Tango essen Liebe auf

 

Ein Leser hat mich dankenswerterweise auf ein Video aufmerksam gemacht, das 2017 herauskam: Eine Doku des WDR berichtet unter dem Titel „Wenn der Alltag die Liebe auffrisst - Ein Paar kämpft um seine Beziehung“ über die bekannten Tangolehrer Susanne Opitz und Rafael Busch.

Seit 13 Jahren, so heißt es dort in der Beschreibung, seien die beiden ein Paar, die Tochter ist fast ebenso alt. Doch was als heiße Affäre begann, sei inzwischen ziemlich abgekühlt. Und daran hängt über die Tangoschule ja die ganze Existenz! 60 zu 40, so Rafael, sei die Chance, das folgende Jahr als Paar zu überstehen. Das Filmteam hat die beiden ein Jahr begleitet und sehr Privates festgehalten.

Ich erinnere mich, das Video seinerzeit gesehen zu haben, mochte darüber aber nichts schreiben. Mir war es zu riskant, mich damals in ein „laufendes Verfahren“ einzumischen. Aber inzwischen sind ja sieben Jahre vergangen – und die beiden sind immer noch als Tanzlehrerpaar aktiv. Daher erlaube ich mir nun einige Anmerkungen.

In einer der ersten Szenen packen die beiden ihre Sachen für einen Auftritt. Was er denn dazu anziehe, will sie wissen. Schließlich müsse ja die Zusammenstellung passen. Ihr Partner ist leider eher der wurstige Typ, worauf er von seiner Partnerin zusammengefaltet wird: Die Sachen müssten doch gereinigt und gebügelt werden – und auch die „abgeratzten Schuhe“ gingen gar nicht.

Rafael gibt anschließend zu Protokoll, Susanne habe stets ganz strikte Vorstellungen, wie alles zu laufen habe, wie er sein solle – mit der entscheidenden Komponente „Traummann“. Und der sei er halt nicht. Damit müsse sie leben: Ehrgeiz contra Gleichgültigkeit.

Anschließend sieht man die beiden vortanzen – zum hier völlig unpassenden Titel „Todo es amor“. Susanne ist natürlich perfekt gestylt – und Rafael… na ja. Ich hätte mich strikt geweigert, diese grauglänzende Satinhose anzuziehen. Aber die Geschmäcker sind halt verschieden…

Susanne stellt dazu fest, dass sie für die Zuschauer das „unglaubliche Traumpaar“ seien – die sähen gar nicht, dass sie Probleme hätten. Wohl wahr!

Der Morgen danach – Hotelzimmer: Frau und Tochter belegen das Doppelbett, Rafael musste auf dem „Beischläfer-Sofa“ übernachten. Als er sich darüber beklagt, meint die Gattin, er könne sich doch gegen die Tochter durchsetzen, wenn er wolle. Ah so.

Anderer Beischlaf ist schon lange nicht mehr drin. Rafael arrangiert sich damit, leidet aber stark darunter. Susanne will sich nicht den „Schwarzen Peter“ zuschieben lassen. Sie fühle sich unter Druck gesetzt. Es sei aber eine Menge abhandengekommen, was eine gute Beziehung ausmache. Frauen brauchten eben auch die Einbettung in eine entspannte Stimmung, gemeinsame schöne Erlebnisse.

Auch eine Paartherapie scheint nicht zu helfen – schon deshalb, weil die beiden eigentlich keine Zeit dafür haben. Bei der Terminplanung schaffen sie es gerade noch, ein freies Wochenende vier Monate später festzulegen.

Schwung kommt in die Entwicklung, als Susanne für drei Wochen allein nach Buenos Aires geht. Ob er ohne sie klarkomme, fragt sie. Antwort: Er sei schon immer ohne sie zurechtgekommen. Das irritiert sie merklich.

Doch auch über den großen Teich hinweg streitet man sich munter weiter. Rafael ist sauer über eine ziemlich patzige E-Mail seiner Gattin, in der es um Geschäftliches geht, bei dem sie sich übergangen fühlte.

Er nutzt die Zeit, um einfach mal wieder tanzen zu gehen. Susanne zeigt sich erstaunt, dass er dies erst unternommen habe, als sie abwesend war. Rafael sagt, er habe sich einmal wieder um sich selbst kümmern wollen. Dabei blieb es aber nicht – er hat eine Affäre mit einer anderen Tanguera begonnen.

Als sie das herausfindet, geht eine Bombe hoch. Sie schmeißt ihn erstmal raus. Er hatte ihr vorgeschlagen, das Geschäftliche und Familiäre so zu belassen, aber die private Partnerschaft aufzugeben. Damit ist sie natürlich nicht einverstanden. Auch er meint inzwischen, dass dies nicht gehe.

Gegen Ende des Films scheinen sich die beiden wieder aufeinander zuzubewegen: Rafael lässt die andere Frau sein, und Susanne sieht ein, in welchen Nöten ihr Mann steckte. Der meint zu spüren, seine Frau gehe jetzt anders mit ihm um. Doch auch in dieser Schlussszene blitzt an einer Stelle wieder ihre Dominanz auf.

Mein Gesamteindruck hat mich nicht getrogen: Wie man im Kommentarbereich erfährt, haben sich die beiden einige Monate nach den Dreharbeiten getrennt. Sie seien aber weiterhin befreundet und führten zusammen ihre Tanzschule.

Nun besteht eine langjährige Beziehung aus einer großen Zahl von Facetten, von denen der Außenstehende höchstens einige mitbekommt. Daher sollte man mit Urteilen vorsichtig sein.

Daher kann ich nur sagen: Selber käme ich mit der kühlen und ziemlich dominanten Art von Frau Opitz nicht klar. Immer wieder schlägt sie einen Ton an, der mich vertreiben würde. Man hat den Eindruck, dass sie Rafael für ein „Weichei“ hält. Möglicherweise wäre sie mit dem handelsüblichen Tango-Macho besser bedient, der Ehrgeiz und Ellbogen einsetzt und ihr den traditionellen Platz zuweist. Aber wie in allen Partnerschaften gilt: erhalten wie besichtigt – für beide.

Und man muss in der hormonell bedingten Demenz des Kennenlernens erstmal ein Kind produzieren. Damit sind die Probleme auf Jahre gesichert.

Mein Leser schreibt, er halte es für mutig, sich für einen solchen Film herzugeben. Mag sein. In jedem Fall ist es eine Warnung, bei unserem Tanz nicht auf die gerne verkauften Illusionen hereinzufallen: Dass tief zerstrittene Paare auf dem Showparkett Sinnliches markieren, dürfte keine Ausnahme sein. Die Trennungsrate von Tanzlehrern spricht Bände.

Es ist gefährlich, zu glauben, die gerühmte „Verbindung“ auf der Tanzfläche könne Liebesglück fördern oder gar dauerhaft stabilisieren. Da dreht uns der eitle Tango eine Nase: Ätsch, nun gerade nicht!

Die ernüchternde Wahrheit ist: Eine Bindung kann stabil bleiben, obwohl man Tango tanzt. Nicht, weil man dies tut! Man muss im wirklichen Leben miteinander klarkommen, nicht nur auf dem Parkett!

Meine Empfehlung: Eine Dreiviertelstunde zur Entfernung von Tango-Illusionen!

 

https://www.youtube.com/watch?v=8e3Mo9Uv-88

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