Osterfriede der speziellen Art

 

Meine beiden Videos zum musikalischen Tanzen haben relativ viele Zugriffe und einiges Lob erhalten. Kritik gab es keine – weder auf dem Blog noch bei Facebook und YouTube. Bis auf eine Ausnahme.

Mir war klar, dass es sich um ein schwieriges Thema handelt, mit dem man Lernende leicht abschrecken und überfordern kann. Daher wollte ich jenseits großer Musiktheorie (bei der ich kein Experte bin) einfach ein paar Hörbeispiele und Faustregeln anbieten, damit man überhaupt eine Chance hat, wichtige Betonungen in der Tangomusik tänzerisch umzusetzen – nicht mehr und nicht weniger. Mir selbst hat diese Herangehensweise jedenfalls viel geholfen.

Offenbar bin ich damit einem Tangolehrer auf die Schleppe getreten, der mir per Mail mitteilte, dass ich von der Materie null Ahnung hätte. Zunächst waren es völlig pauschale Anwürfe, auf meine Nachfragen erhielt ich dann eine Menge einzelner Belehrungen, immer wieder verknüpft mit persönlichen Abwertungen.

Offenbar hatte der Herr meine Videos nur sehr oberflächlich angesehen, da er zahlreiche sachliche Falschbehauptungen über deren Inhalt vortrug. Darauf von mir hingewiesen ließ er das entsprechende Thema jeweils fallen und kam mit neuen „Fehlern“ meinerseits.

Nachfolgende einige „Zuckerstückerl“ aus unserem persönlichen Mail-Austausch:     

„Dass Sie sich mit vielen Tango-Themen aus dem Fenster hängen ist bekannt, aber jetzt haben Sie sich zu weit herausgehängt und sind herunter gefallen.“ 

„Zumal ich bezweifle, dass Sie Ihre sogenannten Phrasierungen selbst tänzerisch auch nur annähernd umsetzen können.“

(Wieso er dies bezweifelt, gibt er nicht an. Persönlich gesehen haben wir uns jedenfalls noch nie.)

„Jeder Anfänger bekommt in meinen ersten Stunden mehr musikalisches Grundwissen und speziell zu Tango, Tango Vals und Milonga vermittelt.“ 

„Ihre Zählweisen bei der ‚Milonga Sentimental‘ und Erklärungen dazu sind einfach nur peinlich.

(Na gut, ich kenne korrekte und inkorrekte Zählweisen, genaue sowie ungenaue. Doch was sind peinliche? Irgendwas mit 6?) 

„Ich weiß nicht, woraus Sie Ihre Reputation beziehen, hier eine Leserschaft belehren zu wollen und Tango-Lehrer als überflüssig zu bezeichnen.“

(Dass Tangolehrer generell überflüssig sind, habe ich nie behauptet. Schon gar nicht in den Videos.)

„Es ist nicht ihr Dilettantismus den ich Ihnen vorwerfe, (Dilettanten brauchen wir, aber auch Fachleute) sondern, dass Sie mit so wenig Wissen in die Öffentlichkeit wagen und Lehrvorträge machen.“

„Übrigens gehen Sie in ihrem Video doch auch nicht auf den Tanz ein!“

(Das ist eine Lüge: Ich gebe an verschiedenen Stellen Tipps zur tänzerischen Umsetzung! Außerdem sind es zwei Videos.)

„Wenn Sie zum Beispiel raten, dass die Tänzer sich an die 8er Phrase halten solten, verwechseln Sie Phrasen und Phrasierungen“

(Auch das ist gelogen: Der Begriff „Phrase“ kommt in keinem der Videos vor!)

„Herr Riedl, ich gebe mir hier wirklich Mühe, Ihnen ein paar Irrtümer Ihrerseits aufzuzeigen. Ich glaube aber nicht, dass sie das öffentlich zugeben und korrigieren würden, (höchsten heimlich). (Das habe ich bei Ihnen noch nie erlebt!)“

(Ich korrigiere meine Texte laufend – in den ersten Stunden nach Veröffentlichung oft zehnmal und öfter. Bei Videos ist das nicht ganz so einfach. Ich wusste bislang aber nicht, dass ich öffentlich Abbitte zu leisten habe, wenn ich Fehler verbessere.)

„Offensichtlich lesen Sie meine Texte auch nicht richtig durch. Habe mir gedacht, dass es sinnlos ist. Insofern findet Brandolonis (sic!) Gesetz in Ihrem Fall doch eine Berechtigung.“

(Wenn er denkt, dass es sinnlos ist – warum schreibt er mir dann? Übrigens lautet Brandolinis Gesetz: „Das Widerlegen von Schwachsinn erfordert eine Größenordnung mehr Energie als dessen Produktion.“ Aha, ich liefere also Schwachsinn – herzlichen Dank!)

https://de.wikipedia.org/wiki/Brandolinis_Gesetz

„Sie sind nicht in der Lage um die Sache zu streiten, sondern es geht Ihnen nur um Ihre Person. Ich habe Ihre abstrusen Behauptungen gebührend widerlegt.“

(Beim ersten Satz dürfte es sich um eine Projektion handeln.)

„Und natürlich geben sie keine tänzerischen Hinweise, mit denen ein Anfänger was anstellen kann, weil Sie keine Tangounterrichtserfahrung haben.“

(Ich möchte gar nicht, dass Anfänger was anstellen – sondern dass sie was lernen!) 

„Sie Schwurbeln, Herr Riedl, wenn es um Tango geht.“ 

Selbst bei solchem Feedback gebe ich mir die Mühe, es zu beantworten und meine Sichtweisen mit Argumenten zu belegen. Man kann immer etwas dazulernen, zum Beispiel, sich so klar auszudrücken, dass Verdrehungen schwerfallen, mit Belegen nicht zu schlampen sowie sorgfältig zu recherchieren. Und man lernt eine Menge über die Natur des Menschen.

So hätte ich mir bis vor ein paar Jahren nicht träumen lassen, dass nicht wenige Leute auf einen Text starren (bzw. ihn hören) und dann felsenfest behaupten, dort stünde oder sei etwas gesagt worden, das objektiv aber nirgends zu finden ist. Unglaublich, wie die Erwartungshaltung die Realität verzerren kann!

Daher wird es für mich in dem Moment sinnlos, wo über meine Arbeit Tatsachen behauptet werden, die schlicht nicht zutreffen – und man dies trotz meiner (mit Zitaten belegten) Einwände nicht korrigiert. Dann weiß ich wirklich nicht, worüber man noch diskutieren soll.

Ich nenne den Namen des Tangolehrers nicht, weil es sich um eine private Diskussion handelt. Auf Nachfrage war er nicht daran interessiert, dass ich seine Kommentare hier veröffentliche. Zudem möchte ich persönliche Auseinandersetzungen auf ein unvermeidliches Minimum begrenzen. Sollte er (wegen des Zitierrechts) auf eine Quellenangabe bestehen, kann er sich ja hier outen.

Der österliche Friede ist nun eh dahin. Ich frage mich nicht erst seit heute, warum man im Tango nicht einfach um die Sache diskutieren kann, ohne dem anderen Unwissenheit und Dilettantismus zu unterstellen. Sich auf Augenhöhe auszutauschen, ohne sofort ein wirkliches oder erfundenes Gefälle zu beschwören. Auf das Bedeutungsgehubere angeblicher oder tatsächlicher „Experten“ zu verzichten. Viele Dinge kann man zu Recht so oder anders sehen. Anderer Meinung zu sein muss nicht heißen, dass der andere alles falsch sieht. Im Tango stehen diese Erkenntnisse bei einigen noch aus.

Ich habe diesem Tangolehrer jedenfalls noch nie vorgeworfen, dass er von solchen Themen keine Ahnung hat. Erstens stimmt es nicht, und zweitens lässt so eine Behauptung die Debatte sofort ins Persönliche abgleiten.

Könnten wir daher im Tango nicht auf das „kreuzigt ihn“ verzichten – auch nach Ostern?

Foto: www.tangofish.de

 

Kommentare

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