Die Entgrenzten

 

Über die Facebook-Gruppe Nothing but the Truth – Aufklärung über die Verschwörungsszene habe ich schon berichtet. Mir gefällt inzwischen nicht mehr alles, was dort publiziert und besprochen wird – vieles ist aber interessant und manchmal auch amüsant.    

Eine Leserin spricht ein durchaus aktuelles sowie nerviges Problem an:

„Ich arbeite an einer Tankstelle. Macht schon Spaß, und man lernt viele Menschen kennen. Nur die letzten Jahre haben mich Nerven gekostet.

Was mir die letzten 2 Wochen fast den Verstand raubt: Da kommen Leute, die Corona haben und erzählen mir das fröhlich, während sie Sportwetten abgeben und Zigaretten kaufen. Oft höre ich dann: ‚Ich hab kaum Symptome. Da kann ich auch raus.‘

Wenn ich dann sage, dass man da schon ein bissel egoistisch ist, bekomme ich ein: ‚Ist mir scheißegal.‘ Auch viele in meinem und deren Umfeld finden das überhaupt nicht schlimm, man hört nur: ‚Der/die Arme konnte nicht zum Fußball/etc.‘ Ja, gerade der mit ‚ist mir scheißegal‘ meinte noch, dass er leider seinen Enkel nicht sehen kann. Ey, aber mal eben in der Tanke seine Viren verteilen.

Ich fühl mich irgendwie verarscht.“

Ich habe unter den zahlreichen Kommentaren nur die berücksichtigt, welche über konkrete Erfahrungen berichten. Allgemeine Betrachtungen über die Schlechtigkeit der Welt blieben unberücksichtigt. Was bleibt, sind eindrucksvolle Geschichten – manche vielleicht übertrieben und eventuell auch mal gut erfunden. Dennoch ist die Tendenz furchterregend. Einige Beispiele:     

„Ich arbeite auch im Einzelhandel (Beratung und Verkauf im Möbelhaus), ich wurde schon als ‚lächerlich‘ tituliert, weil ich noch mit Maske auf der Verkaufsfläche stehe. Ich möchte eigentlich gar nicht wissen, wie viele Positive fröhlich durch die Weltgeschichte latschen, weil ‚is ja nur ein Schnupfen‘.“

„Ich geh mittlerweile so weit, wenn ich merke, dass nicht jeder Mitarbeiter Maske trägt, mich bei den Leuten bedanke, die trotzdem eine tragen. Da gucken mich die meisten auch total ungläubig an.“

„Ich werde tatsächlich belächelt. Bin die einzige auf der Arbeit, die Maske trägt.“

„Da ich beruflich viel unterwegs bin, finde ich es sehr interessant, wie extrem unterschiedlich die regionalen Unterschiede sind (auch Stadt und Land). Teils über 90% mit Maske. Teils nur ein Drittel, je nachdem, wo man gerade ist.“

„Ich komme sowohl beruflich als auch über meine ehrenamtliche Tätigkeit sehr viel herum, und die letzten paar Jahre ist die Egozentrik der Gesellschaft aus meiner Sicht deutlich schlimmer geworden. (…) Der Kunde denkt, er ist der wichtigste, und das ganze Universum dreht sich um ihn. Er muss zufriedengestellt werden. Dass auf der anderen Seite aber auch noch Menschen arbeiten, mit denen man respektvoll umgehen sollte, wird immer seltener. Auch früher gab es so etwas schon, die Rate an Kunden, die meinen, dass man für eine Dienstleistung bezahlt und damit die Person einem ‚gehört‘, ist in den letzten Jahren aber doch stark gestiegen.“

„Ich arbeite seit über 20 Jahren in einem Dienstleistungsberuf und habe täglich mit mehreren hundert Personen nahen Kontakt – die Veränderungen konnte ich sowohl bei Kund*innen als auch bei neuen Kolleg*innen beobachten! Kein Wunder, die Gesellschaft hat sich massiv verändert: Statt Solidarität ist jetzt angesagt, sich gegen andere durchzusetzen, statt prekäre Arbeitsverhältnisse anzuprangern (Paketboten, Pflege usw.) hört man regelmäßig ‚Tja, dann such Dir doch ‘nen anderen Job, zwingt Dich doch keiner‘ – befindet sich jemand in einer schlimmen Situation, so wird nicht mehr darüber nachgedacht, wie man die Situation ändern könnte – nö, die Person ist ‚selber schuld‘.“

„Ich hatte bis letztes Jahr einen Chef, der das Virus abstritt und es gar nicht für notwendig erachtete, uns die Möglichkeit des Homeoffice einzurichten. Gut, dass unsere Büros riesig sind und wir maximal zu zweit darin sitzen.“

„Hatte die Diskussion auch schon mit einem Zombie. Meine Antwort war: So lange es Figuren wie dich gibt, trage ich Maske.“

„Oh, da hatte ich einen, der kam immer ohne Maske, aber mit Attest. Der kaufte immer Zigaretten und roch stark nach Rauch. Irgendwann hab ich dem gesagt, dass sein Verhalten gegenüber den Schulkindern asozial ist. (Damals war noch Maskenpflicht.) Da ist der zu meinem Chef und wollte, dass der mich rausschmeißt. Mein Chef hat sich bei ihm entschuldigt.“

„Leider outen sich solche Idi** im Krankenhaus nicht. Im Gegenteil, da jammern sie rum und verlangen unverzügliche Behandlung. Dir alles Gute und bleib gesund. Schöne Grüße von einer Intensivkrankenschwester aus München“

„In diesem Zusammenhang finde ich immer wieder zum Schreien komisch, dass die Dullies jahrelang auf die Straße gehen, um zu machen, was sie wollen, sprich keine Maske tragen und so weiter – heute aber werde ich mit Maske angefahren: ‚Du brauchst hier keine Maske !‘ Dann antworte ich: ‚Ja was denn nun, darf ich vielleicht auch machen, was ich will?!‘“

„Meine Freundin arbeitet als Verkäuferin, die wurde schon tatsächlich angemault, weil sie eine Maske getragen hat. Ihr Arbeitgeber will das so, und meine Freundin erst recht, da sie vorerkrankt ist. Ich hab zu ihr gesagt, wie sie da so gelassen drauf reagiert hat, ich wäre ausgerastet, wenn man mich dumm anmachen würde.“

„Ein Kunde von mir an der Haustüre, lacht mich zuerst aus, weil ich Maske getragen habe (arbeite in der Postzustellung). Dann erklärt er mir, dass das Omnikrönchen ja völlig harmlos sei. Ein leichter Schnupfen.

4 Tage später seh ich seine Frau. Völlig aufgelöst und verheult. Frage, was los ist. Ja, der Mann ist im Krankenhaus, geht ihm nicht gut. Er bekommt Sauerstoff, und kann sein, dass er auf die Intensivstation muss.

Das Schlimme ist, er hat es überstanden und selbstverständlich war es nicht Corona, sondern etwas anderes.“

„Eine andere Kundin hatte sich mit der Familie im zweiten Lockdown an einer Demo die Deltavariante geholt. Ihr ging es lange schlecht, und sie hatte lange Zeit sogar Mühe, die 7 Meter zum Briefkasten an der Straße zu überwinden.

Aber Corona gibt es ja nicht. Alles Lug und Betrug. Die sind so in einer Blase drinnen.“

Quelle: https://www.facebook.com/groups/NbtT.DasOriginal (Post vom 17.4.22)

Breitet sich hierzulande die Egozentrik immer mehr aus? Ich meine schon – nicht bei der Mehrheit, aber immerhin bei einer wachsenden Minderheit. Regeln werden nicht mehr akzeptiert, sondern als Angriff auf die persönliche Freiheit vehement bekämpft. Nach dem Fortfall staatlicher Verordnungen verschwendet man erst recht keinen Gedanken daran, sich freiwillig einzuschränken, um andere nicht zu gefährden.

Ich glaube, da überkreuzen sich zwei Entwicklungen:

Weite Bevölkerungskreise sind altersbedingt nicht mehr an schwere Krisen gewöhnt. Einschränkungen vom Kaliber der Corona-Pandemie hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben. Erst recht nicht eine derartige gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung. Und nun kommt durch den Ukraine-Konflikt noch eine reale Kriegsgefahr dazu. Das kriegen zahlreiche Menschen nicht mehr auf die Reihe.

Auf der anderen Seite – und da spreche ich aus beruflicher Erfahrung – kann man solche Einflüsse nur verkraften, wenn man in der Erziehung Grenzen gesetzt bekam. Dazu sind Eltern immer weniger bereit. Da oft beide berufstätig sind, wird die Betreuung der Kinder ausgelagert. Lehrkräfte und sonstige Betreuer sollen dann das richten, was im Elternhaus versäumt wurde. Die haben aber häufig auch keine Lust, da sie der Konfrontation mit genau diesen Eltern ausweichen wollen. Vor allem aber fürchten die Großen den Liebesentzug ihrer Nachkommen, wenn man ihnen irgendeinen Wunsch verweigern würde. Wie sollen so Erzogene später als Erwachsene mit Frustrationen umgehen können?

Dazu passt das ständige Genöle, „ausgegrenzt“ zu werden. Klar – solche Erfahrungen sind für diesen Menschenschlag neu.

Eindrucksvoll ist auch eine teils gigantische Selbstüberschätzung – das Produkt einer Erziehung, bei der man die Kleinen ja nicht mit „Fehlern“ frustrieren darf, sondern jeden Schmarren in den höchsten Tönen zu preisen hat. In den sozialen Medien kann man bei fast jedem politischen Thema lesen, die staatlichen Repräsentanten seien korrupt sowie total unfähig. Die Einsicht, was man im eigenen Leben schon versaubeutelt hat und daher den Ball flacher halten sollte, fehlt völlig.     

Die zu Beginn zitierte Tankstellen-Mitarbeiterin fühlt sich zwar zu Recht verarscht –  dennoch kann man ihr nicht raten, dies allzu laut auszusprechen. Für einen Kopfschuss hat schon weniger gereicht:


https://www.youtube.com/watch?v=PdLoKBgxj6I

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