bietet?
Quelle: https://www.facebook.com/groups/1820221924868470/permalink/3549978071892838
Ich darf an dieser Stelle einmal persönlich werden:
Mir ist jede Form der Hierarchie im Tango verhasst. Sie gipfelt beispielsweise in der oft gehörten Ansicht, man dürfe niemanden „oberhalb des eigenen Levels“ auffordern – oder sich zumindest nicht wundern, wenn man dann den verdienten Korb abkriegt. Ich tanze sehr häufig mit Anfängerinnen und wäre froh, wenn die sich trauen würden, auch mal bessere Partner aufzufordern. Nur so kommen sie nämlich weiter – und nicht in vielen Kursen und Workshops, wo sie wieder nur mit Ihresgleichen unterwegs sind.
Mir nachzusagen, ich würde geringschätzig auf Menschen herabsehen, die es (noch) nicht besser können, ist eine bösartige Unterstellung!
Ich erlaube mir in meinen Artikeln aber schon, anzudeuten, was mir tänzerisch besser oder weniger gut gefällt. Das tun auch Zeitungskritiker, die ein Konzert, einen Theaterabend, einen Film, ein Buch oder gesellschaftliche Entwicklungen besprechen – und natürlich auch bewerten. Wer öffentlich tanzt, muss das aushalten – wobei ich es vermeide, Privatpersonen zu kritisieren. Und meine Stilmittel sind Ironie und Satire – und nicht das „Niedermachen“.
Mit der Offenheit und „Willkommenskultur“ im Tango habe ich meine eigenen, langjährigen Erfahrungen:
Es gibt eine größere Zahl von Milongas, in denen wir lange Jahre Stammgäste sind oder waren. Oft genug konnten wir die Entwicklung von einer vielgestaltigen, oft auch komplexeren Musik zum heutigen konservativen Einheitsbrei verfolgen. Und obwohl wir den Veranstaltern jahrelang das Eintrittsgeld hinterhergetragen haben und man unseren Musikgeschmack natürlich kennt, ist es eine große Seltenheit, wenn der DJ für uns wenigstens eine Runde Tango nuevo auflegt. Stattdessen herrscht wohl die Einstellung: Ist uns doch egal – wenn’s ihnen nicht passt, können sie ja woanders hingehen! Für mich ist dies das pure Gegenteil von Gastfreundschaft.
Und ich kenne auf fast jeder Veranstaltung etliche Gäste, die ebenfalls sehr froh wären, mal mit modernerer oder gar schwierigerer Musik bedient zu werden. Erst gestern war ich auf einer Milonga, wo der DJ ein einziges Mal Szenenapplaus erhielt: Bei einer Tanda der modernen Formation „Las Sombras“ – und das noch zu fetzigen Milongas!
Natürlich ist man als Anhänger zeitgenössischer Tangomusik daran gewöhnt, weitgehend nicht das zu bekommen, was man möchte. Ich habe mich deshalb aber nie beim DJ oder Veranstalter beschwert. Klar, jeder hat das Recht, Events nach seinen Vorstellungen durchzuführen.
Das sehen die Herrschaften von der anderen Seite oft weniger entspannt: Sobald die erste Tanda mit nicht genehmen Titeln erklingt, steht schon der erste Beschwerdeführer am Mischpult. Gerne wird dann gleich angedroht, man gehe sofort und käme bei einer solchen Musik nie mehr wieder. Leider lassen sich viele Organisatoren von solchen Querulanten beeindrucken, obwohl auch die nur eine sehr radikale Minderheit darstellen.
Und wer es – wie ich – wagt, seine Vorliebe für Stücke Piazzollas zu bekennen, wird gerne mit Hohn und Spott überzogen. Man sei ein Störenfried, wenn man zu „Libertango“ kreuz und quer durch den Saal rase. Doch das alles hat ja mit „Niedermachen“ nicht zu tun…
Daher hätte Herr „Silver Locke“ lieber fragen sollen, ob denn die verbohrten konservativen Ideologen das Musikprogramm alleine bestimmen sollten. Damit wären wir näher an der Wahrheit!
Das Schlimme ist: Du kannst solchen Schwachsinn zehnmal widerlegen – irgendwas bleibt immer hängen. Und genau diese Rufschädigung ist wohl beabsichtigt.
Daher bin ich fest entschlossen, mir Behauptungen, ich würde auf andere „bösartig einschlagen“, nicht mehr gefallen zu lassen. Erst recht nicht wahrheitswidrige Angaben zu meinen Texten. Solche Leute werden zukünftig auf Facebook gesperrt und können auf meinem Blog nicht mehr kommentieren. In krassen Fällen werde ich juristisch prüfen lassen, ob solche Aktionen nicht den Straftatbestand der Üblen Nachrede erfüllen:
„Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__186.html
Zur weiteren Information:
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