Jetzt schreibt’s doch auch mal!

 

„Gute Ratschläge werden fast nie beachtet. Das ist jedoch kein Grund, sie nicht zu geben.“ (Agatha Christie)

Ehrlich gesagt fühle ich mich im Moment ziemlich einsam. Es macht wirklich wenig Spaß, das einzige deutschsprachige Tangoblog zu betreiben, auf dem noch regelmäßig neue Beiträge erscheinen. Woran soll ich mich noch orientieren? Und was abkupfern?

Daher heute meine inständige Bitte: Überlegt euch doch, ob ihr euch nicht auch mal an eine solche Seite wagen solltet! Wie ihr an diversen Versuchen in der Vergangenheit seht, ist das nicht so schwer. Eure Vorgänger sind ja meist nicht an schlechten Texten gescheitert, sondern an ihrem schwindenden Antrieb, solche zu verfassen. Wenn ihr mal in solchen stillgelegten Blogs stöbert, solltet ihr zu der Erkenntnis kommen: So einen Kram kriegt ihr doch locker selbst zustande!

Ihr müsst auch nicht mehr befürchten, dass im Netz ein Haberfeldtreiben ausgerufen wird, wenn ihr euch beim Schreiben nicht an den Mainstream haltet oder mit eurer Kritik zu frech seid. Das habe ich in den vergangenen Jahren schon für euch erledigt – aber die Corona-Pandemie hat die Szene ziemlich durchgeschüttelt und dezimiert. Die Verbleibenden sind froh, wieder zum Tanzen zu kommen, und verschwenden ihre Zeit nicht damit, euch per Kommentar abzufieseln. Zudem bewirkt das Schwinden der Teilnehmerzahlen, dass sich Zeitgenossen, welche ihr Ego aufplustern müssen, andere Spielplätze suchen – beispielsweise als YouTube-Virologen oder Facebook-Ostexperten.

Klar, als Autor möchte man dann auch gelesen werden. Ich rate dennoch, nicht zu sehr auf die Zugriffszahlen zu sehen. Der Erfolg stellt sich mit der Zeit ein, wobei die sich in Jahren bemisst. Ich rate dazu, einfach Texte zu verfassen, die euch selber gefallen. Es soll ja in erster Linie euch Spaß machen und nicht den Lesern!

Dennoch gibt es natürlich gewisse Grundregeln für erfolgreiche Artikel:

Der zeitliche Aufwand ist oft umgekehrt proportional zum Leseerfolg. Wenn euch also vielleicht beim Studium von anderen Tangoseiten, ein total bescheuerter und pubertärer Blödsinn einfällt: Sofort aufschreiben! Meine erfolgreichsten Beiträge entstanden in weniger als einer Stunde. Wenn euch dagegen ein Thema nahe geht, das umfangreiche, stundenlange Recherchen erfordert, ihr im Endeffekt mehr als ein halbes Dutzend seriöser Quellen zusammenkriegt, wird das vielleicht ein toller Text, auf den ihr wirklich stolz sein könnt nur wird der mit ziemlicher Sicherheit zugriffsmäßig kein Renner.

Das hängt mit einem weiteren Aspekt zusammen: Sachinformationen sind Aufmerksamkeits-Killer. Wer will sich denn ellenlang mit nüchternen Fakten herumschlagen? Wenn ihr viele Zugriffe wollt, werdet persönlich! Merke: Meinungen, nicht Realitäten interessieren! Für den Anfang rate ich, sich auf den Werbeseiten von Tangoschulen herumzutreiben. Dort findet man mühelos größere Ansammlungen totalen Schwachsinns, mit dem ihr einen möglichst bekannten Tangolehrer mit satirischer Grundversorgung beliefern könnt. Mit etwas Glück schickt euch der einen bitterbösen Kommentar oder zumindest schreibt einer seiner Schüler, wie toll dort der Unterricht ist.

Leider hat man in diesen Kreisen auch dazugelernt und weiß inzwischen, dass Gegenangriffe den Leseerfolg des Bloggers steigern und den Humbug in der eigenen Werbung erst so richtig verbreiten. Aber einen Versuch ist es allemal wert! Schon, weil er einem anderen Erfolgs-Grundsatz entspricht:

Erfolgreiche Texte führen stets zu der Erkenntnis: Mann, ist der (oder: sind die) blöd!" Schwache Artikel dagegen liefern die Einsicht: Mann, ich bin ja selber auch blöd!" Der Unterschied ist klar: Das eine ist sexy, das andere ein Stimmungskiller obwohl solche Artikel oft eine viel höhere Qualität aufweisen. Am Grad des Erfolgs ändert das jedoch nichts.

Vor allem aber: In einem Tangoblog interessieren speziell die Tango-Themen. Wenn ihr also die Wahl zwischen einem ausgezeichneten Hintergrund-Text über Krieg und Frieden in der Welt und der hundertdrölften Streitschrift zum Cabeceo habt, rate ich: Wenn's ein Erfolg werden soll nehmt das Blinzel-Thema! Und wenn wir schon dabei sind: Neben deftigen Auseinandersetzungen ist Sex natürlich ein absoluter Seller. Das Schöne am Tango: Irgendwie kann man die Geschlechter-Beziehungen fast bei jedem Thema verwursten.

Sicher werdet ihr sehr gespannt auf Kommentare zu euren Beiträgen sein. Bevor ihr diese anschaut, rate ich dringend zu bedenken: Es ist eine pure Annahme, dass der betreffende Schreiber euren Artikel gelesen oder gar verstanden hat. Die meisten entnehmen einem Text das, was sie erwarten. Ob es dort steht oder nicht, ist völlig nebensächlich. Und hauen dazu einen Stammtisch-Spruch heraus.

Gerade habe ich für diese Tatsache wieder ein schönes Beispiel gefunden: Mein Video über die Phrasierung der Tangomusik und damit das musikalische Tanzen ist Ergebnis einer dreistelligen Zahl von Arbeitsstunden. Bereits in der ersten Ausgabe meines Tangobuches habe ich große Mühle darauf verwandt, passende Musikbeispiele zu finden und vor allem halbwegs klare Phrasierungs-Schemata zu entwerfen. In den weiteren Ausgaben habe ich diese Seiten immer wieder optimiert, ebenso in einem darauf basierenden Blogartikel. Und nun im wiederum bearbeiteten Text zum Video.

Einem Leser war das auf Facebook die Zeile wert:

Hm. Wo war da jetzt die Satire?"

Nein, die inhaltliche Antwort würde ein Grundgebot des Satirikers verletzen: Niemals Gags erklären! Daher fragte ich nur:

Wo war die denn versprochen?"

Natürlich blieb eine Antwort aus so wichtig war's dem Schreiber wohl doch nicht...

Dennoch bleibe ich hartnäckig bei meiner Aufforderung: Jetzt schreibt's doch auch mal!" Ich verspreche euch ganz neue, spannende Einblicke in die Natur des Menschen!

Freilich: Das Ergebnis muss man mögen.

Um es mit Agatha Christie zu sagen:

Nichts ist beglückender, als den Menschen zu finden, den man den Rest des Lebens ärgern kann." 

Illustration: www.tangofish.de

P.S. Gerade gelesen: Der Sohn von Verona Pooth, San Diego, wurde von seinem Elite-Internat in Miami für sechs Wochen vom Golf-Training suspendiert. Der Grund: Er hatte verbotenerweise ein Burger-Restaurant besucht. Verona hält das für viel zu streng: Ich bin froh, dass er kein Streber ist."

Als Blog-Thema ein absolutes Geschenk! 

https://web.de/magazine/unterhaltung/stars/verona-pooths-sohn-aerger-eliteinternat-froh-diego-streber-36754918

Kommentare

  1. Frage, warum viele davor zurückschrecken komplexe, zusammenhängende Texte (alias Blogartikel) zu verfassen.

    Mögliche Antworten:

    1.
    Die Deutschaufsätze in der Schulzeit

    Wer mochte schon das mühsame und langwierige Suchen von Aspekten/Argumenten, diese dann auch noch strukturieren, sprachlich korrekt und geschickt ausformulieren und schließlich rechtschreibkonform niederschreiben?

    Das waren nur wenige.

    Und wer konnte das wirklich gut?

    Das waren noch weniger.

    2.
    Die Angst vor der Angreifbarkeit

    Ein Merkmal unserer Zeit ist, dass alles, was jemand äußert, grundsätzlich und immer von irgendjemand anderem angezweifelt, in Frage gestellt oder gar bekämpft wird.
    Warum sollte man sich einer solchen Situation aussetzen, indem man ohne Not mit langen, noch so wohlüberlegten und gut recherchierten Texten breite Flanken bietet?


    3.
    Die Alternative - ein Kurztext

    Die digitalen Foren bieten die geniale Möglichkeit, seine Meinung in Kürzestform kundzutun, ohne sich allzu tiefgehend mit einer Sache, mit Inhalten und Darstellungsform befassen zu müssen.
    Hauptsache, man kann ohne großen eigenen Zeitaufwand Präsenz zeigen, andere abkanzeln, hochjubeln, je nach Bedarf.

    Leider ist nicht jedem die Genialität Lichtenbergs zu eigen, der mit wenigen Worten das Thema auf den Punkt bringen konnte!

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    1. Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Gute Texte machen einen Haufen Arbeit - und nicht jeder bringt eine solche Qualität zustande.

      Andererseits glaube ich nicht, dass dies ein Kriterium für Tangoblogs ist. Jahrelang hatte ein gewisser Cassiel gigantische Erfolge mit seinen "Tangoplaudereien", obwohl er sprachlich alles andere als ein Georg Christoph Lichtenberg war. Eher ein kleines Licht.

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