Die unverhüllte Nonne

 

„Warum tragen sie immer noch ne Maske?" „Weil ich hässlich bin. Wollen Sie auch eine?" 

Diesen schönen Spruch fand ich in einem Post auf der Facebook-Seite „Nothing but the Truth – Aufklärung über die Verschwörungsszene“, die immer wieder über wunderbar absurde Vorkommnisse aus dem Gagaversum berichtet.

Die Geschichte dazu ist noch viel lustiger. Ein Mitglied der Gruppe schreibt:   

„Ich habe das Thema ‚Maske im Einzelhandel‘ heute durchgespielt nach 2 Jahren. Ich habe mich mit einer Nonne gefetzt. Mit. einer. NONNE! (…) Da hilft heute nur noch Alkohol, weil ich komme in die Hölle, Sis and Bros.“

Auf die Frage Wie kann man sich bei dem Thema denn fetzen? Wer eine tragen will, trägt sie. Wer keine tragen will, trägt keine“ antwortet der Schreiber:

„In der Theorie ist das so. Praktisch fragen viele, ob sie eine tragen müssen, und wenn man sagt, das bleibt Ihnen überlassen, kommt zu 99.9% irgendwas, in dem sie mir ihre Meinung dazu ungefragt an die Backe tackern. Ich nenne das Meinungsfreiheitspenetration.“

Natürlich gaben nun etliche Leser keine Ruhe, bis der Betreffende die ganze Geschichte erzählte:

„Also. Nonne kommt rein, fragt, ob man hier Maske tragen müsse.

Kollegin sagt Standardsatz A: ‚Das darf jeder für sich entscheiden, wie Sie möchten.‘

(Den Zusatz ‚es wäre uns aber lieber‘ haben wir nach ein paar Tagen und Eskalationen aufgegeben, wobei es besser wäre, da 50% meiner Belegschaft aktuell infiziert ist)

Nonne: ‚Gut, denn Jesus hätte nicht gewollt, dass wir unser Haupt oder Gesicht bedecken‘

Ich, mit Hang zur Situationskomik, wie sie dasteht mit Kutte und Häubchen, muss unter meiner Maske grinsen.

Nonne sieht das und fragt mich, ob ich das lustig finde.

Ich: Ja. Irgendwie schon!

Nonne 🧐😤😤😤

Kauft was ein... kommt an den Einpacktisch zu mir, schaut mich weiter böse an... ich kann natürlich meine Klappe nicht halten, sage, wissen Sie, einige hier sind momentan infiziert seit dieser Woche. Deswegen tragen WIR Maske für SIE. In der Bibel steht ja auch was von Nächstenliebe.

Sie: ‚Das hat damit nichts zu tun, die Antwort steht im 1. Korintherbrief. Aber ich werde auch für Sie beten...‘

Ich: ‚Na, da bin ich aber froh.‘

Nonne: ‚Gerne.‘

Will ich wissen, was in dem Korintherbrief steht?“

Na, auch das wollten einige nun genau erfahren. Zunächst kamen etliche Spaßantworten wie „Ich glaube, der erste Korintherbrief war die Beantwortung einer Rückfrage des Finanzamts wegen der Absetzbarkeit von Petrus Arbeitszimmer“.

Quelle: https://www.facebook.com/groups/165125927459977 (Post vom 23.4.22)

Schließlich fanden doch Bibelfeste in der Gruppe die vermutliche Passage im 1. Korintherbrief, 11. Kapitel:

Frauen und Männer im Gottesdienst

2 Ich lobe euch, weil ihr in allen Stücken an mich denkt und an den Überlieferungen festhaltet, wie ich sie euch gegeben habe.

3 Ich will aber, dass ihr wisst, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist; der Mann aber ist das Haupt der Frau; Gott aber ist das Haupt Christi.

4 Ein jeder Mann, der betet oder prophetisch redet und hat etwas auf dem Haupt, der schändet sein Haupt.

5 Jede Frau aber, die betet oder prophetisch redet mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt; denn es ist gerade so, als wäre sie geschoren.

6 Will sie sich nicht bedecken, so soll sie sich doch das Haar abschneiden lassen! Wenn es aber für die Frau eine Schande ist, dass sie das Haar abgeschnitten hat oder geschoren ist, soll sie sich bedecken.

7 Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz.

8 Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann.

9 Und der Mann wurde nicht geschaffen um der Frau willen, sondern die Frau um des Mannes willen.

10 Darum soll die Frau eine Macht auf dem Haupt haben um der Engel willen.

11 Doch im Herrn ist weder die Frau ohne den Mann noch der Mann ohne die Frau;

12 denn wie die Frau von dem Mann, so ist auch der Mann durch die Frau; aber alles von Gott.

13 Urteilt bei euch selbst: Steht es einer Frau wohl an, dass sie unbedeckt vor Gott betet?

14 Lehrt euch nicht die Natur selbst, dass es für einen Mann eine Unehre ist, wenn er langes Haar trägt,

15 aber für eine Frau eine Ehre, wenn sie langes Haar hat? Das Haar ist ihr als Schleier gegeben.

16 Ist aber jemand unter euch, der darüber streiten will, so soll er wissen, dass wir diese Sitte nicht haben – und die Gemeinden Gottes auch nicht.

https://www.bibleserver.com/LUT/1.Korinther11

Tja, da weht uns doch der Machismo von Jahrtausenden an: Der Mann ist das Haupt der Frau – und die wurde um des Mannes willen geschaffen. Das kenne ich sonst nur noch vom Tango: Der Mann führt. Diskussion unerwünscht.

Ansonsten wissen wir ja um die Sitten: Die Herren der Schöpfung haben in der Kirche den Hut über ihrer Bürstenfrisur abzunehmen (Tonsur optional), die Damen ihre langen Haare züchtig zu verhüllen (ja, das Kopftuch ist kein Alleinstellungsmerkmal des Islam). In besonders frommen (meist dörflichen) Gemeinden sitzen Männer und Frauen sogar getrennt auf den beiden Seiten des Kirchenschiffs.  Fast wie bei einem Encuentro. Der Kontakt wird in beiden Fällen durch Blicke hergestellt.

Und zum Habit eine Nonne gehört natürlich der das Kopfhaar bedeckende Schleier (nicht „Häubchen“, wie der wohl atheistische Einzelhändler das nennt und es heißt auch nicht Kutte, sondern Tunika).

https://de.wikipedia.org/wiki/Habit

Ja, jetzt aber Moment mal: Wenn weibliche Ordensleute ihr Haupt zu bedecken haben – wieso stört die ehrwürdige Schwester dann die Maske? Das könnte man aus dem 1. Korinther doch höchstens für männlichen Kollegen herleiten!

Aus meinen langjährigen Erfahrungen mit diesem Verein rate ich jedoch: Die Bibel-Exegese obliegt nicht dem Laien. Die Profis haben immer ein paar Stellen in Petto, die sie zu ihren Gunsten auslegen können. Und die Nächstenliebe gehört in die Bergpredigt, und da bleibt sie bitte auch!

Aber die Hölle muss unser Einzelhändler kaum fürchten – darüber befindet nämlich nicht das Bodenpersonal, auch wenn es öfters behauptet wird.

Ein Trost bleibt: Die Kirche reformiert sich durchaus. Das folgende Video aus dem Jahr 1965 beweist: Auch bei Nonnen werden die Röcke kürzer und die Schleier kleiner und modischer! 

https://www.youtube.com/watch?v=169C-V7XNt8

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