Wirklich so Fern?
„Glücklich leben die Zikaden, denn sie haben stumme
Weiber.“
(Xenarchos, 5. Jhd. v. Chr.)
„Die Tanzlehrer auch."
(Gerhard Riedl, 21. Jhd. n. Chr.)
Auf
das folgende Thema hat mich wieder
einmal der Berliner Blogger Thomas
Kröter gebracht, der gestern auf Facebook einen kurzen Ausschnitt der
Sendung „Gestatten Sie?“ verlinkte,
in dem das Düsseldorfer Tanzlehrerpaar Ernst
und Helga Fern am 24.10.64 im Fernsehen Tango
unterrichtete.
Diese
Sendereihe gab es seit diesem Jahr mit insgesamt 25 Folgen – fortgesetzt wurde sie von
1966 bis 1968 als „Tanzparty mit dem
Ehepaar Fern“ (insgesamt 19 Lektionen). Beide Formate wurden vom WDR
produziert. Während der heißen Phase des Lockdowns sendete man heuer 12 Folgen
dieses „Wohnzimmer-Tanzkurses“ erneut in der Reihe „alpha retro“.
Aus
dem Pressetext:
„Zur Livemusik der
Media-Band des WDR-Orchesters unter der Leitung von Harald Banter lehrten sie
das Fernsehpublikum nicht nur Gesellschaftstänze wie Cha-Cha-Cha, Tango oder
Wiener Walzer, sondern auch tadellose Haltung und Etikette. Wie fordert man
eine Dame zum Tanzen auf? Was ist auf dem Parkett erlaubt und was nicht? ‚Gestatten
Sie?‘ gibt Antworten aus der Sicht der Sechzigerjahre. Auch die Mode von damals
ist sehenswert.“
Der
Gnade der Leser auf Kröters Facebookseite konnte sich der Tangokurs kaum
erfreuen. Die meisten Kommentare
fielen abwertend aus:
„Wie
langweilig!“
„Ach je. Was bin ich
froh, diese Form von Tango nie gelernt zu haben.“
„Herr Banta: Bitte
Musik - ich habe es geliebt. Ebenso die Frisuren und das Dauergrinsen!“
„Schlimm, tut mir
leid, ist nichts, für mich zumindest“
„I want to see him do
Salsa”
Na, dann sehen wir uns den Tango-Grundkurs doch einmal an! Was Ernst Fern anfangs über die „Unarten" in Tango erzählt, kann man heute doch ganz ähnlich von konservativen Tangolehrern hören!
Na
ja, langweilig… Wenn wir an unsere Schultanzkurse zurückdenken, waren solche Schrittfolgen doch damals aufregend genug! Und übrigens: Auch Harald Banter ist ein durchaus ernsthafter Musiker und Komponist:
Tango
lernen zu Livemusik, das wäre doch
schon mal was, oder? Konnte man sich damals noch leisten…
Angesichts
der gesträubten Federn beim Anblick
solcher Videos muss ich schon fragen: Was ist eigentlich an solchen Retro-Kursen so grauslich – zumindest für
die Verehrer des EdO-Tango? Schon
bei den ersten Sätzen von Ernst Fern (in einem früheren Video) müsste ihr Herz höher schlagen:
„Tango kann jeder,
wird man schlechthin behaupten. Nun gut – aber wird dieser Tanz wirklich immer
korrekt getanzt?“
Das
ist doch eine These, die man der konservativen
Szene von heute fest ins Hirn gestanzt hat: Es gibt eine vorschriftsmäßige Weise, Tango zu
tanzen! Dazu werden feste Figuren sowie
eine bestimmte Tanzhaltung unterrichtet.
Der Meister macht’s vor, und die anderen exekutieren es. Und das „Dauergrinsen" kann man vor allem auf den Encuentros immer noch bestaunen.
Wobei
man in den damaligen Videos wenigstens noch die tanzenden Schüler vorzeigte, die es natürlich (schon vor der
Sendung) perfekt konnten und sich einer vorbildlichen
Ronda befleißigen: Da wird weder überholt noch sonstiger Unfug getrieben!
Was ebenfalls bis heute geblieben ist: Die Adepten sehen den Meistern immer ähnlicher. Aber: Es wird (im Vergleich zu heutigen Lehrvideos) relativ viel getanzt, sogar mit Musik!
Erfreulicherweise
quasselt Meister Fern dafür weniger als durchschnittliche Tangolehrer von heute – und
das in einem vorbildlichen, fehlerfreien
Deutsch. Bei Sätzen wie „Vielleicht
wollen Sie das bitte sofort mal mitmachen! Bitte mal die Tanzhaltung!“ könnte
ich niederknien.
Was
sich bis heute nicht geändert hat: Nicht nur Zikaden, auch
Tangolehrer haben stumme Weibchen.
Und die Schüler müssen eh die Klappe halten.
Die Kleidung der Beteiligten sollte
uns zumindest auf den zweiten Blick nicht befremden: Die Herren sind ja
inzwischen wieder zu eher unbequemen, eng sitzenden
Anzügen mit Röhrlhosen zurückgekehrt – und die Damen erscheinen mir in
Kleidchen und Schuhen mit Absatz durchaus EdO-kompatibel. Gut – über die Blumenmuster und Frisuren mancher Tänzerinnen müsste man nochmal reden, aber auch da habe
ich auf heutigen Milongas schon Abartigeres gesehen. Und die Herren tragen
immerhin schlichte schwarze Halbschuhe
und nicht weiße Salonschleicher, die man heute nur noch in der Operette und auf
traditionellen Milongas sehen kann.
Aber, ehrlich gesagt, ist mir eine solche gepflegte Erscheinung wesentlich lieber als die heutiger Tanzlehrer, welche ich oft in löchrigen Jeans, verwaschenem Tanzschullogo-Tshirt und ausgelatschten Sneakers bewundern darf.
Dominiert
im Tango argentino die Kreativität, während im Standardtango lediglich feste Figuren abmarschiert werden? In der ersten Ausgabe meines Tangobuches habe
ich dazu einen Leserbrief in der „Tangodanza“ (Nr. 2/2005, S. 82-83) zitiert:
„Die weit verbreitete
Einschätzung, dass Standardtänzer nur eingelernte Schrittfolgen tanzen können,
ist schlichtweg falsch, genauso die Behauptung, dass Tango-Tänzer immer nur
improvisieren. Für beide (mit Latein drei) Tanzrichtungen gilt, dass nur der
erfahrene Tänzer dazu fähig ist. Jeder Anfänger klammert sich an seine
einstudierte Figurenfolge, was ihm hilft, überhaupt erfolgreich einen Tanz
durchstehen zu können. Dann kommt die Phase des Probierens, und schließlich
kommt die Phase, wo man wirklich die Musik tanzen kann. (…)
Ja, es scheint
riesige Ressentiments auf Seiten der Tango-Tänzer zu geben. Sie halten Tango
für erotisch. Nun gut, wenn ich mir das Drittel oder die Hälfte oder … der
Tanzpaare anschaue, die eher mit den Figuren oder Figurenfolgen ringen, statt
sich mit dem Partner intensiv auseinanderzusetzen, habe ich da meine Zweifel.“
(S. 24-25)
Ich
auch.
Meine Tanzkarriere begann Ende 1967,
also in der „Fern-Zeit“ – und ich hatte damals einen Tanzlehrer, welcher
ziemlich genau so unterrichtete wie Ernst Fern. Es hat mir in jenen Tagen – und bis
zirka 2005 – sehr gut getan, in allen zehn
Tänzen des „Welttanzprogramms“
ausgebildet zu werden.
Wenn
ich mir heute die „One Trick Ponys“
anschaue, die lediglich (und oft erst in fortgeschrittenem Alter) gelernt
haben, zu schrammeligen Klängen im Kreis zu latschen, meine ich: Die haben was versäumt. Tanzen ist
viel, viel mehr als lediglich eine historische Version des Tango zu interpretieren.
Und es schadet überhaupt nicht, sich mit anderen Tänzen und deren Techniken auseinanderzusetzen.
Ernst Fern ist im November des
letzten Jahres – von der hehren Tangowelt völlig unbeachtet – im Alter von 85
Jahren verstorben. Er und seine Zeitgenossen haben unendlich viel dafür getan,
die Ideen des Gesellschaftstanzes in
unserer Gesellschaft zu etablieren (und haben eine Unzahl von Ehen gestiftet). Dass man ihnen nun von der Tangoseite aus nur
ein paar abfällige Bemerkungen
hinterherwirft, haben sie nicht verdient.
Dass
sich auch das Welttanzprogramm veränderten
Zeiten, anderen Musikstilen anpassen muss (und das ja, im Gegensatz zum Tango, auch tut), ist selbstverständlich. In keiner ADTV-Tanzschule hört man heute die Aufnahmen historischer Tanzorchester aus den 1940-er Jahren. Es sei
mir erlaubt, auch in diesem Zusammenhang festzuhalten: Tradition ist stets
die Basis für Neuerungen.
Daher
mag man es meiner senilen Nostalgie zurechnen, wenn ich noch an ein anderes Tanzpaar
erinnere, das für mich das größte Vorbild war und ist: Die Briten Bill und Bobbie Irvine gewannen in den
1960er-Jahren so ziemlich alle Titel, die man im Turniertanz zu vergeben hatte.
Bis heute sehe ich eine Fernsehübertragung vor mir, in der das Deutsche
Meisterpaar Rudi und Mechtild Trautz
sie einmal besiegen konnte – in vier von fünf Standardtänzen. Nur in einem
nicht, dem Slowfox. Ich sage bis
heute und trotz zeittypischer Veränderungen: Kein Paar hat ihn jemals so musikalisch, elegant
und natürlich getanzt wie die Irvines.
Thomas Kröter hat meinen Beitrag nun geteilt. Grund genug für einen meiner „reisenden Kritiker“, dort über den Artikel herzuziehen. Leute wie Christian Birkholz kommentieren nämlich nie auf meinen Seiten, da sie nicht hoffen, dort Mittäter gegen mich zu motivieren.
AntwortenLöschenDaher zitiere ich hier seine Anmerkungen im vollen Wortlaut:
„Oh, immer noch alles beim Alten in Pörnbach. Eine journalistisch fragwürdige, oberflächliche Behandlung eines Themas als Vorwand für das Wiederkäuen der ewig gleichen Thesen. Vielleicht liefert der Autor mit seiner Eigendiagnose im Schlussteil ja selbst die Erklärung für dieses skurrile Verhalten.
Wie so oft werden unhaltbare Behauptungen aufgestellt, die nicht bewiesen werden können.
‚Was sich bis heute nicht geändert hat: Nicht nur Zikaden, auch Tangolehrer haben stumme Weibchen. Und die Schüler müssen eh die Klappe halten.‘
Ich könnte aus dem Stand 10 Lehrerpaare aufzählen, bei denen die Frau im Unterricht mindestens einen gleichberechtigten Stand hat, meistens aber sogar die Aktivere ist.
Die obige Behauptung ist so hahnebüchen, dass sich der Verdacht aufdrängt, dass die Windmühlen, gegen welche GR kämpft, nicht in der Realität, sondern vielmehr in seinem eigenen, inneren Mikrokosmos existieren.
Hier bietet sich ein (dem Namen Joke Niveau angepasstes) Wortspiel an: Don Quixote de la Pörncha.
Fazit: In der GR freien Zeit hat nichts gefehlt.“
Ich wüsste nicht, was der Autor damit meint – ich publiziere derzeit mehr Artikel als je zuvor.
LöschenWas die „unhaltbaren Behauptungen“ betrifft, „die nicht bewiesen werden können“:
Es wäre nicht das erste Mal, dass Herr Birkholz Satire nicht erkennt. Klar ist das Zitat eine Überspitzung, welche aber eine reale Tendenz karikiert: Ich habe im Lauf der Zeit eine dreistellige Zahl von YouTube-Videos zum Tangounterricht angesehen. Wenn dort Lehrerpaare auftreten, spricht der Mann die meiste Zeit oder gar ausschließlich.
Dies schließt selbstverständlich durchaus ein, dass es im Einzelfall auch mal anders ist. Ob es dem Schreiber leicht fiele, die genannten zehn Lehrerpaare mittels Bildmaterial nachzuweisen? Das versucht er ja auch gar nicht – wir müssen seiner Behauptung halt glauben.
Was meine Beobachtungen betrifft, könnte man beispielsweise in den 55 Artikeln nachsehen, die ich zum Thema „Tango lernen“ schon veröffentlicht habe. Dort gibt es auch viele Videos:
https://milongafuehrer.blogspot.com/search/label/Tango%20lernen
Übrigens: "Hanebüchen" schreibt man ohne "h", kommt vom schwer zu bearbeitenden Holz der Hainbuche - die Metapher gefällt mir. Das Holz der Birke dagegen gehört zu den Weichhölzern, welche leicht verrotten. Diese Metapher gefällt mir sogar noch besser.
Auf den restlichen Quatsch, den Herr Birkholz schreibt. lohnt sich das Eingehen nicht.
Mein Kritiker Christian Birkholz hat nun zu meinem Text ein Foto gepostet, das die Volkspolizei bei einer DDR-Grenzkontrolle zeigt. Was das mit meinem Artikel zu tun hat, bleibt sein Geheimnis.
AntwortenLöschenImmerhin findet der Betreiber der FB-Seite, Thomas Kröter, er finde die Bildidee „nich unintressant...“
Nun gut, jeder darf sich bei uns um Kopf und Kragen schreiben.
Ich hatte Herrn Birkholz dazu folgendes mitgeteilt:
„Tja, Bildersprache statt verbalem Ausdrucksvermögen... Schade, dass ich nur Signale einer intellektuellen Überforderung statt einer inhaltlichen Diskussion bekomme. Da kann man anscheinend nix machen.“
Die Replik des Angesprochenen:
„1. Dieses Bild drückt einfach perfekt meine Gefühl aus, das sich einstellt wen ich mir Vorstelle auf GRs Blog zu ‚diskutieren‘.
2. Die Aussagen zu der Fähigkeit mich verbal auszudrücken, widersprechen wieder einmal so krass dem was man in bisherigen Diskussionen von mir lesen konnte, dass ich mich darin bestätigt fühle, GR als Diskussionspartner nicht mehr interessant zu finden, da ich mir von einem solchen, doch ein Mindestmaß einer realistischen Sichtweise erhoffe. Das fühlt sich an als würde mein Schachgegner felsenfest drauf bestehen, dass es sich bei seiner Figur nicht um einen Bauern, sondern eine Dame handelt. Da kann man tatsächlich nix machen. Zumal ich den Stil der obigen Nachricht als zu plump und aggressiv empfinde.
PS: das einzig Informative in GRs ‚Beantwortung‘ war, dass er sein Urteil wohl ausschliesslich durch das schauen zahlreicher YouTube Videos bildet. Wie gesagt, mein Eindruck aus dem echten Leben ist ein anderer.“
Anschließend postete er noch ein Bild von der Berliner Mauer mit einem Wachsoldaten.
Eine Solidaritätsbekundung meines Haupt-Blogtrolls Thomas Schön erwarte ich jede Minute…
Was Herr Birkholz schreibt, ist geistig wirklich nicht erheblich.
LöschenSeine Fähigkeiten im verbalen Ausdruck sind – bei einem Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler fast in jeder Zeile – tatsächlich mäßig.
Schlimmer noch steht es um die Kompetenz, einen Text inhaltlich zu beurteilen:
Zunächst ginge es schon einmal darum, das Thema zu erfassen:
Der Text beschäftigt sich mit dem Tanzunterricht des Ehepaars Fern in den 1960er-Jahren, der von etlichen Kommentatoren abfällig bewertet wurde. Dazu gibt es eine Fülle von Informationen.
Davon ausgehend frage ich, ob Standardtanz und gerade die konservative Version des Tango argentino wirklich so verschiedenen Maßstäben unterliegen. Das satirische Element besteht nun darin, anerkannte Werte beider Bereiche überspitzt gleichzusetzen. Abschließend hebe ich die Vorteile einer Beschäftigung mit beiden Tanzarten hervor.
Im Wesentlichen greift Herr Birkholz aus dem Satirebereich genau ein Zitat heraus, an dem er sich abarbeitet: Seinen Erfahrungen nach stimme das nicht. Belege hierfür bringt er nicht.
Auch seine sonstigen Behauptungen (z.B. „journalistisch fragwürdig“, „oberflächlich“, „Wiederkäuen der ewig gleichen Thesen“) belegt bzw. begründet er überhaupt nicht. Stattdessen wirft er ausgerechnet mir „unhaltbare Behauptungen, die nicht bewiesen werden können“ vor.
Ansonsten: persönliche Angriffe wie „skurriles Verhalten“, „Windmühlen“, „Don Quixote“, „innerer Mikrokosmos“.
Vor allem aber: In den Kernbereich des Artikels dringt er mit keinem Wort vor.
Dies alles als „intellektuelle Überforderung“ zu bewerten, ist fast noch geschmeichelt. Ich würde mir Kritiker wünschen, die mich inhaltlich herausfordern anstatt ihr Ego durch solche Angriffe aufzubügeln.
Oje, der Riedl schreit schon nach mir ....
LöschenMuss ihn aber enttäuschen: Dieser Kindergartenkram interessiert mich nicht.
Gruß vom Haustroll.
Meine Enttäuschung hält sich in Grenzen. Ich dachte nur, weil Sie mich gerne auf fremden Seiten denunzieren...
LöschenDiese 'Antwort' ist wieder einmal eine typisch schlechte Satire von Riedl. Da beschwert er sich doch glatt, dass ich ihn gerne auf fremden Seiten denunziere und selbst zieht er ein Zitat nach dem anderen aus Facebookforen auf seinen Blog, um die Personen hier an den Pranger zu stellen. Naja, besser kann's der Strg+C/Strg+V - 'Satiriker' halt nicht.
LöschenDer Haustroll wünscht noch einen schönen Abend :-) .
P.S. damit Herr Riedl auch etwas zu tun bekommt: Mindestens einen schweren Rechtschreibfehler baue ich ab jetzt in jedem Beitrag ein - vielleicht kommt der werte Herr dann auf andere Gedanken, statt ständig Leute zu denunzieren.
Sorry, aber der Unterschied zwischen Zitieren und Denunzieren dürfte Ihre geistige Reichweite übersteigen.
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