Das Wort zum Samstag

 

Für den Satiriker gibt es fast keine schlechten Milongas – es sei denn, er findet nicht mal einen Anlass zum Schreiben. Das ist aber ziemlich selten.

Es gibt Paare, die nach dem Betreten des Tanzsaals den Raum füllen: Meist bestehen sie aus einem unglaublich schönen Tanguero mit der Ausstrahlung eines Zuchtebers. Botschaft: „Etwas Wichtiges ist eingetreten: ich!“ In seinem Schatten ein ständig kicherndes und gackerndes Weibchen, dessen akustische Emissionen fallweise die Musik übertönen. Meist suchen sich die beiden gleich Penetrante, mit denen sie, mit dem Rücken zum Parkett, laute und lustige Gespräche führen.

Neulich war es auf einer Milonga mal wieder so weit. Ich warte in solchen Fällen dann darauf, dass die beiden, nachdem die Ego-Show genügend abgefeiert ist, schließlich doch das Parkett betreten. Meist beginnt dann nämlich mein Spaß. So auch diesmal.

Unser Tangostar hackte sich mit viriler Energie entschlossen durch sein Schrittprogramm – allerdings sah ich nach kurzer Zeit zu Karin und fragte: „AT?“ Meine Gattin nickte nur.

Für die Nicht-Tanzsportler: „AT“ ist das Kürzel für „Außer Takt“, eine Feststellung, die in den Augen der Wertungsrichter eine Todsünde bedeutet, welche das Vorrücken in die nächste Wertungsrunde zuverlässig verhindert.

Als ein ziemlich langsamer Vals ertönte, war die Desorentierung perfekt. Ich meinte zu Karin: „Wenn’s ihn stört, kann man ja die Musik ausmachen.“

Dann erinnerte ich meine Frau an einen Satz, den sie einmal von einem Konzertmeister gehört hatte, der zum Dirigenten sagte:

„Was wir jetzt halt bräuchten, wäre eine klare Eins.“

Illustration: www.tangofish.de

 

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