Die Spanische Grippe – eine vergessene Blaupause


„Wer die Geschichte nicht kennt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen.”
(George Santayana, spanischer Philosoph, 1863-1952)

Gerade „Corona-Skeptiker“ vergleichen ja die momentane Infektion gerne (wenn überhaupt) mit der Grippe: ähnlich „harmlos“, mit vergleichbaren Sterberaten. Man sollte dann aber der festen Überzeugung noch ein wenig historisches Wissen beifügen:

Die Spanische Grippe infizierte zwischen 1918 und 1920 geschätzt 500 Millionen Menschen weltweit, die Zahl der Todesopfer soll sich zwischen 20 und 50 Millionen bewegt haben – jedenfalls mehr als die Zahl der Toten durch den 1. Weltkrieg (17 Millionen). Die Sterblichkeit schwankte je nach Land sehr stark und dürfte im Mittel um die 5 Prozent gelegen haben.

Die meisten Grippeopfer starben an bakteriellen Superinfektionen der Lunge, welche in der Zeit vor den Antibiotika (bis 1928) schwer beherrschbar waren. Der Influenza-Erreger (A/H1N1) war damals noch unbekannt – er wurde erst 1933 entdeckt. Weiterhin dürften in Kriegszeiten unzureichende Ernährung und Hygiene die Todeszahlen erhöht haben. Die Spanische Grippe trat in den drei Wellen auf, von denen die zweite im Herbst 1918 am stärksten zuschlug. Die Gesundung war oft langwierig und mit neurologischen Spätfolgen verbunden. Unter den prominenten Opfern war auch Frederick Trump, der Großvater des heutigen US-Präsidenten.

Im Gegensatz zu anderen Influenza-Formen befiel dieses Grippevirus vor allem Menschen zwischen 20 und 40 Jahren, was verheerende Folgen für die Arbeitswelt (und auch den Krieg) hatte. Subtypen des H1N1-Virus traten 1977/78 als „Russische Grippe“ und 2009 als „Schweinegrippe“ auf.

Zur Herkunft der Erkrankung gab es auch damals ziemlich absurde Hypothesen: Es kursierte das Gerücht, die Deutschen hätten Konservendosen vergiftet und nach Spanien geliefert – oder Fisch. Eine Quelle in China oder Nordfrankreich stand ebenso unter Verdacht wie Staub, mangelnde Lüftung oder kosmische Einflüsse. Die Spanische Grippe stammt übrigens nicht aus diesem Land – dort durfte nur wegen des Fehlens der Kriegszensur offen darüber berichtet werden!

Ziemlich gesichert ist heute, dass die Influenza ihren Ausgangspunkt im US-amerikanischen Haskell County hatte, wo der Landarzt Loring Miner die ersten Fälle einer neuartigen Grippe beschrieb, was aber keine Beachtung fand. Durch eingezogene Soldaten aus dieser Gegend verbreitete sich das Virus im Ausbildungslager Camp Funston in Kansas und danach über viele weitere Militärcamps und schließlich über das gesamte Land. Durch Truppentransporte gelangte es schließlich nach Europa (zuerst nach Frankreich) und verbreitete sich weltweit.     

Um Hygiene, Masken und Abstandsgebote gab es damals prinzipiell das gleiche Gezerre wie heute. Zudem waren Quarantänemaßnahmen oft durch die Kriegserfordernisse nicht durchführbar.

Bekannt ist das Beispiel San Francisco. Als die Seuche die Stadt im Herbst 1918 erreichte, wurde schnell eine Maskenpflicht verhängt, worauf die Zahl der Neuinfektionen abflachte.

„Eine Maske bietet zu 99 Prozent Schutz gegen Influenza. Wer sie nicht trägt, wird krank", erklärten Bürgermeister James Rolph und das Rote Kreuz in einem gemeinsamen Appell und warnten: „Der Mann, die Frau oder das Kind, die jetzt keine Masken tragen, sind gefährliche Faulenzer."

Wie heute waren etwa 80 Prozent der Bevölkerung mit den Maßnahmen einverstanden. Wer sich nicht daran hielt, riskierte Geldstrafen oder Polizeiarrest. Zeitweise kam es pro Tag zu gut 100 Festnahmen. Selbst öffentliche Kritik am Maskenzwang konnte zu Problemen mit den Ordnungshütern führen.

Die „Masken-Misere“, wie sie damals der „San Francisco Chronicle“ beschreibt, wurde nach vier Wochen am 21. November 1918 aufgehoben, es fanden wieder Großveranstaltungen statt.

Doch die Pandemie kehrte mit Wucht zurück. Auf Grund der rasant steigenden Neuinfektionen wurde die Maskenpflicht am 17. Januar 1919 wieder eingeführt. Doch 2000 Bürger, darunter einige Ärzte, taten sich zu einer „Anti-Masken-Liga“ zusammen. Die Hygienemaßnahmen seien undemokratisch und schränkten die persönliche Freiheit ein.

Der Bürgermeister blieb allerdings hart:
„Glauben Sie, ich lasse mich hier lächerlich machen gegen den Wunsch von 99,5 Prozent der Ärzte, gegen die Verantwortlichen von Army und Navy?"

Ende Januar gingen die Krankheitsfälle zurück. Insgesamt hatten sich in der Stadt aber mehr als 50000 Bürger infiziert, es gab 3500 Todesopfer.

Keine amerikanische Metropole wurde von der Pandemie so hart getroffen wie Philadelphia: Binnen einer Woche infizierten sich 45000 Bewohner, innerhalb von 6 Wochen starben 12000. Man hatte dort die Warnungen ignoriert und Ende September 1918 noch eine große Militärparade mit 200000 Besuchern stattfinden lassen.

In St. Louis dagegen sagte man Veranstaltungen ab und schloss Schulen, Kirchen und andere öffentliche Stätten. Mit nur 700 Toten betrug die Sterberate lediglich ein Achtel der Zahl in Philadelphia.
Eine weitere interessante Parallele: Auch auf Mallorca steckten sich im Herbst 1918 innerhalb weniger Wochen Tausende mit der Spanischen Grippe an. Nach Schätzungen geht man von 3500 Toten auf den Balearen aus, in Spanien insgesamt von 260000 bis 300000.

Auf Mallorca waren zwar Schulen, Theater und Kinos geschlossen, nicht aber die Bars, welche damals, so ein Historiker, zur „Grundversorgung“ zählten. Dass die Insel dennoch relativ glimpflich davonkam, lag wohl auch an der guten Krankenversorgung: Rund 1000 Nonnen, die über die Insel verteilt in Frauenorden lebten, arbeiteten im caritativen Bereich, vor allem in der Krankenpflege.


2005 gelang es, durch Gewebeproben aus Exhumierungen das Virus der Spanischen Grippe genetisch zu sequenzieren und auch insgesamt zu rekonstruieren. Im Tierversuch erwies es sich als weit aggressiver als die anderen Influenza-Viren. Wahrscheinlich leitet es sich von einem Vogelgrippe-Erreger ab. 2007 entdeckte man, dass für die hohe Letalität wohl ein bestimmtes Virusprotein (PB1-F2, aus nur 90 Aminosäuren) verantwortlich ist. Forscher warnten schon damals vor einer neuen Pandemie, welche durch die gesteigerte Mobilität der Menschen weitaus schlimmere Folgen als 1918 haben könne.

Ich sage voraus: Auch mit den Influenza-Viren werden wir noch sehr viel Spaß haben…

Wo auch immer man Epidemien historisch verfolgt: Die Infektionen wurden stets gesteigert durch Massenaufläufe und mangelnde Hygiene – und gebremst durch soziale Distanzierung. Gute medizinische Versorgung senkt eindeutig die Mortalität. Masken sind dabei sicher nicht das Allheilmittel, tragen jedoch maßgeblich zur Eindämmung bei.

Was ebenso niederschmetternd konstant bleibt: Stets scheint sich eine Mehrheit der Menschen aus Vernunftgründen den öffentlichen Einschränkungen zu fügen, während eine Minderheit meint, die Infektiosität mit starken Sprüchen begrenzen zu können – oder die Gefahr vollends ignoriert. Bei den von Letzteren genannten Gründen ist die Dummheits-Skala nach oben offen.

Lieber begibt man sich in eine Parallelwelt, in der wissenschaftlich anerkannte Erkenntnisse pauschal bestritten und durch die Eingebungen von Gurus ersetzt werden. So las ich gerade wieder, die Corona-Neuinfektionen stiegen gar nicht wirklich – das sei nur eine Folge der immer weiter ausgedehnten Tests.

Für diejenigen, welche durch Zahlen noch erreichbar sind: nein. Nach der Statistik des RKI gab es in der Kalenderwoche 31 (letzte Woche) in Deutschland 573802 Tests, in der KW 27 (also einen Monat zuvor) 505518 Tests. Diese Zahl stieg als um den Faktor 1,14. Positiv waren vor 5 Wochen 0,6 Prozent, letzte Woche 1,0 Prozent. Steigerungsfaktor hier also: 1,67.

Aber klar, wer nicht dran glauben möchte: Wahrscheinlich ist aus unerfindlichen Gründen die Rate der falsch positiven Tests nach oben geschnellt – oder die Zahlen sind einfach frei erfunden. Wahrscheinlich von Reptiloiden oder Klingonen

Wie dem auch sei: Karin und ich werden uns jedenfalls dort, wo es angebracht ist, weiterhin diese unmenschlichen Masken überstülpen – und sollten wir dabei einmal hechelnd umfallen, dies dann sofort der Pressestelle von „Querdenken 711“ melden.

Ansonsten beschäftigen wir uns weiterhin und so lange es noch erlaubt ist, mit „Mehrdenken 8446“ (das ist die Pörnbacher Vorwahl).


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