Was Neues für Konservative

 

Immer wieder äußert man zu meinen Artikeln den Vorwurf, sie seien reine Wiederholungen des bisher Gesagten: „Und täglich grüßte das Murmeltier“ – auf diesen originellen Einwand kam erst gestern wieder ein Kommentator, der seinen Geist in eine Zeile ergoss.

Na gut, ich beschwere mich ja auch nicht über die ewig gleichen Kritiken, die meist „Beleidigung“, „Zensur“, „Oberlehrerart“ oder eben Langeweile feststellen.

Auch mein letzter Artikel böte, so der Vorwurf, nichts Neues. Wer den besprochenen Originaltext nicht gelesen haben sollte: Er enthielt ebenfalls nicht gerade Kreatives.

So meinte die Autorin, uns zum oft wiederholten Mal die Vorzüge der Tango-Reglements erklären zu sollen:

„Möchte ein Herr eine Dame zum Tanz auffordern (oder umgekehrt), wird zunächst Blickkontakt aufgenommen. Fällt dieser auf Gegenseitigkeit, erfolgt ein leichtes Kopfnicken in Richtung der Tanzfläche. Sollte dies ebenfalls erwidert werden, gilt das als Abmachung, diese Tanzrunde – im Tango Tanda genannt – gemeinsam auf dem Parkett zu begehen. Dann holt der Herr die Dame am Platz ab oder man trifft sich auf dem Weg am Rande der Tanzfläche. Sollte der Blickkontakt und das Kopfnicken nicht erwidert werden, ist dies ein dezentes und gleichzeitig klares Zeichen für eine Ablehnung. Der Vorteil: keiner der beiden verliert das Gesicht durch eine direkte Konfrontation oder einen ‚Korb‘. Es ist eine feine Art zu sagen, dass man jetzt oder mit dieser Person nicht tanzen möchte.“

„Alle folgen einer Tanzrichtung. Es sollte nicht überholt oder gedrängelt werden. Braucht ein voraustanzendes Paar mehr Zeit, müssen die nachfolgenden warten und können die Zeit mit Figuren auf kleiner Fläche überbrücken.“

https://knigge-rat.de/knigge-tango-darf-ich-bitten/

Ich weiß nicht mehr, wie oft ich solche Mantras schon gehört oder gelesen habe. Seit vielen Jahren werden sie der Tangoszene bis zur geistigen Wehrlosigkeit verkündet. Gegenpositionen sind rar. Daher hat es sich mein Blog zur Aufgabe gemacht, Alternativen aufzuzeigen, zu bestreiten, es gebe beim Tango „offizielle Regeln“. Wenn man mir vorwirft, immer wieder gleiche Standpunkte zu vertreten, müsste man es der Gegenseite erst recht vorhalten.

Tut man aber nicht, denn dort werden ja vermeintliche „Wahrheiten“ verkündet. Ich glaube, was meine Kritiker wirklich stört, ist nicht, dass ich „Langeweile“ verbreite, sondern, dass man meine Ansichten nicht erträgt. Immerhin rafft man sich dann öfters zu giftigen Zuschriften auf. So öde können meine Texte offenbar nicht wirken!

Daher werde ich nicht müde werden zu betonen, es existierten im Tango keine unumstößlichen Gesetze – weder für das Tanzen noch die Musik oder die Verhaltensweisen auf Milongas. Da rühmt man sich einerseits unseres unvergleichlichen Improvisationstanzes und möchte ihn andererseits in ein ideologisches Regelwerk zwängen.

Nein, der Tango hat sich in weit über hundert Jahren stetig entwickelt und neu ausgerichtet, hat zeitbedingte Veränderungen aufgenommen und Vergangenes abgelegt. Nie gab es etwas Festes und dauerhaft Gültiges. Gerade das macht ja seine Faszination aus!

Daher bin ich niemandem böse, der Texte von mir als langweilig ablehnt. Auch Tangoblogs müssen sich mit der Zeit verändern, Neues aufgreifen. Ich freue mich über jeden, der es besser macht. Nur ist derzeit davon wenig zu sehen. Kommentar-Einzeiler reichen da nicht, man müsste sich schon mehr bemühen – nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich.

Dennoch bin ich sehr erstaunt, dass man mir gerade von konservativer Seite vorhält, zu wenig Neues zu bieten. Leute, die es interessant finden, zum hundertsten Mal auf ein und dieselbe Musikaufnahme zu tanzen, ein ewig gleiches, begrenztes Schrittrepertoire einzusetzen und in der Ronda brav hinter dem Nachbarpaar herzudackeln, erscheinen mir nicht als Jünger des Fortschritts. Eher begreife ich sie als Menschen, die nicht wollen, dass sich was ändert. Da müssten ihnen meine Artikel doch gefallen…

Natürlich verfolge ich sehr aufmerksam das Echo der einzelnen Texte. Zu meiner eigenen Verblüffung stelle ich oft fest, dass Artikel über meine Standardthemen (Códigos, Cabeceo, tralala) weitaus mehr gelesen werden als solche, in denen ich stark davon abweiche.

Beispielsweise werde ich zwar für Beiträge, die sich eher mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen beschäftigen, manchmal gelobt – sie erregen jedoch weit weniger Aufmerksamkeit. Und hierbei stehe ich natürlich in Konkurrenz zu Hunderten von Top-Journalisten, die es meist besser können. Glücklicherweise schreiben die nicht über Tango, was mir Chancen eröffnet.

Wenn ich mir erfolgreiche Kabarettisten ansehe, stelle ich fest, dass sie oft ebenfalls ein recht begrenztes Gebiet bearbeiten. Das aber sehr gekonnt! Werner Schneyder hat einmal gesagt, man solle keine „Wegwerf-Chansons“ bieten, sondern „Pfandlieder“. Fürs neue Eintrittsgeld hörten sie die Leute immer wieder gern.

Daher, liebe Kritiker:

Sollten Sie viele meiner Texte dennoch langweilig finden, empfehle ich einfach, sie nicht zu lesen. Richten Sie Ihre Energie auf Interessanteres im Leben! Und machen Sie sich nicht die Arbeit mit Kommentaren  es lohnt nicht die Mühe.

Ein Trost bleibt Ihnen doch: Sie müssen hier kein Eintrittsgeld bezahlen!

Wenn unserer Hauskatze langweilig ist
P.S. Zum Weiterlesen:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2018/03/und-taglich-spielt-das-murmeltier.html

https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/06/und-taglich-tanzt-das-murmeltier.html

Kommentare

  1. Wer mal den Knigge tatsächlich lesen will, z.B. da:
    http://www.al-adala.de/Neu/wp-content/uploads/2011/10/Knigge-Über-den-Umgang-mit-Menschen.pdf
    (hab ich mir grad runtergeladen ...)

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