Liebes Tagebuch… 82
Es gibt Tage, da geht vieles auf einmal kaputt – so auch im Moment: An der Heizung tropft irgendein Ventil, aber am Wochenende kriegst du natürlich keinen Handwerker her. Der Zusatzlautsprecher unseres Fernsehers („Oskar“) gibt nur noch gurgelnde Geräusche von sich – und Karins neue Brille hat es nun zum zweiten Mal zerlegt. An solchen Tagen solltest du nicht zum Tango gehen – und ganz bestimmt nicht in München.
Taten wir doch.
Da wir nicht mehr sehr oft in der Landeshauptstadt weilen, kennen wir auf den Milongas nicht mehr allzu viele Leute. An diesem Tag betraf das vor allem die Tänzerinnen. Beachtet wurde ich von kaum einer: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht – und die Bäuerin ebenso.
Das Problem ist: Ich fordere höchst ungern Damen auf, die keine Notiz von mir nehmen. Das kann natürlich bedeuten, dass sie unaufmerksam oder kurzsichtig sind, aber auch, dass sie auf einen Tanz mit mir verzichten können. Keinesfalls will ich mich dann aufdrängen – eine Horrorvorstellung!
Andererseits fahre ich natürlich nicht auf eine Milonga, um dann lediglich mit meiner Begleiterin zu tanzen – schon deshalb, weil ich nicht als arrogant oder elitär rüberkommen möchte. Daher mal in Ruhe abchecken:
Die anwesende Tangolehrerin auffordern? Hohes Ablehnungs-Risiko! Diese Spezies tanzt eigentlich nur, wenn sie es bezahlt bekommt. Oder gar die Chefin? Sicher eine hervorragende Tänzerin, aber die Frau hat sich jede Menge Jobs aufgehalst und wirkt überfordert. Und sie wird laufend von Männern aufs Parkett gebeten, die wohl auch in Rangordnungs-Kriterien denken. Also lieber nicht!
Die Dame gegenüber, welche beim Tangolehrerpaar sitzt? Sie ist in Gespräche mit den beiden vertieft, da könnte man stören. Oder das junge Mädel im Sommerkleid, das (für mich unerklärlich) ziemlich viel rumsitzt? Mich plagen bei Tangueras, die nicht mal ein Drittel meiner Lebenszeit hinter sich haben, aber Skrupel, da ich nicht als „Sugardaddy“ rüberkommen möchte. Außerdem wurde sie dann doch noch öfters aufgefordert – na also!
Nach längerer Zeit fiel mir eine Schwarzhaarige auf, die ganz schön tanzte. Wär doch mal was! Allerdings nahm sie dann bei einem Mann Platz, der erst später gekommen war. Kannten sich die beiden? Dann war in Kürze damit zu rechnen, dass sie das Parkett betraten. Siehste – hatte ich mir doch gedacht! Doch nach einiger Zeit sah ich eine Chance, da der Partner sich mit jemand anderem aufs Parkett begeben hatte. Und was macht sie? Plötzlich rennt sie Richtung Bar! Na gut, wird was essen wollen. Alsbald kam sie zurück und wühlte in ihrer Tasche, fand etwas, das sie unbedingt hinaustragen musste – erschien dann wieder, die Suche in der Tasche ging weiter. Inzwischen war ihr Partner wieder zurückgekommen, längeres Gespräch.
Zwischendurch glückte mir tatsächlich die einzige Fremdaufforderung des Nachmittags: Eine Tänzerin, die ich von früher kenne, und die noch zur Generation von Frauen gehört, die selber tanzen. Toll! Leider schien sie wenig begeistert von meinem Tanzangebot. War sie sauer, weil ich viele Jahre nicht mehr mit ihr auf dem Parkett war? Oder gefielen ihr meine Blogartikel nicht? Egal, sie tanzte wunderschön und spektakulär – und man muss mich ja nicht lieben…
Irgendwie kam ich dennoch nur punktuell in Tangostimmung, trotz der Livemusik. Na ja, der Vortrag war gelegentlich schon ziemlich lebendig. Aber man sollte jungen Musikern ihr Entwicklungspotential nicht absprechen.
War es das schon? Mir war aber eine Blondine aufgefallen, die erst sehr spät erschienen war und wirklich schön tanzte. Leider trat auch die nach einer Tanzrunde erstmal die Wanderung zu den Fressalien an. Na gut – ich kann warten… Irgendwann saß sie dann tatsächlich mutterseelenallein herum. Jetzt oder nie!
Nein, so ihr Bescheid, sie mache gerade eine Pause! Bitte sehr, danke vielmals… Nur, Mädel, meine Jogginghosen made in Germany mache ich mir noch nicht mit der Beißzange zu! Nach einem Tanz schon wieder ermüdet? Na gut, auf meiner „Blöde Kuh-Liste“ ist noch einiges frei…
Ich beschloss daraufhin, die Schuhe zu wechseln und die Rückfahrt anzutreten. Für mich gibt es dennoch keine schlechten Milongas: Entweder ich kann schön tanzen oder habe Stoff für einen neuen Artikel. So bin ich selten enttäuscht.
Dennoch würde ich natürlich gerne wissen, was der Grund für die Abfuhr war: Meidet sie Tänze mit Tattergreisen? Besteht sie auf den Cabeceo als einzig rittertümliche Annäherung? Kennt sie mein Blog und bezweifelt daher meine tangoideologische Zuverlässigkeit? Gehört sie gar zur Theresa Faus-Pegida (oder den „Melina-Sedonisten“)?
Nie werde ich es erfahren!
Auf dem Heimweg dachte ich scharf nach: Wo hat mich das gute halbe Dutzend von Körben in 25 Jahren ereilt? Meines Wissens war es ausschließlich in der Hauptstadt der Tango-Bewegung. Warum fahre ich Depp trotzdem noch gelegentlich hin? Selber schuld!
Auf die Gefahr hin, dass mich eine sehr nette Tangolehrerin wieder der Nostalgie zeiht: Mir geht mehr und mehr das Urvertrauen verloren, das meine Seele früher gepolstert hat. Ich fürchte inzwischen auf den Milongas die Gefahr, als „Renegat“ gesehen zu werden. Mir ist eine solche Denkweise fremd: Es kümmert mich kein bisschen, welche allgemeinen Ansichten zum Tango eine Frau hat, die ich auffordere. Wenn sie einverstanden ist, für zwölf Minuten mit mir aufs Parkett zu gehen, reicht mir das völlig.
Ich hoffe allerdings, dass sie in ihrer Schulzeit im Fach „Kinderstube“ nicht allzu oft beim Kreideholen war.
Viele Male habe ich mich mit den Klagen von Tänzerinnen (gerade in den Metropolen) beschäftigt, nicht aufgefordert zu werden – oft wegen des Alters oder fehlender Bekanntheit: Hier ein aktueller Artikel dazu:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2023/12/wahnsinn-mit-methode.html
Wenn mich solches Lamento wieder einmal erreicht, werde ich zunächst herzlich lachen. Anschließend vorschlagen, die Umgebung aufmerksamer zu beobachten. Und die Dame dazu anregen, einmal ein ernstes Wort mit Geschlechtsgenossinnen zu führen, die durch ihr selektives Gebaren für die unheilvolle Spannung sorgen, welche auf vielen Milongas herrscht. Und wenn das schon mir nach 25 Jahren noch Probleme bereitet, möchte ich mir nicht vorstellen, wie es Anfängern geht. In deren Haut möchte ich nicht stecken!
P.S. Ich buche jetzt einen Macho-Lehrgang:
https://www.youtube.com/watch?v=NVPVATqv6i4
Eben! Ich werd Tangolehrer…
Ich führe keine Blöder-Ochse-Liste - warum auch. Ich akzeptiere einfach, wenn jemand nicht mit mir tanzen mag.
AntwortenLöschenGute Kinderstube ist doch nicht mit einem Tanz-Gebot gleichzusetzen. Doris Lennart
Die Liste dient mir dazu, dass ich solche Frauen in diesem Leben sicher nicht mehr auffordere. Aber selbstverständlich akzeptiere ich ihre Weigerung - da gibt es nichts zu diskutieren.
LöschenGute Kinderstube bedeutet für mich, dass man mit seinen Mitmenschen sensibel umgeht - zumindest im realen Leben. Für mich ist es ein Akt der Höflichkeit, ein Tanzangebot nicht auszuschlagen. Auch, wenn man sich den Tanz hätte sparen können. Habe ich selber oft genug erlebt.
Milongas sind kein guter Ort, um sein Ego über alles andere zu stellen.
Das sehe ich nun wirklich ganz anders. Gerade von Frauen werden Gefaelligkeiten erwartet, die sie noetigen, ihre Grenzen zu uebergehen.
LöschenEine Ablehnung eines Angebots zum gemeinsamen Tanz, dazu noch in einer einzigen Situation, ist ganz sicher kein Grund, fuer alle Zeiten beleidigt zu sein und die Verneinende in die Bloede-Kuh-Schublade einzusortieren.
Selbst wenn eine Person prinzipiell nicht mit einem tanzt, so ist dies einfach ihr gutes Recht - und nichts weiter. Beim Tanzen laesst man so viel mehr Naehe zu als sonst. Das darf doch besonderen Personen vorbehalten bleiben - so ist meine Einstellung.
Ich glaube, es ist Ihr Ego, welches Ihnen hier einen Streich spielt.
Doris Lennart
Also, wer von Frauen Gefälligkeiten verlangt, die sie nötigen, ihre Grenzen zu übergehen, sollte sich auf Post vom Staatsanwalt gefasst machen.
LöschenAber sorry, wer mir einen Korb gibt, hat ja die Chance, die Besonderheit der Situation zu erklären. Das war im angesprochenen Fall nicht so. Soll ich eine solche Dame nochmal fragen und ihr Gelegenheit geben, sich erneut als arrogante Zicke zu inszenieren? Geht’s noch?
Und wer vom „guten Recht“ redet, verwechselt einen gesellschaftlichen Anlass mit einem Gerichtssaal. Selbstverständlich ist man berechtigt, ein Tanzangebot abzulehnen. Der andere ist dann aber ebenso berechtigt, sich ein Urteil über ein solches Verhalten zu machen.
Aber weil wir schon beim Juristischen sind: Ich wäre auch berechtigt, dämliche Kommentare auf meinem Blog nicht zu veröffentlichen. Stattdessen beantworte ich sie meist geduldig. Aber solchen Schreibern dämmert es oft nicht, dass sie hier nicht die Nervtöte spielen sollten. Das ist vergleichbar mit Männern, die einer Frau zum x-ten Mal mit einer Aufforderung auf den Geist gehen.
Und ja, beim Tango gibt es mehr Nähe als sonst – wobei ich nicht zu den Fans hautnaher Umarmungen zähle. Klar darf man das auf eine exklusive Auswahl beschränken. Nur sollte man sich dann nicht wundern, wenn viele Gäste einen meiden.
Uhuh. Da kochen die Gefuehle hoch.
AntwortenLöschenIch fasse mal zusammen: Ihre gute Kinderstube hat Ihnen oft genug Taenze eingebracht, die Sie sich lieber erspart haette. Kein Grund fuer Sie, althergebrachte Einstellungen und Verhaltensweisen zu ueberdenken.
Auf Ihre Beleidigungen meiner Person mag ich nicht eingehen.
Doris
"Aber sorry, wer mir einen Korb gibt, hat ja die Chance, die Besonderheit der Situation zu erklären."
AntwortenLöschenWie bitte? Geht's noch? Niemanden muss ich irgend etwas erklären, wenn ich mit jemanden nicht tanzen will! PUNKT.
Muss er auch nicht. Man hat eine Chance, die man auch verspielen kann.
LöschenAber danke für die Anregung zu einem neuen Artikel!
Danke. So sehe ich es auch. Es gibt keinen Grund, mich zu erklaeren, wenn ich nicht tanzen mag.
LöschenAn dieser Situation ist auch nichts besonderes - keine Abwertung, keine Beleidigung, sondern einfach nur 'nein, ich mache gerade Pause'.
Damit sollte ein erwachsener Mensch, dazu mit 'guter Kinderstube', doch umgehen koennen, ohne sich in seinem Selbstwert angegriffen zu fuehlen und um sich zu beissen (mit Blog-Artikeln wie diesem).
Doris
Liebe/lieber Anonym.
LöschenSo ist es.
Und ein erwachsener Mensch, dazu mit guter Kinderstube, sollte in der Lage sein, so ein 'nein, ich mache gerade Pause' nicht ungebremst auf den Selbstwert fallen zu lassen. Es sollte doch moeglich sein, ein 'nein' zu akzeptieren ohne um sich zu beissen (in Artikeln wie diesem). Zumal ein 'nein, ich mache gerade Pause' nun keine Abwertung oder Beleidigung darstellt.
Doris
Hallo Gerhard,
AntwortenLöschenWenn Du höchst ungern Damen aufforderst, die keine Notiz von Dir nehmen, dann tue es doch auch nicht.
Ich kann mich nicht erinnern mal einen "Korb" bekommen zu haben, wenn eine Dame mich dann beachtet hatte, als ich bereit war mit ihr zu tanzen. Und ich habe in der Regel auch keine Hoffunung, die wahren Gründe erklärt zu bekommen, also kann ich darauf verzichten.
LG Martin
Lieber Martin, ich würde auch nicht hinterfragen, warum jemand mit mir tanzt. Bei einer Ablehnung achte ich aber schon darauf, ob sich die Dame wenigstens um Diplomatie bemüht.
LöschenJawohl. Wenn sie zickt, soll sie sich wenigstens mit Diplomatie aus der Sache rausziehen. Die bloede Kuh. Voll asozial. Mit der sollte man echt mal ein ernstes Wort reden.
AntwortenLöschenGerhard,der Gentleman. Vertreter von Sitte und Anstand (bilateral only).
Doris Lennart. Daemlich und nervig wie eh und je.
Ach, seien Sie nicht so streng mit sich selber.
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