FAQ II

 

Unter diesem Titel („Frequently Asked Questions“) habe ich vor fast sechs Jahren zu immer wiederkehrenden Argumenten gegen meine Texte Stellung genommen.

https://milongafuehrer.blogspot.com/2016/06/faq.html

Manche dieser Behauptungen (zum Beispiel zur „Tanzbarkeit“ oder Statthaftigkeit von Zitaten) habe ich nun schon länger kaum noch gelesen, was ich als bescheidenen Erfolg sehe. Und man engagiert zunehmend moderne Orchester auf den Milongas. Bei anderen Themen ist man sturer.  

Mit heftigen Vorwürfen ist mein Blog immer noch gesegnet. Daher hier einige Antworten auf Original-Kommentare zu meinen Artikeln:  

Irgendwann müssen auch SIE lernen, dass der Tange viele Gesichter hat und nicht jede(r) nach Ihrer Pfeife tanzt.

Ich werbe seit Jahren dafür, dass der Tango viele Gesichter haben darf und sollte. Nach meiner Pfeife muss daher niemand tanzen. Ich bin auch dagegen, dass man im Tango etwas lernen MUSS – weder ich noch andere.

Reißen Sie bitte nicht Zitate von mir aus dem Zusammenhang!

Viele der verwendeten Zitate stammen aus Facebook-Diskussionen mit hundert und mehr Kommentaren. Mit einleitenden Sätzen versuche ich meist, den Trend solcher Debatten zu beschreiben. Mehr kann ich wirklich nicht tun, ohne aus meinen Artikeln halbe Bücher zu machen. Es steht aber jedem Zitierten frei, per Kommentar das wiederzugeben, was er für den Zusammenhang hält. Und jedem Leser, in den angegebenen Quellen nachzuschauen.

Wenn Sie Ihre Provokationen nur auf die Öffentlichkeit loslassen, um hohe Leserzahlen zu produzieren – also der Inhalt sowieso egal ist – oder weil viele Leser sich ihre tägliche Dosis Adrenalin durch das Lesen Ihrer Tangoartikel zu Gemüte führen möchten, dann bilden Sie sich bloß nicht ein, es geschähe durch Zustimmung.

Was meine Leserinnen und Leser sich aus meinen Texten holen, überlasse ich ihnen – Informationen, Unterhaltung oder gar einen Adrenalinschock. Dass meine Ansichten auf ungeteilte Zustimmung stoßen, habe ich nie erwartet. Im Gegenteil: Das wäre für einen Satiriker uninteressant. Ein gewisses Maß an Provokation gehört zu diesem Genre.

Hohe Leserzahlen waren nie das vorrangige Ziel. Was ich schreibe, muss in erster Linie mir gefallen. Bei meinem Tangoblog habe ich das Glück, dass die Artikel auch auf großes Interesse anderer stoßen. Bei den beiden weiteren Blogs ist das viel weniger der Fall. Dennoch schreibe ich dort ebenfalls zu Themen, die mich beschäftigen – auch wenn es dann nur wenige Lesende gibt.

Der Inhalt der Texte ist mir nie egal. Oft recherchiere ich für einen 1000 Wörter-Beitrag eine zweistellige Stundenzahl lang. Daher gibt es viele Artikel, in denen die Sachinformationen weitestgehend dominieren. Die werden weniger gelesen und kaum kommentiert. Dennoch werde ich dieses Format nicht aufgeben. Wenn ich aber mal einen hinreißenden Blödsinn entdecke, juckt mich eine satirische Bearbeitung in den Fingern. Dann ist plötzlich das Geschrei groß. Wenn es mir nur um den Erfolg ginge, würde ich ausschließlich solches Zeug schreiben. Tue ich aber nicht.

Sie hadern mit den Regeln im Tango, mit der Art, wie der Tango in vielen Milongas getanzt wird, mit der Musik, die gespielt wird. Sie verweigern das alles, weil Sie es nicht können. Kurzum: Sie hadern mit der Tango-Realität und mit sich selbst!

Ich tanze nun seit etwa 55 Jahren – mit Verlaub: Das bisschen reduzierte Herumgeschleiche zu überschaubarer Musik kriege ich grade noch hin – es langweilt mich nur zu Tode. Es gibt eine ganze Menge Regeln im Tango, nach denen ich mich gerne richte – beispielsweise ein höfliches, rücksichtsvolles Verhalten, die Vermeidung jeglichen Dominanzgebarens oder das Ziel, jede Tanzpartnerin so gut wie möglich aussehen zu lassen. Es gibt aber eine Überreglementierung, die ich für schädlich halte – nicht nur im Tango.

Zur Tango-Realität gehören auch eine Reihe von Milongas, die mir sehr gefallen. Ich habe sie in zahlreichen Beiträgen beschrieben. Andere kriegen einen Schuss Satire ab. Aber auch da hadere ich nicht – es macht mir Spaß! Und mit mir hadere ich schon gar nicht Schreiben ist meine Passion, der ich ungehindert frönen darf.

Nach jahrelangem Hin-und Her über Ihre Proklamation, dass Piazzollas Musik allgemein als publikumstaugliche Milonga-Tanzmusik tauglich sei, gelingt es Ihnen immer noch nicht, zwischen persönlichen Musikvorlieben und dem Konsens für gut tanzbare Musikstücke für eine Allgemeinheit zu unterscheiden. (…) Es geht nicht darum, ob Piazzolla „tanzbar“ ist (jede Musik ist irgendwie tanzbar), sondern darum, ob er auf normalen Tanzpisten mengentauglich ist, wenn man nicht wie ein Irrwisch auf der Tanzfläche kreuz und quer tanzen möchte oder auch nur ein einigermaßen intaktes, sensibles Gefühl für musikalische Interpretation besitzt.

Man muss zu Piazzollas Musik nicht wie ein Irrwisch über die Fläche toben. Das erlebte ich auch immer wieder auf dem heimischen Parkett, wo auf 20 Quadratmetern Fläche schon sechs oder sieben Paare zu Piazzolla-Titeln getanzt haben. Wer’s nicht glaubt, darf gerne mal mitmachen!

Was ich beschreibe, sind stets meine persönlichen Musik-Vorlieben. Dass andere einen abweichenden Geschmack haben, konzediere ich gerne. Daher plädiere ich für Musikprogramme, die jedem etwas bieten. Ich habe schon Zehntausende von Stunden zu traditioneller Musik getanzt – da erwarte ich von der Gegenseite, dass man sich nicht so anstellt, wenn zwischendurch mal moderne Stücke aufgelegt werden. Man nennt das Toleranz.

Noch ein Satz zu Ihrem Kreuz-und-quer-tanzen, das ja nach Ihrer Meinung auch rücksichtsvoll möglich sein soll: Wenn man in Gegenrichtung in eine Einbahnstraße gefahren ist und frohlockt, dass nichts passiert ist, dann wohl deshalb, weil man nicht bemerkt hat, dass alle anderen ausgewichen sind.

Diese bescheuerten Vergleiche mit dem Straßenverkehr sind nicht auszurotten. Ich sag mal so: Wenn der Staat ähnliche Gefahren gesehen hätte, gäbe es neben der Straßenverkehrsordnung auch ein Tangoverkehrsgesetz. In Wahrheit findet der Verkehr beim Tango eher nach den Milongas statt.

Dass Sie gern über ältere Menschen herziehen, die ein Hobby anders betreiben, als Sie es gerne hätten. Deshalb der persönliche Angriff. Denn Sie greifen diese Leute und wie sie tanzen ja auch an. Sie wundern sich immer, dass die Antworten persönlich werden, aber Sie gehen doch mit Ihren Angriffen voran. Aggressiv sind immer nur die anderen? Nein, auch Sie!

Ich bin inzwischen 71 und habe großes Verständnis für meine Altersgenossen, wenn sie – wie ich – auf Artistik verzichten. Wer aber langweilig tanzen möchte, darf das ebenfalls gerne tun. Er muss halt damit rechnen, dass es mir nicht gefällt, und ich das auch öffentlich sage – sofern er (oder sie) die eigenen Tänze publiziert. Nach Möglichkeit vermeide ich aber, Namen zu nennen. Gesichter sind allerdings auf den Videos zu sehen, die kann ich nicht verpixeln. Ich sehe aber einen großen Unterschied zwischen einer – auch satirischen – Kritik und persönlichen Aggressionen.

Man kann jedoch auch in hohem Alter temperamentvoll und kreativ tanzen:

https://www.youtube.com/watch?v=krlwzuCQvM4

Sie sind Argumenten sowieso nicht zugänglich, das weiß mittlerweile jeder. Rechthaberisch, wie Sie sind, versandet doch sowieso jede Kommentardiskussion mit Ihnen in einem Wust von Verdrehungen und Spitzfindigkeiten, nur um Recht zu behalten.

Na, dann bin ich doch froh, dass meine werten Gegner so flexibel und selbstkritisch sind… Im Ernst: Die über 3000 Kommentare auf meinem Blog bezeugen, dass ich mich gerne auf (möglichst sachliche) Debatten einlasse. Allerdings sind meine Überzeugungen das Produkt jahrelanger Beschäftigung mit Tangofragen. Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich diese Einstellungen grundsätzlich nicht aufgebe – auch wenn andere das anders sehen!

Meine Kritik gegen Herrn Riedl richtet sich eigentlich gar nicht gegen ihn persönlich, sondern gegen seine Anhänger, die seine sicherlich satirische und manchmal realistische Sicht auf manche Unarten der Tangogemeinde mit Fachwissen auf allen Gebieten verwechseln oder sie ihm deshalb zumindest zutrauen. Denn schreibt ein Autor über ein Thema, setzt man doch zumindest eine gewisse Kenntnis voraus und stellt sie nicht so schnell in Frage.

Ich glaube, meine Leserinnen und Leser haben nicht ganz unrecht, mir eine gewisse Sachkompetenz zu unterstellen: Ich beschäftige mich seit 23 Jahren mit dem Tango, habe darüber ein Buch geschrieben, das nun in 3. Auflage vorliegt, in dieser Zeit sicherlich 4000 Milongas an knapp 300 verschiedenen Orten besucht und war mit weit über tausend verschiedenen Tanzpartnerinnen auf dem Parkett. Ich habe Milongas veranstaltet und aufgelegt. Für mein Blog verfasste ich an die 1300 Beiträge. Allerdings fehlt mir ein Besuch in Buenos Aires. Das erledigt mich wohl...

"Nicht die mangelnde Erfahrung und die fehlende Kenntnis selbst wird Ihnen vorgeworfen, sondern, dass Sie daraus oft Fehlschlüsse ziehen und diese hier öffentlich als Fakten darstellen und oft trotz Widerlegung nicht korrigieren."

Wenn ich Fakten darstelle, sind die gut recherchiert und mit Quellen belegt. Ansonsten betone ich immer wieder, dass meine Ansichten subjektiv sind. In einem Artikel von 2014 habe ich mal über 40 Zitate aus meinem Tangobuch zusammengestellt, welche dies unterstreichen. Wer nachlesen möchte:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2014/09/nie-sollst-du-mich-zitieren.html

Abschließend kann ich nur wiederholen, was ich zu meinem „FAQs“ vor knapp sechs Jahren geschrieben habe:

„Selbstverständlich sind weitere Vorschläge für FAQs – oder Diskussionen zu den hier angesprochenen – gerne gesehen. Bekanntlich glaube ich nicht daran, dass meine Ansichten auf Gesetzestafeln direkt aus dem Tango-Elysium heruntergereicht wurden die der anderen Seite aber auch nicht!

Kommentare

  1. Ich würde schon sagen, dass Du mit dem Tango haderst. Genauer, Du suchst pausenlos nach Indizien zu "Tätern", die nicht (noch einmal) davon kommen dürfen.

    Hey, ich besuche in Kürze eine Tangoveranstaltung, in deren Anmeldemaske neben Geschlechterparität, Sitzordnung, Ronda und Cabeceo auch nach der Lieblingsmilonga gefragt wird ... in Buenos Aires! Sind diese Indizien von Belang? Ich behaupte nein, denke das wird ein angenehmes Wochenende mit guten Tänzern und guter Verpflegung, sonst würde ich mir den Aufwand ja sparen.

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    1. Letzteres ist nicht zwingend. Der Deutsche verwechselt gerne Freizeitbeschäftigung mit Erholung.

      Natürlich hoffe ich dennoch, dass Deine Anmeldung akzeptiert wird. Glücklicherweise wurde nicht nach der Tango-Lieblingslektüre gefragt. Sollte das noch geschehen, rate ich dringend davon ab, mein Blog zu erwähnen!

      Ansonsten wäre ich vorsichtig mit Oberbegriffen: Ich hadere nicht mit "dem Tango", sondern lediglich mit solchen Tangos.

      Was die Täter anbetrifft, wäre ich im Gegenteil froh, wenn diese davonkämen. Leider tauchen sie immer wieder auf meinem Blog auf.

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    2. Kein Problem, "Der Deutsche" wird dort in der Minderheit sein. Die Organisatoren von Tangoveranstaltungen sind in Mehrheit kommunikativ und sozial kompetent - wenn sie zu autoritärem Gehabe neigen, geht so ein Event zügig den Bach runter.

      Aber interessant, ich hatte den Eindruck, dass Du Deine ehemaligen Kontrahenten vermisst und mit aller Kraft wiederbeleben möchtest. Wie schätzt Deine Frau das ein?

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    3. Na, ich hoffe nicht, dass meine Kontrahenten schon tot sind und ich sie wiederbeleben müsste.

      Wenn man die einschlägigen Artikel von mir verfolgt, sollte schon klar werden, dass sie stets Reaktionen auf Angriffe solcher Leute sind. Die melden sich also bei mir und nicht umgekehrt.

      Ansonsten verfolge ich natürlich die Tango-Veröffentlichungen im Netz und bespreche sie, wenn es mich reizt. Das machen aber wohl viele Blogger so. Wir schreiben ja nicht im luftleeren Raum.

      Apropos: Was sagt denn Deine Partnerin zu den Tango-Reisen?

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    4. Dazu hat Tucholsky schon das Nötige gesagt:

      Die arme Frau

      Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?
      Du lieber Gott, da seid mir still!
      Ein Don Juan? Ein braver, schlichter
      Bourgeois – wie Gott ihn haben will.

      Da steht in seinen schmalen Büchern,
      wieviele Frauen er geküßt;
      von seidenen Haaren, seidenen Tüchern,
      Begehren, Kitzel, Brunst, Gelüst . . .

      Liebwerte Schwestern, laßt die Briefe,
      den anonymen Veilchenstrauß!
      Es könnt ihn stören, wenn er schliefe.
      Denn meist ruht sich der Dicke aus.

      Und faul und fett und so gefräßig
      ist er und immer indigniert.
      Und dabei gluckert er unmäßig
      vom Rotwein, den er temperiert.

      Ich sah euch wilder und erpichter
      von Tag zu Tag – ach! laßt das sein!
      Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?
      In Büchern: ja.
      Im Leben: nein.

      https://www.aphorismen.de/gedicht/126350

      Karin Law Robinson-Riedl

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    5. Meine Lebenspartnerin weiß gefühlvolle Tanzpartner durchaus zu schätzen. Wir probieren es jetzt mal mit einer Zweiteilung:

      Den einen Event kenne ich, da haben wir uns zusammen angemeldet, ein ruhiges Hotel am Park, schön essen, bummeln, tanzen. Ich sag es mal so, da tauschen erfahrene Tänzerinnen ihre erfahrenen Tanzpartner. Nicht jeder tanzt großartig, aber im Mittel ist es schon recht gut.

      Den anderen Event kenne ich noch nicht, habe mich dort alleine angemeldet, kurzfristig, formlos, problemlos. Tanzen, schlafen, essen, von vorne. Ich vermute, meine Partnerin sieht diesen Trip so ähnlich wie die werte Gattin oben das Bloggen.

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