Cambalache – Trödelladen

Bei meinen Recherchen zu Tango-Podcasts stieß ich noch einmal auf die österreichische Seite „Cabeceo Podcast – Gespräche über den Tango argentino“ von Heinz Duschanek. Seit Januar 2023 werden dort monatliche Beiträge veröffentlicht.

Vor einiger Zeit habe ich ein Beispiel besprochen und war eher nicht angetan:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2023/08/verschwurbeltes-aus-der-altherren-liga.html

Ich habe nun redlich versucht, noch andere Veröffentlichungen anzuhören. Und das zieht sich, denn unter einer Stunde macht es der Herausgeber selten. Und ich soll mir von Leuten, die ich nicht kenne und die mich nicht interessieren, anhören, wie sie zum Tango gefunden haben. Ach, echt… nö.

Dann habe ich aber etwas Spannenderes entdeckt: Neuerdings betreibt Heinz Duschanek auch einen Online-Shop, in dem man Devotionalien zum Tango erwerben kann. Eine lettische Firma druckt sie auf Bestellung – sozusagen „Print on Demand“.

Die Angebote stellen bestes Satire-Material dar, da es auf den verschiedenen Produkten stets etwas über den Tango zu lesen gibt.

Toll finde ich schon mal die Edelstahl-Trinkflasche mit der Aufschrift: „Mir reicht’s. Ich gehe Tango-Tanzen“. Dieses Accessoire kann der preisbewusste Tangomensch sicherlich in jeder Milonga auf dem Klo befüllen und so Kosten sparen. Der Preis von 23,20 € (plus Versandkosten) sollte sich daher bald amortisieren! (Die kleine Rechtschreibschwäche übersehen wir gnädig.)

Für die zeitlose Tänzerin gibt es das Motto-T-Shirt „Which time is it? It is Tango Time!“ Oder man liest schlicht „Tanguera“ – kann ja in Zweifelsfällen durchaus nützlich sein. Wählbar ist auch der Herkunftsnachweis „Buenos Aires Tango Dancer“ – da weiß man doch gleich, mit wem man es zu tun hat! Die feministisch eingestellte Frau kann sich mit der Parole „It is Lead & Follow – It is not Master & Slave“ outen. Ob man damit Zutritt bei Encuentros hat, sei dahingestellt.

Wer die Leidenschaft lebt, kann das mit „Vivo la Pasión“ bekennen.

Schön ist ebenfalls eine „Tango Dancer Anleitung“ als T-Shirt oder Mousepad mit einer ganzen Reihe von Aufdrucken im Stil eines Waschzettels: „100 % Abrazo – 0 % Pressure“. Weiter geht es in Inglisch (von mir übersetzt): „100 % Aha-Erlebnis, Bewusstsein, Musikalität, Rhythmusgefühl. Korrektes Betreten der Pista ist beabsichtigt. Spurwechsel werden tunlichst vermieden.“ Und: „Dancing will vary with the tanda.“ Das allerdings glaube ich bei solchen Voraussetzungen nicht!

Auch Tango-Taschen kann man erwerben. Die eine enthält laut Aufschrift „60 % Tango, 20 % Vals, 20 % Milonga“ sowie eventuell „Spuren von Cortina“. Auf der anderen wird nur die Tango-Dreifaltigkeit „Mirada, Cabeceo, Abrazo“ beschworen.

„No Tango, no Life“ kann man auf Tassen, Aufklebern und Untersetzern lesen – im fortgeschrittenen Alter sicherlich ein Trost!

Auf zwei weiteren T-Shirts kann man sich wahlweise dagegen wenden, dem Führenden oder Folgenden die Schuld zu geben. Wahrscheinlich sollte man beide übereinander tragen. Mittels weiterer Produkte erfahren wir, dass Tango keine Sünde sei (was ich so pauschal bezweifle): „A Tanda to kill for“. Wohl wahr – da fallen mir viele ein!

Und wir lernen endlich die wahre Definition des Tango kennen:

„Der Ausdruck von Liebe und Sehnsucht durch leidenschaftliche Bewegung zusammen mit einer anderen umschlungenen Seele in gemeinsamer Achtsamkeit“

Da reizt es mich, frei nach Tucholsky zu fragen: „Woher beziehen Sie Ihre Lyrik, mein Herr?“

Schön finde ich auch: „If you can read this, I am not dancing this Tanda“.

Der Vorteil solcher Bekenntnisse auf weiblicher Oberbekleidung ist ja, dass der Mann endlich einmal ungehindert glotzen kann. Schließlich interessiert ihn ja der Text! Und man kann per Lektüre auch langweilige Tänze überstehen. Vielleicht lasse ich mir mal ein Hemdchen mit der Aufschrift drucken:

„If I read your T-Shirt, you're dancing boringly!“

Alle Aufschriften müssen natürlich kompatibel mit dem Tango-Mainstream sein. Daher wird man den Text „I like Piazzolla“ vergeblich suchen.

Hier geht es zu den Bildern:

https://shop.cabeceo.at/shop/

Warum dieser Shop? Heinz Duschanek gibt eine ehrliche Antwort: „Der Betrieb eines Podcasts verschafft mir große Freude, verursacht aber neben dem Aufwand auch Kosten. Um den Podcast finanzieren zu können, entstand die Idee, Tango-bezogene Alltagsprodukte in einem Onlineshop anzubieten.“

https://shop.cabeceo.at/ueber-den-shop/

Oh Mann, was hätte ich da mit den fast 1700 Beiträgen auf meinem Blog schon verdienen können!

Toll finde ich auch ein Video, in dem diverse Miezen im tangotypischen Durchschnittsalter die Produkte mit seelenvollem Blick verkaufen:

https://www.youtube.com/watch?v=GkLy1KiB4uI&t=2s

Aber es gibt auch schöne, wenngleich telefonierende Männer:

https://www.youtube.com/watch?v=b4-HISn1PGE&list=PLOjKFECrJt_Yx5SZ8cmoV89NRgHw3lN7f

https://www.youtube.com/watch?v=HO-Emd2tiOI&list=PLOjKFECrJt_Yx5SZ8cmoV89NRgHw3lN7f&index=2

Ich frage mich nur, ob man nicht lieber Dinge anbieten sollte, welche dem „Best Ager“ im Tango näher liegen, beispielsweise Stützstrümpfe, Rheumadecken und Inkontinenzmaterial. Letzteres vielleicht mit dem Aufdruck „Im Fluss der Ronda tanzen.“

Im Ernst: Wie weit wollen wir die Kommerzialisierung des Tango noch treiben? Brauchen wir diesen ganzen Schnack? Mich erinnert das an „Cambalache“, wo Enrique Santos Discépolo schon 1934 schrieb:

Igual que en la vidriera irrespetuosa

de los cambalaches

se ha mezclao la vida

y herida por un sable sin remache

ves llorar la Biblia

contra un calefon.“

 

„Genau wie im respektlosen Schaufenster

des Tauschhandels

ist das Leben durcheinandergeraten

und verwundet von einem Säbel ohne Niete

siehst du die Bibel weinen

neben einem Wasserkocher.“

https://letrasdetango.wordpress.com/2011/02/15/cambalache/

 

https://www.youtube.com/watch?v=aKnQP6zZqEc

Kommentare

  1. Danke für die ausführliche Präsentation meiner Tango-Merchandise Artikel, damit hatte ich nun in dieser Ausführlichkeit nicht gerechnet.

    Schade, dass alle meine Podcast-Gäste uninteressant für Sie sind. Sie dürften zudem nicht über die Eröffnungsfrage hinaus zugehört haben.

    Wird vielleicht noch, man darf ja hoffen.

    Und Danke für die Idee mit "I like Piazzolla". Da werde ich glatt etwas damit machen, selbst wenn dadurch wieder ein unnötiges T-Shirt mehr auf der Welt sein wird. Das mit dem „Im Fluss der Ronda tanzen.“ auf einer Windel werde ich aber besser bleiben lassen.

    Herzliche Grüße aus Wien

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    1. Lieber Heinz Duschanek,

      keine Ursache – hat mir Spaß gemacht! Und Sie wissen ja: Besser eine schlechte Werbung als gar keine.

      Ich habe ja einen der Podcasts ausführlich besprochen. Vielleicht mache ich das auch nochmal. Aber tatsächlich finde ich die einleitenden Bemerkungen nicht interessant. Zum Beispiel: „Vera Weber besucht seit vielen Jahren regelmäßig weltweit Milongas.“ So what?

      Warum spricht man nicht ein spannendes, konträres Problem an? Dann würde ich mir das anhören.

      Prima, dass ich Sie mit dem Piazzolla-T-Shirt auf eine Idee gebracht habe. Sollten Sie es tatsächlich anbieten, werde ich mir eins bestellen.

      Beste Grüße nach Wien!
      Gerhard Riedl

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    2. Besser geht immer, stimmt. Wobei ... so viele Menschen, die tatsächlich weltweit Milongas besuchen (Amerika, Asien, Europa) gibt es nun auch wieder nicht. Allerdings steht in der konkreten Episode eher die Tatsache im Vordergrund, dass Frau Weber in höherem Alter dem Tango weiterhin zugetan, und als Partnerin auch bei Maestros in Buenos Aires sehr beliebt ist.

      Das Gute ist ja, es ist mein Podcast, und den gestalte ich nach meiner Vorstellung. Das wird sich nicht ändern.

      Allerdings denke ich immer über kritische Feedbacks nach, inwieweit sie für mich stimmig sind. Ihre Anmerkungen können also bei kommenden Episoden durchaus ihren Niederschlag finden. Oder auch nicht. Wer weiß.

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    3. Lieber Heinz Duschanek,

      da stimmen wir völlig überein: Wir gestalten beide unsere Seiten so, wie wir es für richtig halten. Auch wenn dann Leute schreiben, wir hätten keine Ahnung.
      Was Sie über den Podcast mit Vera Weber berichten, klingt schon mal interessanter als die Original-Ankündigung. Aber wenn ich dann von den "Maestros in Buenos Aires" lese, ahne ich schon wieder, wohin die Reise gehen dürfte...
      Aber gut - ich werde mir diesen Beitrag in Gänze anhören. Vielleicht schreibe ich auch etwas dazu.

      Beste Grüße
      Gerhard Riedl

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  2. Sehr geehrter Herr Riedl, tanzen Sie Tango? Wenn ja: bin ich über Ihren Bericht verwundert. Wenn nein: schreiben Sie über ein Thema wovon Sie null Ahnung haben.Mit besten Grüßen aus Wien, Isabelle

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    1. Liebe Isabelle,
      können Sie lesen? Wenn ja, bin ich über Ihre Frage verwundert. Schon auf der Sidebar meines Blogs (links) können Sie meine biografischen Angaben erfahren.
      Weiterhin würde ich es begrüßen, wenn Sie mit vollem Namen kommentieren würden (auch das wäre zu lesen gewesen). Dann könnte ich eventuell herausfinden, wovon Sie Ahnung haben.
      Beste Grüße nach Wien
      Gerhard Riedl

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