Verschieden hohe Einlagen

Die Münchner Tangoveranstalterin und DJane Theresa Faus (mir in heftiger Abneigung verbunden) veröffentlichte jüngst auf ihrer Facebook-Seite die Ankündigung einer Workshop-Reihe mit dem Tangopaar Céline Giordano und Alexis Quezada: 

„Ich freue mich auf Céline und Alexis, die im April nach München kommen. Ihr Tanz ist entspannt und raffiniert, verbunden und musikalisch. Und sie sind tolle Lehrer.“

Verlinkt war ein Video, in dem die beiden eine klassische Milonga interpretieren. Ich fand den Tanz, na ja, ganz nett. Halt ziemlich brav, fast ohne hohe Beinaktionen und sonstige Akrobatik. Ist ja in gewissen Kreisen verpönt. Aber immerhin rhythmisch schön gestaltet, mit ansprechender Harmonie im Paar. Und Céline Giordano tanzt in Sneakers, was ich schon mal gut finde.

Für das Ganze gab es bislang auf Facebook 48 lobende Symbole.

https://www.facebook.com/charlotte.hammer/videos/360507656182205

Meine treue Leserin Gerhild Magerl, gelernte Physiotherapeutin, drängte es zu einer fachlichen Expertise:

„Ihre Füße kippen nach innen. Sie läuft viel über die Innenkante. Da denke ich als Physio, sie bräuchte Einlagen oder Fußgymnastik. Und dann, mal hoch, mal halbhoch, mal platt. Elegant sieht das nicht aus! Das liegt aber nicht nur an den flachen Schuhen.

Tja. Sorry! Das gefällt mir nicht! Aber sie haben Spaß! Das ist die Hauptsache.“

Fand ich auch. Allerdings plagte mich sofort die Befürchtung: O je, Gotteslästerung im heiligen Tempel – wenn das mal gutgeht!

Ging es auch nicht. Eine sich auf Facebook als „Caro Lin“ bezeichnende Dame keilte zurück:

„Gerhild Magerl, ich denke, Du brauchst auch Einlagen – aber deutlich weiter oben.“

Mit anderen Worten: Die geehrte Kommentatorin habe einen an der Klatsche. Die Angegriffene antortete:

„Ich bin halt Fachfrau für Bewegungsstörungen und deren Therapie, Caro Lin. Sie kann damit laufen und tanzen, das freut mich! Caro Lin, davon verstehen Sie offensichtlich nichts. Schlechter Stil ist, zu beleidigen!“

Caro Lin: „Es ist immer gut, wenn man weiß, was man sagt. Aber man muss nicht immer alles sagen, was man weiß, oder zu wissen glaubt.

Was ist eigentlich die wirkliche Motivation für Ihren Beitrag? In diesem Zusammenhang ist er vollkommen unnötig und herablassend angesichts des tänzerischen Könnens. Insbesondere das joviale ‚Aber sie haben Spaß!’ ist hier nur beleidigend. Und Beleidigungen schätzen Sie ja selbst nicht.“

Gerhild Magerl: „Sie meinen, Spaß zu haben ist beleidigend? Das tänzerische Können habe ich gar nicht beurteilt. Das wäre zu vielschichtig. Nur die Ausführung der Bewegung. Und meinen persönlichen Geschmack habe ich bekundet. Und begründet. Mehr nicht!

Sie hingegen waren nur platt. Und wollen nun noch ein wenig weiterhacken. Dazu werde ich nicht mehr schreiben.“

Ich konnte dann meine Klappe auch nicht halten und schrieb:

Liebe Gerhild Magerl, ich hätte dir abgeraten, hier zu kommentieren. Aus Erfahrung weiß ich: Für abweichende Meinungen wird man abgestraft.“

Es gab dann noch einige Äußerungen. Ein Schreiber nannte Gerhilds Beitrag „abwertend“. „Caro Lins“ Spruch mit den Einlagen kritisierte keiner.

Quelle: https://www.facebook.com/theresa.faus (Post vom 2.2.23)

Auch nicht die Inhaberin der Seite. Ich erwarte dies nach meinen Erfahrungen auch nicht.

Ich habe solche Diskussionen oft erlebt. Dennoch ärgere ich mich jedes Mal erneut darüber: In gewissen Tangokreisen hat Kritik (oder wenigstens ein individueller Standpunkt) nichts zu suchen. Wenn der Guru (oder die Guruine) einen Beitrag zur Anbetung freigibt, hat man lediglich das Weihrauchfass zu schwenken. Ansonsten wird man sofort als Häretiker verbellt. Das hat wahrlich sektenartige Züge!

Ob Gerhild Magerl mit ihren Anmerkungen recht hat, kann ich nicht beurteilen. Ich arbeite in keinem Medizinberuf. Worauf sie allerdings einen Anspruch hat: Nicht in dieser unverschämten Weise persönlich angegriffen zu werden. Ersatzweise dann wenigstens, dass andere sie in Schutz nehmen.

Die Urheberin des Spruchs ist übrigens im Tango keine Unbekannte: Wie sich unschwer recherchieren lässt, handelt es sich wohl um Carolin Hölzl-Mönkeberg, ihres Zeichens Grafikdesignerin und Tangolehrerin im bekannten Münchner Tanzinstitut „Tango Maldito“.

https://www.tango-maldito.de/ueber_uns/team/

http://www.moca-design.com

Auch das wundert mich nicht.

Wer mag, darf das Ganze gerne als „Lappalie“ abtun. Ich finde es jedenfalls bemerkenswert, wenn jemandem wegen einer kritischen Anmerkung gleich mal attestiert wird, er (oder sie) benötige Einlagen oberhalb des Fußbereichs.

Und ich verspreche auch für die Zukunft: Damit schafft man es regelmäßig auf mein Blog. Was hiermit geschehen ist.

Eine gewisse Wirkung scheint das ja zu haben: Früher hätte eine Anmerkung von mir wie die obige sofort dazu geführt, dass die gesamte Faus-Gesellschaft sich mit Beschimpfungen auf mich gestürzt hätte. Von solchen Einlagen nimmt man inzwischen Abstand, da man weiß, sie würden auf meiner Seite zitiert.

Das ist schon mal ein Anfang

P.S. Das arme Lehrerpaar kann ja nichts für seine Fans. Daher hier noch ein schöne Tanz-Einlage der beiden: 

https://www.youtube.com/watch?v=ezjt0_QBfDA

Kommentare

  1. Hallo Herr Riedl, nach einiger Überlegung kann ich mit ihrer interpretation der Gotteslästerung nicht mitgehen. Mich persönlich stören Kommentare, wie der von Gehild Magerl aus vielerlei Gründen. Als erstes finde ich, dass er sich nicht mit dem Thema der Werbung für den Workshop befasst, etwas, was sie sonst durchaus gerne bei ihren Kommemtatoren kritisieren. Frau Faus spricht von tollen Lehrern, Rafinesse, Verbundenheit und Musikalität. Wäre das Video Anschauungsmaterial auf einem Kongress für Physiotherapeuten mit dem Thema Fussfehlstellungen im Tango, wäre die Diagnose vielleicht erwünscht.
    Zweitens tue ich mich sehr schwer damit, wenn Vertreter der Heilberrufe (bei anderen Berufen auch, aber hier besonders) ungefragt Diagnosen über Menschen in die Öffentlichkeit geben, die noch nichtmal ihre Patienten sind. Meiner Meinung nach ist das zutiefst übergriffig. Man stelle sich vor ein Psychotherapeut würde anhand eines dreiminütigen Videos eines Interviews eine Diagnose erstellen und mit der Öffentlichkeit teilen.
    Drittens finde ich, ich unterstelle Frau Magerl hat Recht, können Menschen mit besagter Problematik nicht trotzdem gute Lehrer sein sowie musikalisch und raffiniert tanzen? Tanaquil le clercq hat nach ihrer Kinderlähmung aus dem Rollstuhl Ballett unterrichtet. Hätte Ray Charles keine Musiker unterrichten dürfen, weil er keine Noten mehr lesen konnte oder Django Reinhardt, weil er mit seiner versehrten Hand eine eigene Grifftechnik entwickelt hat?
    Für mich ist der Kommentar einfach nur passiv aggressiv und der Nachsatz mit „immerhin haben sie Spaß“ setzt dem ganzen die Krone auf. Schade, daß Frau Caro Lin hier passive Aggressivität mit aktiver Aggressivität erwidert und gleich ordentlich zulangt, damit ist zwar die Bühne bereitet, aber jegliche Sachlichkeit den Bach herunter.
    Thomas Claussen

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    1. Lieber Thomas Claussen,

      ich fürchte, da wenden Sie sich überwiegend an den Falschen: Ich habe ausdrücklich geschrieben, dass ich den Beitrag von Gerhild Magerl fachlich nicht beurteilen kann. Das Thema sollten Sie besser mit der Autorin selbst besprechen.

      Für mich steht aber fest: Sie ist bei ihrer Kritik an den Tanzvideo weitgehend sachlich geblieben, was man von ihrer Opponentin nicht behaupten kann. Eine spezifische Diagnose kann ich nicht erkennen, eher der Eindruck einer Fachfrau beim Betrachten des Videos. Sie hat auch klargestellt, dass sie keine tänzerische Beurteilung geben wollte. Und schon gar nicht hat sie sich zur Lehrbefähigung des Paars geäußert.

      Magerls Beitrag mag mehr oder weniger geschickt formuliert sein – er rechtfertigt jedoch in keiner Weise den unverschämten persönlichen Angriff von Frau Mönkeberg. Darum ging es mir im Kern.

      Ihre Vergleiche mit behinderten Künstlern sind schon sehr weit hergeholt.

      Zu den Workshops des Paares konnte man gar nicht Stellung beziehen, weil darüber nichts gesagt wurde. Theresa Faus hat halt (neben einigen allgemeinen Lobsprüchen) zur Werbung ein Tanzvideo verlinkt. Und wer etwas veröffentlicht, muss mit Kritik leben, soweit diese nicht in unfairen persönlichen Angriffen besteht.

      Und nebenbei: Ich halte es für ein wichtiges Kriterium einer Tanzshow, dass man den Vorführenden Spaß an der Sache anmerkt – gerade bei einer Milonga. Eine „passive Aggressivität“ kann ich darin nicht erkennen.

      Mit besten Grüßen
      Gerhard Riedl

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  2. Nun hat sich doch auch die "Chefin" geäußert. Theresa Faus schreibt:

    "Jenseits der derben Debatte über Célines Füße, zu der ich mangels Fachkenntnissen nichts sagen kann und will, möchte ich eine tanztechnische Anmerkung dazu machen. Wenn Céline die Füße "mal hoch mal halbhoch mal platt" (und alles dazwischen und mit kontrollierten Übergängen) hat, dann ist das absolut beabsichtigt und zweckmäßig, nämlich gemäß der jeweiligen dynamischen Funktion des Schrittes. Flach am Boden hat sie (oder bringt sie allmählich) die Füße, wenn es gilt, Energie für den nächsten Schritt zu haben, halbhoch hat sie die Füße bei Pivots und hoch bei kleinen schnellen nicht vollständigen Belastungswechseln.
    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass eine derartige Beherrschung der Fußpositionen in flachen Schuhen ein ziemliches Training erfordert."

    Wie zu erwarten war, äußert sie kein Wort der Kritik zum persönlichen Angriff auf ihrer Facebook-Seite. Klar - man will ja seine Fans nicht vergraulen...

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