Meine Standpunkte-Liste
Wow, kaum führt man ein Blog über 11 Jahre – und schon wird man gefragt, was man eigentlich damit bezweckt!
Wissen wollte das der Blogger-Kollege Wolfgang Balzer (alias „Yokoito“) neulich auf einem Nachbarblog:
„Jedenfalls, wenn ich da lese ‚Ich vertrete in diesem Bereich Minderheiten-Standpunkte. Wie man mit denen umgeht, sagt viel über eine Szene aus.‘, frage ich mich, was das für Standpunkte sein sollen. (…) Also wenns nicht zu viel Umstände macht – wie wärs mal mit einer kleinen Standpunkte-Liste?“
Da schließt sich doch Freund Wendel gerne an:
„Und, dass Ihnen eine Aufzählung Ihrer wichtigsten Standpunkte schwerfällt, zeugt von einer tiefen Verworrenheit und davon, dass Sie auf diesem Blog absolut den Faden verloren haben.“
Na ja, kann bei mehr als 2000 Artikeln schon passieren… und man ist halt nicht mehr der Jüngste!
Zudem habe ich Probleme mit dem Begriff „Standpunkt“. Schließlich sagte Albert Einstein: „Der Horizont vieler Menschen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nennen sie dann ihren Standpunkt.“
Dies warnend vorausgeschickt, bin ich doch einmal tief in mich gegangen und habe – natürlich völlig vorurteilsfrei – nach meinen Motiven und Zielen geforscht:
· Satire macht einfach Spaß
Während ich gerade schreibe, schmettert ein Amselmännchen vom höchsten Baum unseres Gartens aus seine Lieder. Warum tut es das? Als gelernter Biologe kann ich natürlich Lehrbuchwissen referieren: Revierverhalten, Anlockung von Weibchen. Ich glaube aber, der Flattermann singt auch deshalb, weil es so schön schallt – und er anderen damit perfekt auf den Geist gehen kann.
Herbert Feuerstein hat einmal sein „satirisches Grundgesetz“ so beschrieben: „Jeder hat das Recht, verarscht zu werden.“ Oder: „Die Welt ist blöd, du aber auch!“
https://www.rondomagazin.de/artikel.php?artikel_id=756
Am schönsten ist es natürlich, wenn man damit andere dazu bringen kann, sich „ernsthaft“ zu empören. Im Tango ist das kein Problem.
· Tango-Rangordnungs-Gedudel
Glücklicherweise ist es in unserer Gesellschaft heute kein Problem mehr, Friedrich Merz oder sogar den Papst zu veralbern. Im Tango warne ich dagegen dringend davor, es mit Gustavo Naveira oder Chicho Frúmboli zu versuchen. Die Gefahr ist groß, dann als „Abweichler“ oder gar „Verräter“ gebrandmarkt zu werden. Oder zumindest attestiert zu bekommen, vom Tango keine Ahnung zu haben.
Na gut, jeder darf seine Meinung äußern. Wer aber Tango-Hoheiten kritisiert, muss damit rechnen, auf den Milongas geschnitten zu werden oder sich vergeblich um die Teilnahme an hochmögenden Events zu bewerben. Mir wurde schon einige Male bedeutet, dass ich dort nichts zu suchen hätte.
Um es positiv zu sagen: Ich habe beim Tango stets für flache Hierarchien plädiert. Ein Anfänger, eine Anfängerin oder gar ein Mensch mit abweichenden Vorstellungen vom Tango sollte nicht in eine Außenseiter-Rolle gedrängt werden. Seine Ansichten sind ebenso zu respektieren wie die von Tango-Berühmtheiten.
· Diskriminierung von Frauen
Im Laufe der Jahre hat sich bei mir die Überzeugung gefestigt: Tango ist eine Männer-Domäne. Okay, blöderweise braucht man zum Tanzen eine Frau – nur zu Wort melden sollte die sich lieber nicht! Wenn in den sozialen Medien über Tango diskutiert wird, führen Männer das große Wort. Ihre Partnerinnen erwähnen sie meist mit keinem Satz.
Frauen müssen sich auch noch im 21. Jahrhundert gefallen lassen, von Tangoveranstaltungen wegen des Geschlechter-Proporzes ausgeschlossen zu werden. Und auf sich „traditionell“ nennenden Milongas sollten sie es nicht wagen, Männer direkt wegen eines Tanzes anzusprechen. Dazu hat man den Cabeceo erfunden: Gucken dürfen die Damen – weiter aber nichts! Angeblich dient der Blicke-Zwang zu ihrem Schutz. Mit dem gleichen Argument hat man Frauen früher die Führung eines eigenen Kontos untersagt…
Und das Thema „sexuelle Belästigung“ ist auch im Tango durchaus aktuell!
Unter den Labels auf der Startseite meines Blogs findet man den Hinweis auf 134 Artikel zum Thema „Frauen und Männer“. Bei Interesse gerne einmal reinschauen:
https://milongafuehrer.blogspot.com/search/label/Frauen%20und%20M%C3%A4nner
Derzeit versuchen gewisse Gegner, mich als „Frauenfeind“ hinzustellen, was natürlich völlig bekloppt ist. Wahr ist aber: Das weibliche Geschlecht ist von der Satire nicht ausgeschlossen – wäre ja diskriminierend…
· Rücksturz ins Ghetto der historischen Musik
In den letzten 20 Jahren hat man es weitgehend geschafft, den Tango von aktuellen musikalischen Entwicklungen abzukoppeln. Motto: Nach 1955 sei keine „tanzbare“ Tangomusik mehr entstanden. Gut, inzwischen dürfen Live-Gruppen brav die Arrangements der einstigen Größen nachspielen – immerhin. Viel mehr ist aber eher nicht drin. Für mich ist das eine Kultur-Vernichtung ersten Grades!
Wie die 84 Playlists beweisen, die ich auf meinem Blog veröffentlicht habe, ginge es auch anders. Resonanz haben sie wenig gefunden. Klar, dafür müsste man sich für Musik interessieren… Stattdessen lässt man auf vielen Veranstaltungen rauf und runter immer wieder dieselben Hits aus der Schellack-Ära dudeln, die von „Experten“ aufgelegt werden, die sich vor allem für Computer-Technologie interessieren.
· Tanzen ist eher unwichtig
Erst kürzlich durfte ich den Text einer vormals progressiven Tangolehrerin lesen, die dafür plädiert, die Tanzfläche zugunsten des „Sozialbereichs“ zu verkleinern. Klar, es geht heute eher ums Sehen und Gesehenwerden, um den gemütlichen Ratsch am Samstagabend. Tanzen ist allenfalls ein nettes Beiwerk, bei dem man Kontakte der besonderen Art knüpfen kann. Ich kann das gut verstehen, da ich selber auch immer weniger Lust verspüre, mich zu angejahrten Langweiler-Klängen zu bewegen.
· Geschäftsmodell Tangounterricht
Derzeit veröffentlicht ein Kollege ganze Serien von Texten zum Erlernen des Tangos. Zweifellos ist das verdienstvoll – nur mit der Realität der gemeinhin angebotenen Kurse hat das wenig zu tun. In der Regel werden zu bräsigen Di Sarli-Klängen Schritte verkauft – oder noch besser: die immer mehr gepriesene „Umarmung“. Ich schlage vor, die ohne Ortswechsel zu praktizieren – hätte man mehr davon! So wird vor allem die „Lizenz zum Kuscheln“ verkloppt.
Wenn ich dann vorschlage, es doch – wie die Gründerväter (und Mütter) des Tango mal in freien Übungsgruppen zu versuchen, gar mal etwas selber zu lernen, ziehe ich mir den nackten Hass derer zu, welche ihre Einnahmen als Tangolehrende davonschwimmen sehen. Gute Tänzer, so wurde ich mehrfach belehrt, fielen schließlich nicht vom Himmel. Ich fürchte aber, der Tango befindet sich heute in einer niederschlagsarmen Phase!
· Ohne Regeln kein Tango
Als Mittel gegen das Vergnügen an der Bewegung wurde unser Tanz mit einer Fülle von „Códigos“ (also Verhaltensnormen) ausgestattet: Vom Auffordern bis zum Wiederhinsetzen kann man vor allem viel falsch machen. Auf dem Parkett hat man „Spuren“ zu beachten, indem man uninspiriert hinter dem vorderen Paar herdackelt. Hohe Beinaktionen, Auflösung der Umarmung und andere Symptome von Lebensfreude sind untersagt. Wie man dann noch den Blödsinn vom „einzigartigen Improvisationstanz“ verzapfen kann, übersteigt meine Fantasie.
Irgendwie erinnern mich diese Milonga-Regeln an die katholische Sexualmoral: Wenn es Spaß macht, ist es meistens Sünde! Und was dem einen sein Rom, ist dem anderen sein Buenos Aires.
So, nun bin ich wahrlich tief in mich und meine finsteren Triebe gegangen – ich hoffe, man konnte sich über meine bizarren Ansichten genügend empören! Dass ich meine Gegner mit dieser Liste überzeuge, ist nicht zu befürchten. Mir hat sie aber Spaß gemacht.
Äh ja… und welche Werte sind für Sie wichtig? Ich empfehle einen Test, auf den man mich gerade aufmerksam gemacht hat:
https://einguterplan.de/werte-test/
Ich möchte Ihnen mein eigenes Ergebnis nicht vorenthalten:
1. Wissen
2. Spaß
3. Kritikfähigkeit
Hatte ich mir‘s doch gedacht!
P.S. Ich bitte um Verständnis, dass ich die Kommentarfunktion einstweilen auf „Google- Konten“ beschränke. Ich habe keine Lust mehr, immer wieder 5 Wörter- Geistesleistungen im Stil von „Der Riedl ist halt doof“ löschen zu müssen. Sie können mir aber weiterhin Kommentare per Mail zuschicken (siehe Hinweis am Schluss der Artikel).![]() |
Wir nehmen gerade ein Blatt vor den Mund! |
Klaus Wendel hat nun auf seinem Blog eine Entgegnung zu meinem Artikel verfasst, obwohl, wie er selbst bekennt, sein KI-Abo abgelaufen ist. Ich finde das tapfer.
AntwortenLöschenLeider hat der Kollege immer wieder Probleme mit der Analyse fremder Texte, da er stets vermutet, was dasteht – es aber versäumt, wirklich nachzuschauen.
So behauptet er mehrfach, ich spräche in meinem Artikel für die „einfachen Leute“, obwohl der Begriff in meinem Text kein einziges Mal vorkommt. Mir geht es aber nicht um die „Proletarier“ (die im heutigen Tango kaum eine Rolle spielen), sondern um die übliche Kundschaft – im Gegensatz zu den Berühmten und Schönen.
Dass der Autor mich nun – unter Verweis auf Corona – ins „Querdenker-Lager“ abschieben möchte, zeigt, dass er von den 134 Artikeln, die ich im Zusammenhang mit der Pandemie veröffentlicht habe, keinen Dunst hat. Wer’s nachlesen möchte:
https://milongafuehrer.blogspot.com/search/label/Corona
Aber Wendel tut sich halt schwer damit, sich für fremde Texte zu interessieren. Schließlich weiß er selber eh alles besser.
Ich bin ein glühender Fan der Naturwissenschaften. „Verschwörungs-Gedudel“ ist mir verhasst. Vielleicht weiß ich deshalb auch, wie man richtig zitiert.
Dass man im Tango „nichts mehr sagen darf“, habe ich nie behauptet. Schließlich veröffentliche ich seit Jahren Texte dazu. Wahr ist aber auch, dass einem dann öfters die Dreckbollen um die Ohren fliegen. Ich habe stets dafür plädiert, das auszuhalten. Leider ist diese Haltung im heutigen Tango nicht sehr verbreitet.
Dass Wendel Probleme damit hat, Fakten und „bloße Meinung“ zu unterscheiden, ist nichts Neues. Grob gesagt haben andere allenfalls Meinungen, während seine Ansichten als Fakten gelten.
Sehr amüsiert hat mich Wendels Frage, ob ich meine Meinungen wohl gar bestätigt haben wolle. Ach nein… wie kommt man nur darauf?
Ich lese die Texte des Kollegen wirklich gerne, schon wegen der der argumentativen Bauchlandungen. So rechtfertigt er den Anspruch, mit dem Tango Geld zu verdienen, mit dem Geschäft der Prostituierten früherer Zeiten. Ich fürchte, das werden die heutigen Kolleginnen nicht gerne hören!
Aber der Frauenfeind im Tango bin ja ich…
Halten wir fest: Was ich Standpunkte nenne, sind laut Wendel „bei näherer Betrachtung persönliche Meinungen“. Eine wirklich donnernde Erkenntnis! Und auch die Floskel vom „Deckmantel der Satire“ darf nicht fehlen.
Bloggen macht wirklich Spaß – ich kann es nur empfehlen!
P.S. Nachzulesen unter dem Titel „Gerhard Riedls „Standpunkte“ – eine kritische Einordnung“. Und obwohl der Kollege meinen Text nicht verlinkt hat:
https://www.tangocompas.co/gerhard-riedls-standpunkte-eine-kritische-einordnung/´
Gestern Abend (22.06 Uhr) hat Herr Wendel auf seinem Blog bekannt, dass es für ihn keinen Sinn mehr mache, auf meine Artikel zu reagieren. Der Versuch, mich zu widerlegen, sei „sinnlos“.
AntwortenLöschenDas finde ich auch.
Ich weiß nicht mehr, wie oft der Kollege nun schon mitgeteilt hat, mit mir „fertig“ zu sein. Leider kam dann heute Nachmittag schon wieder der nächste Kommentar.
Ob Wendel in diesem Leben noch von mir loskommt?
Irgendwie muss an mir etwas dran sein, das ihn immer wieder anzieht.
Ach, Klaus…