Karin zum Siebzigsten

Keiner sieht es ihr an – aber es ist die Wahrheit: Meine Frau wird heute siebzig!

Karin ist ein Energiebündel – wohl auch dank ihrer englischen und schottischen Vorfahren: Wenn ich morgens (also gegen neun) halb bewusstlos meinen ersten Schluck Kaffee nehme, hat sie bereits die Welt ein Stück zum Besseren verändert: Sie war schon einkaufen, hat das Auto waschen lassen und die vielen Blätter vor dem Haus zusammengekehrt.

Meinen sudetendeutschen Schlamper-Modus nimmt sie meist widerspruchslos (gelegentlich mit leichtem Seufzen) hin, wenn ich am späten Vormittag lieber einen Artikel schreibe statt mich um den verkalkten Perlator in der Küche zu kümmern…

Danach lektoriert sie oft einen meiner Texte – auch das mit fallweisem Augenrollen: Ob denn der eine oder andere etwas gröbere Gag wirklich nötig sei? Karin ist stets auf Verständigung und Ausgleich bedacht, findet sich aber damit ab, mit einer problematischen Person wie mir das Haus zu teilen.

Diese Fähigkeit war sicherlich der Grund, warum mich meine Frau im Beruf auch karrieremäßig überbot: Sie amtierte als Mitarbeiterin im Direktorat ihres Gymnasiums, wo sie den Irrsinns-Job als Beauftragte für Disziplinarfragen übernahm. Sprich: Sie hatte den halben Tag mit höchst merkwürdigen Schülerinnen und Schülern nebst deren oft auch nicht besseren Eltern zu tun. Eine Aufgabe, die mir mehrere Jahre Haft wegen schwerer Körperverletzung eingebracht hätte…

Nach ihrer Pensionierung warf Karin sich mit noch größerer Energie auf ihr Lieblings-Metier, die Musik. Oft sitzt sie stundenlang am Computer, um eine Musiknummer mittels Notenprogramm chor-kompatibel zu bearbeiten – oder Titel für die nächsten Auftritte zusammenzusuchen.

Nebenbei" lektorierte die studierte Germanistin noch meine Bücher (nebst einigen anderen Werken) eine professionelle Unterstützung, die auch nicht jeder hat! 

Letztes Jahr bewältigte Karin zusammen mit ihrer Freundin Bettina mit dem Pörnbacher Kirchenchor (nebst seinen Instrumentalisten) das folgende Programm: 32 Messen, 9 Taufen, 18 Beerdigungen und 33 Chorproben. Dazu treten die beiden als „Duo Tango Varieté“ auf – in der Corona-Zeit oft täglich bei ihren „Abendkonzerten“.

Es ist für mich eine riesige Freude, mit den beiden zusammenzuarbeiten und ihre Auftritte magisch zu moderieren. Den größten Spaß haben wir bei den Proben, wo ich mit den Musikerinnen immer wieder um den besten Ausdruck der jeweiligen Stücke ringe. Technische Beherrschung ist natürlich Voraussetzung, aber die Wirkung eine Komposition entsteht, indem sich die Emotion eines Titels auf das Publikum überträgt. Ein Effekt, den man kaum beschreiben kann, aber bei den Auftritten sofort merkt.

Karin lernte ab ihrem 10. Lebensjahr Geige – was damals bei ihren Klassenkameraden als absolut „uncool“ galt. Schließlich hörte man damals Beatles und Stones – und nicht Mozart. Trotz des damaligen Mobbings ist sie diesem Instrument treu geblieben. Mit zirka 40 Jahren hatte sie einmal vor, zum Hackbrett zu wechseln. Das mit der Violine, so ihre Befürchtung, würde wohl mit zunehmendem Alter nicht mehr gut klappen. Glücklicherweise konnte ich sie von ihrem Vorhaben abbringen. Ich erinnere mich immer wieder mit Schmunzeln daran, wenn sie nun, 30 Jahre später, auf der Bühne steht und mit ihrem Instrument ganze Konzertprogramme spielt!

Der Gesang hatte es meiner Frau schon in ihrer Kindheit angetan. Leider fand sie niemanden, welcher sie in dieser Vorliebe bestärkte. Viele Jahre später fand sie eine geniale Lehrerin – eigentlich nur deshalb, weil ihr damals bei häufigen Erkältungen oft die Stimme wegblieb: Für den Schulberuf ein denkbar ungeeignetes Leiden! Ihre Lehrkraft gab auch Sprechtechnik-Schulungen. Daraus wurden fünf Jahre Gesangsunterricht – später auch bei einer professionellen Sopranistin. Ihr Repertoire begründete sie mit Kirchenmusik, seit Jahren ist sie auch in Genres wie Operette, Chanson, Tango und Schlager aktiv.

Seit einigen Jahren lernt sie nun auch Klavier. Wie gesagt: Ich kann diese Energie nur bewundern!

Eine andere Leidenschaft ist seit ihrer frühen Kindheit der Tanz. Damals wäre sie gerne zum Ballett gegangen – aber ihre Familie befand, dann würde man als Mädchen „affig“. Dennoch tanzte sie natürlich auf entsprechenden Events die Nächte durch. Zum ersten Mal forderte ich Karin bei einem Ball auf – zur Live-Musik Hugo Strassers vollführten wir einen Langsamen Walzer. Mein sofortiger Eindruck: Diese Frau tanzte nicht – sie schwebte! Als wir uns näher kennenlernten, absolvierten wir der Reihe nach die „Medaillenkurse“ der Tanzschulen – und als uns das nicht mehr reichte, tummelten wir uns auf Breitensport-Turnieren.

Wofür ich meiner Partnerin immer noch sehr dankbar bin: Der Ehrgeiz hat nie unser Verhältnis getrübt. Klar will man gewinnen, aber für uns stand ausnahmslos der Spaß im Vordergrund, uns zur Musik zu bewegen, den passenden Ausdruck für die Emotionen der Klänge zu finden.

Als wir dann vor 24 Jahren zum Tango fanden, wurde dieses Gefühl noch intensiver. Nach einiger Zeit des „Schritte Lernens“ merkten wir: Das ist nur Standardtanz mit anderen Mitteln. Seither versuchen wir mehr denn je, die Musik zu interpretieren, unserer Fantasie Ausdruck zu geben – und das macht mehr Freude als je zuvor.

In meiner Jugendzeit war ich ein großer Fan von Operette und Musical – später auch des Jazz, hauptsächlich des Swing. Was mich jedoch völlig abtörnte, waren Geige und Sopranistinnen, zumal in der Kirchmusik. Vor 34 Jahren heiratete ich dann eine Geigerin und Sopranistin…

Ich glaube, diese Erfahrung kann man verallgemeinern. Eine Partnerschaft nur auf „Gleichklang und Harmonie“ zu begründen ist gefährlich. Menschen entwickeln sich weiter – wohin, kann man schwer voraussagen. Daher meine ich, Respekt und Toleranz sind viel wichtiger. Man muss den anderen „spinnen“ lassen, wie er möchte – und darf das dann selber ebenfalls. Sonst entwickeln sich Ehen zu „Spaßverhinderungs-Gemeinschaften“: Keiner ist wirklich glücklich, kann sich aber damit trösten, dass es der andere auch nicht ist.

Und natürlich ist es entscheidend, die Lebensweise des Partners nicht nur zu tolerieren, sondern ihn auch bedingungslos zu unterstützen. Karin ist hierin unübertroffen. Mir ging es in den letzten 15 Jahren gesundheitlich nicht immer gut – meine Frau hat das alles geduldig mitgetragen und mir in jeder Weise geholfen. Kann man sich mehr wünschen?

Karin wird heute von halb Pörnbach bejubelt und gefeiert. Sie ist hier eine feste Institution und ein Vorbild für ihren Chor. Ich bin stolz auf sie und bleibe bei ihren Auftritten stets zwei Schritte hinter ihr – so wie es Prinz Philipp mit seiner Queen hielt.

Mir gefällt diese Rolle!

Foto: www.tamgofish.de

http://www.robinson-riedl.de/musik-vita.htm

Kommentare

  1. herzlichen glückwunsch und feiert schön!

    gruß
    andreas

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  2. Eine wirklich schöne Hymne. Und sie macht euch BlogGestalten plötzlich wirklich persönlich und Nachbar.
    HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH AN DIE TOLLE auch von TomO!

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  3. Alles Gute und weiterhin so viel Engagement für die schönen Künste!

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  4. Karin Law Robinson-Riedl2. März 2023 um 11:44

    Liebe Gratulanten,
    danke für eure herzlichen Worte!
    Ergänzung: Wer hat schon einen Partner/Ehemann, der solche Texte verfassen will und kann?!
    Grüße Karin

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