Workshop Kinderstube
Die
neue alte Facebook-Gruppe „Tango SLAM München“
wurde ja – nach früheren heftigen Auseinandersetzungen – kürzlich mit einer
neuen Gruppenbeschreibung und Regeln zur „Netiquette“ in ein reines Friedenskorps verwandelt:
Da war selbstredend großer Jubel garantiert: An die 50 „Likes“ und Herzle
gab es allein für diese Neuerung, welche hinfort das vermeiden soll, was
Kollege Thomas Kröter als „Hanswurstiaden“ bezeichnete.
Gemäß meiner misanthropischen Natur bin ich skeptisch
bei Projekten, mit denen man Wölfe
zur Akzeptanz von Tofu-Geißleinbraten
umerziehen will. Aber gut, wenn ich die neue Selbstbeschreibung dieser „privaten
Gruppe ohne kommerziellen Anspruch“, auf der weitgehend Tangowerbung steht, richtig verstanden
habe: Man darf dort künftig auch eine Meinung
haben, wenn man nicht die eigene
Veranstaltung kostenlos anpreist.
Unlängst setzte ein international agierender
DJ noch einen drauf, indem er unter
dem Titel „Ich habe einen Traum“ eine Predigt im Stil Martin Luther Kings veröffentlichte:
„In dieser Vision ist
die Milonga eine wunderbare Umgebung voller Liebe und Respekt. Die Milonga ist
ein Ort des Teilens, an dem jeder seine beste Version zum Ausdruck bringt.“
Der
Autor gibt hierzu eine Reihe von Tipps
– vom Hallo Sagen über aktive Tanzbeteiligung und angemessene Bekleidung bis zum vorherigen Duschen. Denn leider liege doch vieles
im Argen:
„Heute sehe ich in unserer Stadt wie auch an anderen
Orten Menschen, die nur zur Milonga kommen, um zu nehmen, nicht zu geben.
Verschwitzte und stinkende Männer, die mit Arroganz tanzen, ungepflegte Frauen,
nicht lächelnd, die wie hässliche Männer aussehen und nicht die Werte der
Weiblichkeit ausdrücken... Leute, die nicht grüßen. Männer, die die Pista
betreten, unabhängig davon, wer tanzt. Wir reden immer noch über Damenwahl, als
ob Frauen nichts können und nicht entscheiden können, mit wem sie welche Tanda
tanzt.“
Oh
Jessas – so glei? Wenn „das Riedl“
des g‘schrieben hätt‘, gäbe es schon wieder Riesen-Ärger! (Und übrigens gibt es auch hässliche Männer, die leider nicht wie Frauen aussehen...) Aber der DJ sieht ja auch
das Positive:
„Es gibt genaue,
tiefgreifende Regeln, die aus einer hundertjährigen Geschichte stammen, die das
Ergebnis einer langen Prüfung sind. Diejenigen, die tanzen, müssen diese Regeln
eingehend kennen, da der Führende die Regeln der Straße kennen muss, ohne Wenn
und Aber. Ohne Näherung.
Nur diejenigen, die diese Regeln eingeführt haben, oder problemlos beherrschen, können beschließen, sie zu brechen und die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. (…)
Nur diejenigen, die diese Regeln eingeführt haben, oder problemlos beherrschen, können beschließen, sie zu brechen und die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. (…)
Ich lade alle Meister
ein, an diesem Ereignis teilzunehmen, sich mit Begeisterung an diesem Thema zu
beteiligen und uns dabei zu helfen, diese wunderschöne Kultur zu verbreiten,
die aus uralter Weisheit und Respekt besteht.“
Na
gut, ein paar Messerstechereien soll
es in der Tangogeschichte schon auch
gegeben haben – ein bisschen Schwund ist ja immer dabei…
Der
eigentliche Clou: Das Ganze bildet die Werbung… äh Einladung zu einem Workshop:
„Diese Stadt hat mir
viel gegeben, und dafür wird der erste öffentliche Workshop von TangoCode zum
symbolischen Preis von 8 Euro für alle angeboten, die daran teilnehmen möchten.
Wer wird reicher, stärker hervorgehen und den Rest des Lebens in der Milonga
glücklich leben.“
So
viel Glücksversprechen für schlappe
8 Euro, da kann man nicht meckern!
Ich
gestehe, als Satiriker völlig
versagt zu haben: Wieso ist mir dieser Text nicht eingefallen? Ob ich dafür
dann 90 „Likes“ und Herzchen
erhalten hätte, wage ich aber zu bezweifeln.
Der
Workshop fand wohl gestern statt. Der Veranstalter
teilte kurz vorher noch mit:
„Ich
werde teilen, was ich weiß, ich werde einige Ideen anbieten und wir werden alle
zusammen denken. Ich hoffe, die Experten kommen und bieten ihren Beitrag. Es
wird eine schöne Erfahrung sein.“
Mit Sicherheit – nur fürchte ich aus meiner
beruflichen Erfahrung: Die Eltern aus den Problemfamilien
werden nicht zur Sprechstunde
kommen.
Bereits im Vorfeld ergab sich eine kleine
Hakelei zu den „Meistern“ (gemeint sind wohl die Münchner Tangolehrer):
„Und ich freue mich
über alle Tango Meister, die mit dem guten Beispiel vorangehen und -tanzen...“
„Wäre schön, wenn die
‚Meister‘ tatsächlich ein Beispiel geben würden.“
„Geht jetzt schon
wieder das Gestänker los? (…) tanzt perfekt in der Ronda, besser du sprichst
diejenigen direkt an, die dich nerven. Er versucht hier eine gute Sache.“
Mein Entschluss, das Ganze zu
veröffentlichen, resultiert aber vom folgenden Dialog zwischen einer Tanguera
und einem Tänzer. Sie schreibt:
„Ach, wäre das schön.
Leider ist die Realität oft eine andere.“
Seine Antwort führt dann zu folgendem Wortwechsel:
„Ich glaube, das kann
gelernt werden! Wenn jeder aufmerksamer ist, wenn jeder freundlicher ist, wenn
jeder mehr auf die anderen achtet, dann geht das! Es ist ein Prozess, aber man
muss ihn anstoßen!“
„Ja, (…), ich finde
den Anstoß auch super und versuche mich daran zu halten. Aber leider erlebe ich
auch viel Arroganz beim Tango und elitäres Gehabe.“
„Was bezeichnest du
als Arroganz und elitäres Gehabe?“
„Wenn ich zum
Beispiel feststelle, dass Männer nur mit bestimmten Frauen tanzen (und
natürlich umgekehrt), die ihrem gefühlten Niveau entsprechen und nicht
durchwechseln beim Tanzen. Wenn ich Tipps lese, wie Frau es vermeidet, von
nicht geschätzten Tänzern aufgefordert zu werden. Wenn manche Leute einen
regelmäßig ignorieren. Oder ich Clips in FB sehe über das vermeintliche
Fehlverhalten von Männern beim Auffordern usw.“
„Ich möchte auf Deine
Punkte gerne einzeln antworten:
- ein Tanguero / eine Tanguera tanzt nur mit bestimmten Leuten.
Ja, das kann vorkommen, muss aber nichts mit den anderen zu tun haben. Es kann z. B. sein, dass man sich selber gerade schlecht fühlt und deshalb nur mit bestimmten Leuten tanzen will. Umgekehrt ist jeder dafür verantwortlich, dass er/sie ordentlich angezogen ist, gut riecht (keinen Knoblauch oder Zwiebeln essen, duschen), sich vielleicht sogar ein gutes Parfum auflegt, dass man sich verbessert, um es dem anderen so angenehm wie möglich zu machen.
- wie Frauen es vermeiden nicht aufgefordert zu werden.
Wenn man nicht mit jemand tanzen möchte, dann muss man das nicht tun.
- wenn manche Leute einen regelmäßig ignorieren
Wenn Du mit diesen Leuten sonst gut klar kommst, sprech sie an, wie gesagt, niemand ist verpflichtet, mit irgendjemand anderem zu tanzen.
- oder ich Clips im Internet sehe über das vermeintliche Fehlverhalten mancher Männer beim Auffordern.
Ein Cabaseo sollte nur durch einen Blick geschehen, alles andere ist aufdringlich und würde ich auch sofort abweisen.“
- ein Tanguero / eine Tanguera tanzt nur mit bestimmten Leuten.
Ja, das kann vorkommen, muss aber nichts mit den anderen zu tun haben. Es kann z. B. sein, dass man sich selber gerade schlecht fühlt und deshalb nur mit bestimmten Leuten tanzen will. Umgekehrt ist jeder dafür verantwortlich, dass er/sie ordentlich angezogen ist, gut riecht (keinen Knoblauch oder Zwiebeln essen, duschen), sich vielleicht sogar ein gutes Parfum auflegt, dass man sich verbessert, um es dem anderen so angenehm wie möglich zu machen.
- wie Frauen es vermeiden nicht aufgefordert zu werden.
Wenn man nicht mit jemand tanzen möchte, dann muss man das nicht tun.
- wenn manche Leute einen regelmäßig ignorieren
Wenn Du mit diesen Leuten sonst gut klar kommst, sprech sie an, wie gesagt, niemand ist verpflichtet, mit irgendjemand anderem zu tanzen.
- oder ich Clips im Internet sehe über das vermeintliche Fehlverhalten mancher Männer beim Auffordern.
Ein Cabaseo sollte nur durch einen Blick geschehen, alles andere ist aufdringlich und würde ich auch sofort abweisen.“
Tja, der berühmte „Cabaseo“… aber man muss
ihn nicht schreiben können, solange er seinen Zweck erfüllt: einem lästige Weiber vom Leib zu halten.
Die Dame hat darauf nicht mehr geantwortet.
Ich kann das gut verstehen. Wenn die Herren der Schöpfung „Mansplaining“ betreiben, tun sie das meist in der Frauensprache. Ich darf mal kurz ins männliche Idiom übersetzen:
Was glaubst du
eigentlich, wer du bist, du dusslige Kuh? Meinst du wirklich, jemand möchte mit
dir tanzen, wenn du so aufsässig daherredest, scheiße aussiehst und nach
Knoblauch stinkst? Beklag dich ruhig mal bei den Tango-Promis, dann wirst schon
sehen, was du davon hast, haha. Und wenn’s dir nicht passt, dann bleib doch
weg!
Zum guten Schluss daher noch ein „Herrklärer"-Video:
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