„Hach-Prosa“ vom CEO

 

Der Autor Dimitris Bronowski veröffentlicht öfters Auszüge seines Buches „Tangofulness“ auf diversen Tangoseiten. Gestern war die Facebook-Gruppe „Tango München“ dran. Innerhalb von 10 Stunden setzte es 75 Likes, Herzchen und Umarmungen – vorwiegend von weiblicher Seite.

Der Insider ahnt bereits an dieser Stelle satirischen Handlungsbedarf!

Hier der Text – zur besseren Lesbarkeit habe ich den Bandwurm-Beitrag in Absätze unterteilt:

„Ich habe vor sechs Jahren nach einer Scheidung angefangen zu tanzen. Leute, die nicht wissen, worum es beim Tango geht, sagen Dinge wie ‚Frauen gehen zum Tango, um einen neuen Partner zu finden.‘ Nein, tut mir leid, das ist es nicht. Wir gehen zum Tango, um uns selbst zu finden.

Nachdem wir jahrelang das waren, was andere von uns erwartet hatten, tanzen wir, um unserem Herzschlag zu folgen. Um unseren eigenen Geruch zu entdecken, unseren Ängsten und Unsicherheiten zu begegnen und sie zu besiegen. Wir tanzen Tango, um trotz Kritik und Verurteilung das zu sein, was wir wollen. Wir tanzen Tango, um erwachsen zu werden, in einer Welt ewiger Teenager, die nur darum kämpfen, akzeptiert zu werden.

Ich musste mein ganzes Leben lang auf so viele Arten für mich und so viele andere verantwortlich sein. Extrem verantwortlich. Wenn ich tanze, gebe ich mich hin, höre zu, bin folgsam, und in diesen drei Entscheidungen bin ich in der Lage, mich freiwillig von jemand anderem tragen zu lassen. Ähnlich wie eine Flüssigkeit um mein Gegenüber herum zu fließen, wie die Luft, die sich um ihn herumbewegt, und nur für diesen Moment die Kontrolle abgeben und frei sein, der Fürsorge eines anderen vertrauen.

Ich werde im Grunde auf unsichtbare Weise ein Teil der Absicht einer anderen Person. Es gibt Tandas, an die ich mich erinnern kann, die ich vor Jahren getanzt habe, die mein Herz für immer geprägt haben. Ein Tattoo auf meiner Seele, von dem nur der Führende und ich wissen. Deshalb kehre ich zurück, um mich hinzugeben.“

Quelle: https://www.facebook.com/groups/tangomuenchen (Post vom 5.1.23)

Nachdem wir uns vor Ergriffenheit ins rosa Spitzentaschentüchlein geschnäuzt haben, sollten wir das Opus einmal durchbuchstabieren:

Auf Nachfrage erklärte der Autor, es handle sich um eine Botschaft, welche er von einer Frau erhalten habe. Dennoch liegt es natürlich in seiner Verantwortung, sowas abzudrucken.

Die Dame hat sich also scheiden lassen – offenbar, nachdem der Göttergatte ihr lange Zeit die Verantwortung für zu vieles (wir ahnen: vor allem Kinder, Küche und Haushalt) aufgehalst hatte. Verständlich, dass sie auch beim Tango nicht gleich wieder nach einem Macker fahndet – obwohl es nach meinen Erfahrungen etliche Tänzerinnen in der Situation durchaus (meist glücklicherweise erfolglos) unternehmen.

Stattdessen, wir haben es befürchtet, geht die Dame zum Tango, um sich „selber zu finden“. Ob sie dort jemanden antraf, bleibt offen. Auf jeden Fall möchte sie „erwachsen werden“ – ein löblicher Vorsatz!

Zu dem Behufe möchte sie sich nun „freiwillig von jemand anderem tragen lassen“, indem sie beabsichtigt, „wie eine Flüssigkeit um mein Gegenüber herum zu fließen, wie die Luft, die sich um ihn herumbewegt.“ Kompliment – auf eine derart säuselnde Metapher muss man erstmal kommen!

Wenn ich tanze, gebe ich mich hin, höre zu, bin folgsam“ – sie will „die Kontrolle abgeben und frei sein, der Fürsorge eines anderen vertrauen.“

Ja, Hölle und Verdammnis – kapiert sie eigentlich nicht, dass sie sich damit in genau die Abhängigkeiten manövriert, die schon ihre vormalige Ehe ruiniert haben? Klar, sie versucht es jetzt lediglich im Tango, aber so etwas prägt doch auch fürs restliche Leben!

Die Männer werden es gerne zur Kenntnis nehmen: Sie „kehrt zurück, um sich hinzugeben“. Im Tango nennt man das „artgerechte Haltung“.

„Tangofulness“ (also in etwa „Tangofülle“) nennt der Autor sein Werk mit dem Untertitel „Verbundenheit, Bewusstsein und Bedeutung im Tango entdecken“. Über seine Definition der neuen Wortschöpfung habe ich längere Zeit erfolglos nachgedacht:

„Tangofulness ist der Zustand der vollständigen Verkörperung mehrerer Bedeutungsebenen während eines Tangomoments“ (S. 4)

https://amzn.to/3z0pepl

Wie wir in dem Amazon-Link erfahren, machte Dimitris Bronowski 2009 seine ersten Tangoschritte. 2019 gab er seine Stelle als CEO (Chief Executive Officer) des „größten Marketing-Trainingsunternehmens für Experten in Europa“ auf, um sich professionell dem Tango zu widmen. Er verfasste mehrere Bücher – sein obiges bewirbt er mit dem Slogan: „Das am häufigsten übersetze Tangobuch der Welt“. Kein Zweifel, der Mann versteht sein Geschäft!

Wahrscheinlich bin ich aber nicht der geeignete Leser:

„Für einige ist Tango nur eine soziale Aktivität. Keine tiefere Bedeutung, keine Entwicklung. Nur ein paar Schritte, gemischt und recycelt. Dieses Buch ist nicht für jene gedacht. 

Dieses Buch ist für diejenigen, die im Tango nach Bedeutung, Verbundenheit und Bewusstsein suchen; mit einem Wort: Tangofulness. Es ist für die, die wissen, wie es ist, umarmt zu werden und sich sicher zu fühlen; für die, die ein paar Die-beste-Tanda-meines-Lebens-Momente erlebt haben und mehr davon wollen. Vor allem für die, die den Ursprung einer bedeutungsvollen Verbindung im Tango erforschen möchten, nicht als intellektuellen Prozess, sondern als praktischen Weg, Tangofulness häufiger und intensiver zu erleben.“ 

Sicherlich kann Tango mehr sein als Schritte, Figuren und soziales Miteinander. Andererseits wehre ich mich entschieden dagegen, unseren Tanz per Bedeutungs-Mimikry in gnadenlosem Schwurbel ersaufen zu lassen. Tango ist nicht das Patent-Fleckenwasser fürs angeschmutzte Leben.

Es gibt immer wieder Versuche, Tango als Therapie zu verkaufen. Gerade Frauen sind empfänglich für solche „Hach-Prosa“. Damit kann man – in unserer Szene eher ein Ausnahmefall – ordentlich Geld verdienen. Dies sei den Geschäftsleuten durchaus gegönnt – nur:

Tango kann ein wunderbarer Tanz zu einer tollen Musik sein, eine erfüllende Freizeitbeschäftigung. Nicht weniger, aber keinesfalls mehr. Ich empfehle daher weiterhin, Milongas nicht zu besuchen, weil’s einem schlecht geht. Sondern, weil man gut drauf ist und dieses Gefühl mit anderen teilen will. Und das Weihrauchschwenken anderen Religionsgemeinschaften zu überlassen!

Doch lassen wir fairerweise noch den Autor zu Wort kommen – leider nur in Englisch:

https://www.youtube.com/watch?v=wwsI1XHhbdg

Kommentare

  1. Nur, dass es nicht wieder heißt, niemand würde kommentieren: In unserer Facebook-Gruppe gibt es eine Reihe von sehr interessanten Anmerkungen zu meinem Artikel! https://www.facebook.com/groups/1820221924868470

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  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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    1. Sorry, ohne vollständige Namensnennung keine Veröffentlichung!

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  3. Wow! Soooo viele Kommentare - die man nicht lesen kann. Der sonst aus privaten FB-Gruppen kopierfreudige Gerhard Riedl hüllt sich in Schweigen. Wird schon seine Gründe haben...
    Schade, dass es nichts zu gaffen gibt :-)
    Meint,
    Ihr Hermann Lainer

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    1. Na, seien Sie doch froh, wenn ich Ihnen wenigstens gelegentlich den Einblick in private Gruppen ermögliche!
      In der besagten FB-Präsenz können jedenfalls 660 Mitglieder die Kommentare lesen. Aber nicht, dass Sie jetzt auf die Idee kommen, sich dort anzumelden - Stänkerer haben leider keinen Zutritt!

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    2. vielen Dank für die Beschimpfung. Und keine Sorge, ich bin nicht bei Facebook.

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    3. Seltsam, dass Sie dann private FB-Gruppen interessieren...
      Ansonsten: Was erwarten Sie eigentlich als Reaktion darauf, dass Sie hier ständig nur versuchen, mein Blog schlecht zu machen? Und zwar, ohne auf Inhalte der Artikel einzugehen! Da ist der von mir verwendete Begriff das Zurückhaltendste, was mir dazu einfiel.

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    4. Da bin ich aber froh, dass Sie sich so zurückgehalten haben! Sie dürfen halt die Menschen beschimpfen - Sie sind halt etwas Besseres ....

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    5. Ich halte mich weder für besser noch schlechter als andere - aber das müssen meine Leser beurteilen.
      Sie meinen mit "die Menschen" nur sich selber, oder? Ansonsten bitte ich um ein Zitat, wo ich im obigen Artikel "die Menschen beschimpft", also mit groben Worten beleidigt hätte.
      Ich greife Sie doch nicht an - im Gegenteil tauchen Sie hier immer wieder auf und verbreiten irreführende und abfällige Behauptungen über mein Blog. "Stänkern" ist hier eine absolut zutreffende Tatsachen-Beschreibung. Sie sprechen von Kommentaren, die "man nicht lesen kann". Doch: An die 3 Milliarden Facebook-Nutzer haben diese Möglichkeit.
      So, und nun zum Thema, nämlich meinem obigen Artikel: Entweder Sie kommentieren diesen inhaltlich oder Sie landen halt wieder mal im Spam-Filter, kapito?

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    6. Sie lügen: nur Mitglieder der Gruppe können die Kommentare lesen. Schön langsam sollten Sie wissen, dass ich mich im Internet auskenne.

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    7. Leider nicht in der deutschen Sprache: Ich habe nicht behauptet, dass es drei Milliarden FB-Nutzer lesen können, sondern die Möglichkeit dazu haben - indem sie sich in unserer Gruppe anmelden. Und diese Anmeldungen haben wir in 99 Prozent aller Fälle akzeptiert. Richtig: Ihre würden wir ablehnen. Aber glücklicherweise sind Sie da eine Ausnahme.

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