„Das Riedl“

Mit der Münchner Tangoszene (jedenfalls der digitalen) habe ich in den Jahren so manchen Strauß ausgefochten. Unter dem Label „Münchner Tango“ finden sich auf meinem Blog inzwischen 31 Beiträge:

https://milongafuehrer.blogspot.com/search/label/M%C3%BCnchner%20Tango

Der standardmäßige Ablauf: Irgendwer postet in der Facebook-Gruppe „Tango München“ einen Beitrag, der auf große Zustimmung, aber auch heftige Ablehnung stößt. Alsbald mischen sich bekannte „Alpha-Tiere“ der Szene ein, was die Sache endgültig auf Touren bringt. Schließlich setzt es persönliche Angriffe vom Feinsten.

Das war dann stets der Moment, an dem für mich die nötige satirische Fallhöhe erreicht war: Hauereien im Reiche der „Achtsamen“. Ich schilderte in einem Artikel den Hergang, fügte diverse Zitate bei und tat abschließend meine persönliche Sichtweise kund.

Anschließend vergaß die ans Licht gezogene Meute ihren Zwist und rottete sich vereint gegen mich zusammen. Wie kann ein Autor nur so beleidigend schreiben!

Eine besondere Ausnahme bildete ein Text, den der Münchner Journalist und Tangofotograf Joachim Beck verfasste, als er vor vier Jahren im Stil von „Brehms Tierleben“ meine Person beschrieb:

„Es ist ein hungriges, gefräßiges Tier. Es lauert im Norden Münchens auf Beute. Es beobachtet, es ist geduldig, es hat Zeit und es ist unerbittlich! Es ist ein Riedl! Sei auf der hut, tanguero - begehst du nur einen kleinen Fehler, so packt es Dich – das Riedl. Zum Glück ist ein Biss des Riedls völlig unschädlich.

Früher lebte das Riedl störend aber relativ ungestört auf Münchner Milongas, leicht zu identifizieren an veitstanz-ähnlichen Hüpfschritten, abrupten Richtungswechseln, unmotivierten Quertraversen. Belächelt aber wohlgelitten überlebte das Riedl lange Jahre in seiner selbstgewählten Nische.

Was das Riedl schließlich aus seinem angestammten Habitat vertrieben hat, ist in der Tango-Forschung letzgültig nicht geklärt worden. Es gilt jedoch als sicher, dass das seltene Tierchen in München ausgestorben ist. Das Riedl lebt nun im Metropol-Dreieck Maushof, Deimhausen, Puch, insidern bekannt als tri-be-frei – triangle below Freinhausen.

Das Riedl ernährt sich dort hauptsächlich von Facebook-Nachrichten aus der Münchner Tango-Szene. Fachleute sind verblüfft, welch geringe Menge an Energie nötig ist, um das Riedl am Leben zu erhalten. Einmal genährt scheidet das Riedl große Mengen an Textzeilen aus. Das Riedl ironisiert, bis es schließlich einen Sarkasmus bekommt und verstummt.

Es überlebt dann in einer Art Winterstarre, bis der nächste Münchner Tangofreak irgendeinen komischen Scheiß postet.“

Einerseite traf den Autor eine dicke Packung Lob:

„Lieber Joachim, wie wunderbar!!!“

„DUUUU BIST SOOOO GENIAL JOACHIM...... Respekt... ich liebe Deine Ironie. Haarscharf mit Würze... sehr gut, herzlichen Dank.“

„Beste Satire....das Problem ist, Riedl kann nicht gut einstecken. Die beste Beschreibung von GR seit Jahren.“

Die Administratorin der Seite bekam nun kalte Füße:

„Joachim, kannst du deine Meinung auf deiner eigenen Site veröffentlichen, Tangomünchen soll dafür nicht die Plattform bieten! Das haben wir doch mehrfach diskutiert hier! LEUTE was ist denn heute los? (…) Es ist nicht im Sinne, diese Seite dazu zu nutzen, um sich mit Gerhard ein Duell zu liefern. (…) Der Sinn dieser Seite ist es, Leuten in München und besonders Auswärtigen zu zeigen, was unsere Szene alles Schönes zu bieten hat. Warum es sich lohnt, bei uns zu den Milongas zu kommen!“

Klar, „Tango München“ ist inzwischen als reine Werbeseite für Tango-Anbieter gedacht – offiziell fungiert ja „Tango Maldito“ als Betreiber. Da stören Satiren oder gar kontroverse Debatten. Auswärtige sollen keinen schlechten Eindruck erhalten. So schreibt eine Kommentatorin:

„Ich kann nur noch den Kopf schütteln, wie manche von euch drauf sind. Da ist sicher jede/r Auswärtige, der vorhat, München auch tangomäßig zu besuchen, hellauf begeistert von dieser offenen und toleranten Szene.“

Diese „Zensur“ stieß jedoch Joachim Beck sauer auf – und man kann ihm eine Schwäche für zartfühlende Äußerungen nicht nachsagen:

„Du hast nicht recht, DAS hier ist die Seite für den interessanten Austausch der Münchner Tango-Szene. und wenn du aufhörst, das zu unterbinden, dann kann es hier richtig lustig werden. (…) In diesem Chat geht es um Riedl, der gegen alles aus der Münchner Tangoszene anstinkt. aber mit Gerhard Riedl willst du dich wohl nicht anlegen ;-? (…) ‚das Riedl‘ hat in so vielen Punkten recht mit seinen Posts – sollen das die Auswärtigen nicht mitbekommen?“

Manche waren der Auffassung, man solle die Sache nicht zu weit treiben:

„Je mehr wir hier schreiben, um sehr mehr freut sich das Riedl!!“

„Persönlicher Zwist gehört auf den eigenen Account. Btw, ein wahnsinnig dummer Sermon.“

„Zur Grundfrage: (…) ist Administratorin und hat also das Recht, zu sagen, zu was ihre Seite dienen soll. Wenn sie keine bösen Kommentare möchte, dann poste solche halt woanders oder pflege selbst eine Seite, auf der dann solche Schlagabtausche stattfinden können.“

Komplett war dann die Verwirrung, als ich eine kurze Stellungnahme abgab:

„Also, falls ich auch mal was sagen darf: Für einen, der nicht täglich Satiren schreibt (jedenfalls keine bewussten), eine respektable Leistung - nichts dagegen!“

Ehrlich, ich schreibe so viele Satiren und habe auch Joachim Beck einige Male bedacht:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2020/04/they-never-come-beck.html

https://milongafuehrer.blogspot.com/2020/09/der-beck-als-gartner.html

https://milongafuehrer.blogspot.com/2021/08/munchen-muss-abstriche-machen.html

Was soll ich also dagegen haben, wenn einer mal eine (sogar halbwegs gelungene) Satire über meine Person verfasst?

An den Kern des Übels rührte ein anderer Kommentator:

„‚Der Riedl‘ produziert Texte mit Inhalt und Stil (was man davon hält, soll jeder selbst entscheiden). Joachim hat einen solchen geschrieben, alles andere ist Sozialgelaber außenrum ohne jeden Inhalt. Seid produktiv, kreativ, inhaltlich, satirisch, hinterlasst eigene Spuren, anstatt andere zu kommentieren.“

Das wäre tatsächlich zu wünschen!

Quelle: https://www.facebook.com/groups/tangomuenchen/permalink/10156025184971186/

In der Retrospektive betrachtet ist die Hilflosigkeit, sich auch einem heiklen Thema zu stellen, sehr deutlich. Viel mehr als undifferenzierter Jubel oder der Ruf nach Verboten ist offenbar nicht drin. Nach knapp 100 Kommentaren fiel der Administratorin nur ein, weitere Wortmeldungen zu sperren.

Im Internet und speziell bei Tangothemen stelle ich immer wieder fest: Es mangelt an für Diskussionen entscheidenden Kompetenzen. Es fällt offenbar sehr schwer, Sinn und Zusammenhang von Texten zu ergründen, zwischen Personen und Inhalt, Satire und unfairen Angriffen zu unterscheiden.

Das bedeutet nicht, dass die Mehrheit unter solchen Mängeln leidet. Aber diese Kreise beteiligen sich eher selten – weil sie wissen, wozu es führt.

Ich habe damals einen Artikel nachgeschoben, in dem ich über unsere „alten Münchner Tangozeiten“ berichtete – und damit über viele tolle persönliche Begegnungen und Erfahrungen:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2019/01/meine-alten-munchner-tangozeiten.html

Kommentare

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