Der Mann kann

Meine Tangofreundin Stefanie Stenzel formulierte einmal den kürzesten Tangowitz: „Ich kann’s.“ Ich nehme an, es handelt sich dabei eher um ein Männer-Wort.

Personalchefs jedenfalls erhalten deutlich mehr männliche Bewerbungen, wenn sie eine Stelle ausschreiben. Dieses Geschlecht hält sich offenbar für entschieden kompetenter, wenn es um neue, höherrangige Aufgaben geht.

Der SPIEGEL berichtete von einer Studie, die Katelyn Cooper mit zwei Kolleginnen im Fachblatt "Advances in Physiology Education" veröffentlicht hat. Die Forscherinnen nutzten dabei den sogenannten Grade Point Average (GPA), der aus Noten an der High School, aber auch an den Universitäten berechnet wird. Deutlich mehr Studenten als Studentinnen mit gleichem Notendurchschnitt gaben an, sie hielten sich für schlauer als ihre Kommilitonen.

Die Testpersonen wurden auch gefragt, wie sie sich im Vergleich zu den Mitstudierenden sähen, mit denen sie näher in den Kursen zusammenarbeiteten. Über drei Mal mehr Männer gaben an, sich dem Rest überlegen zu fühlen. Katelyn Cooper berichtet, sie höre von Studentinnen immer wieder, sie hätten Angst, für dumm gehalten zu werden. Von deren männlichen Kollegen käme dieser Satz nie.

Bereits Schülerinnen trauten sich in Fächern wie Mathematik, Physik oder Chemie weniger zu, obwohl sie die gleichen Testergebnisse wie Schüler erzielten:

https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/13803610600765687

In einem Interview berichtete die Talkshow-Moderatorin Sandra Maischberger, es sei ein großer Unterschied, ob sie Männer oder Frauen einlade. Die Herren sagten meist sofort zu, während die Damen oft zögerten: „Da finden Sie doch bestimmt jemand Besseres.“

Eine Ursache könnten vorgegebene Rollenbilder sein: Beide Geschlechter hüten sich davor, zu deutlich Eigenschaften des anderen zu zeigen. Frauen empfänden es als negativ, wenn ihnen männliche Attribute wie Selbstbewusstsein oder Durchsetzungsfähigkeit zugeordnet würden. Sie handeln daher eher team- und harmonieorientiert, während Männer das Leben tendenziell als Wettbewerb oder Kampf auffassten.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/intelligenz-maenner-ueberschaetzen-sich-frauen-unterschaetzen-sich-a-1201229.html

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Untersuchung von 1000 Probanden durch die Internationale Hochschule Bad Honnef-Bonn: Frauen neigten bei der Einschätzung ihrer beruflichen Fähigkeiten stärker zur Selbstkritik als Männer, insbesondere in Bereichen wie Verhandlungsgeschick, Verkauf/Abschlusstechnik oder Gesprächsführung. Die Differenz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung ist bei weiblichen Beschäftigten um rund ein Drittel höher als bei Männern. Sprich: Sie werden von ihrem Umfeld deutlich positiver wahrgenommen als von ihnen selbst.

Die Folgen: „Frauen verdienen nachweislich weniger bei formal gleicher Qualifikation und Tätigkeit (Statistisches Bundesamt, 2014) und besetzen nur zu knapp 15% Führungspositionen in deutschen Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern (Statista, 2015).“

https://idw-online.de/de/news656891

Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) analysierte repräsentative Daten von rund 20.000 Schülerinnen und Schülern: Bereits männliche Fünftklässler überschätzen sich in Mathematik, obwohl das ihre Noten nicht hergeben. Und dieser Trend zieht sich bis zum Abitur hin!

Bei einer Untersuchung des Nationalen Bildungspanels (NEPS) sollten die befragten Kinder den Satz „Ich war schon immer gut in Mathe“ anhand einer Skala von 1 bis 4 („trifft gar nicht zu“ bis „trifft völlig zu“) bewerten. Selbst bei gleichem Notenstand bewerteten die Buben sich um einen halben Skalenpunkt besser als die Mädchen.

Der Untersuchungsleiter kommt zu dem fast schon kabarettistischen Schluss: Weil die männlichen Schüler in Deutsch schlechter seien, glauben sie, dafür mathematisch umso begabter zu sein!

https://magazin.sofatutor.com/eltern/maedchen-unterschaetzen-sich-in-mathe-bei-jungen-ist-es-umgekehrt/

Da wundert uns doch die männliche Vorherrschaft beim Tango nicht mehr! Wobei eine Vielzahl von Männern das Tanzen meidet – wobei sie meist erklären, nicht tanzen zu wollen. Und weniger, es nicht zu können.

„Die vertikale Frustration einer horizontalen Begierde“ nennt das ein männlicher Autor in einem Frauenmagazin. „Kerle, die das gern tun, sind so selten wie Einhörner mit zwei Hörnern (…) Etwas zu tun, das man nicht kann – Chemikalien mischen, Herz verpflanzen, tanzen – führt zu Katastrophen apokalyptischen Ausmaßes: Explosionen, Organversagen, Luftgitarre. Plötzlich ist man einer von denen, die im Moonwalk übers Parkett stolpern. Oder als Roboter. Bitte nicht, bitte.“

https://www.brigitte.de/barbara/unterwegs/darum-tanzen-maenner-nicht--die-ganze-wahrheit-11053324.html

Klar, auf der Tanzfläche kann man nicht wie im Beruf mit Referaten, Statistiken oder anderer Intelligenz-Mimikry beeindrucken. Da steht man ziemlich nackicht auf der Piste, und alle sehen, dass Mann es nicht kann. Was sucht man sich dann als Begründung, es lieber zu lassen? Im Diskussionsforum einer Partnerschafts-Seite schreibt ein Kommentator:

„Ich geh halt lieber Skifahren oder Bergsteigen, als in einer muffigen Halle zu langweiliger Musik möglichst roboterhaft eine Frau vor mir herzuschieben, die sich beharrlich weigert, geführt zu werden...“

https://community.elitepartner.de/forum/frage/warum-tanzen-maenner-eigentlich-nicht-gerne.18712/

Die Herren aber, die es dann doch mit dem Tango wagen, gehen natürlich entschlossen und methodisch ran: Kurse, Workshops und andere Lernprogramme en Masse, ebenso jede Menge Festival-Besuche – und dann ist man auch sehr schnell dabei, Tänzerinnen zu belehren. Schließlich führt der Mann. Und zwar möglichst eng. Irgendwie muss sich das Ganze ja rentieren!

Weiterhin ist man bestens in der Szene vernetzt und kennt die internationalen Tangostars persönlich. Und natürlich auch den sonstigen Katechismus inklusive der Aufstellungen erlaubter und empfohlener Musik nebst dem „Jägerlatino“. Da ist es nicht mehr weit zum Veranstalter oder zumindest DJ.

Wer legt bei den Milongas auf? Ich habe eine Liste von zirka 70 DJs / DJanes durchgesehen – und fand weniger als 10 Frauennamen!

https://tangodjsforgoodsound.info/

Und was Tangolehrern und Zikaden gemeinsam ist, beschrieb ich schon einmal: Beide haben stumme Weibchen.

Probieren Sie es einmal selber und geben Sie bei YouTube einen Begriff wie „Tango argentino Unterricht“ ein! In mindestens zwei Dritteln der meistgesehenen Videos spricht der Tangolehrer vorwiegend oder ausschließlich. Klar, schließlich stammt wohl auch das Kurskonzept von ihm!

Abschließend ein besonders schönes Beispiel: Der Instruktor redet eine knappe Viertelstunde am Stück durch – natürlich ohne Musik. Und damit sie ihm nicht dazwischenquatschen kann, hat er ihr vorsichtshalber kein Mikrofon gegeben!

https://www.youtube.com/watch?v=fiCbRMM4BxE

Auch hier gilt wohl ein Ausspruch von Margaret Thatcher:

„Falls sie etwas erklärt haben möchten, fragen sie einen Mann. Falls sie etwas erledigt haben möchten, fragen sie eine Frau.“

Kommentare

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