Der Tanz der toten Hosen
Tote Hose ist eine ursprünglich der Jugendsprache entstammende Redewendung und bedeutet: Ereignislosigkeit oder Schwunglosigkeit. Mit dieser Redewendung wird auch die männliche Impotenz beschrieben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_Hose
Nach meinen Kenntnissen ist „Gerhards Tango Report“ derzeit das einzige deutschsprachige Blog, in dem regelmäßig und in großer Anzahl Artikel zu unserem Tanz und auch gesellschaftlichen Entwicklungen erscheinen.
Im Juli sind es schon 7 Texte, im Monat davor waren es 20, im laufenden Jahr bislang 127.
Manche werden vermuten, dass ich diesen Monopol-Zustand als ideal ansehe. Das ist aber mitnichten der Fall!
Ich finde es beispielsweise jammerschade, dass Thomas Kröter das Bloggen eingestellt hat – sein letzter Artikel erschien Anfang 2022. Ich fand seine differenzierten und kenntnisreichen Darstellungen stets lesenswert.
Auch Kollege Cassiel hat seine Veröffentlichungen fast eingestellt. Sein letzter Artikel datiert vom November 2022, und auch das Jahr davor gab es nur einen einzigen Beitrag.
https://tangoplauderei.blogspot.com/
Dies bedauere ich ebenfalls, da seine Texte und meine Stellungnahmen dazu ganz gut die Gegensätze umschrieben, mit denen wir es im Tango zu tun haben.
Auch bei Melina Sedó rührt sich nicht mehr viel: Im laufenden Jahr hat es genau zu einem Artikel gereicht.
https://melinas-two-cent.blogspot.com/
Auch von Edgar Franzmann hört man gar nix mehr – sein Blog „Abrazos“ kann man nicht einmal mehr aufrufen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Edgar_Franzmann
Ebenso tot präsentieren sich die „Berlin Tango Vibes“, welche eine Zeitlang für viel Furore sorgten und eine große Zahl spannender Texte produzierten. Wahrscheinlich haben die schreibenden Damen zu spät bemerkt, dass es sich bei ihrem Titel um einen Widerspruch in sich handelte.
So gut wie nichts mehr liest man seit längerer Zeit von Alessandra Seitz. Ich fürchte, ihr hat Corona die Laune gründlich verhagelt.
Dem Tangolehrer Klaus Wendel gelang mit seinem „Tango Compas“ 2021 ein viel umjubelter Start. Von diesem Jahr datiert leider auch der letzte seiner insgesamt 10 Beiträge – obwohl er mir erst jüngst ankündigte, einen „gepfefferten“ Artikel über mich zu schreiben. Bislang leider tote Hose…
https://www.tangocompas.co/herzlich-willkommen-bei-tangocompas-co-dem-neuen-tango-blog/
Auch „Helges Tango Blog“ startete vor einem Jahr mit einer Reihe interessanter Beiträge. Inzwischen ist mehr als ein Text pro Monat offenbar nicht mehr drin. Da ist, so befürchte ich, der Niedergang nicht mehr fern – zumal Helge Schütt sich inzwischen mehr damit beschäftigt, auf Facebook immer wieder den Grünen eins draufzugeben. Na gut, jeder hat andere Schwerpunkte…
https://helgestangoblog.blogspot.com/
Einzig und allein Jochen Lüders gelingt es auch aktuell immer wieder, sich zu Tangothemen zu äußern. Prima, weiter so! Und ich liefere ihm gerne auch in Zukunft Gelegenheit, seinen Lesern die Abartigkeit meiner Tango-Vorstellungen zu erklären. Einer muss es ja machen!
Ich habe schon viele Tangoblogs entstehen – und fast alle auch wieder sterben sehen. Woran liegt das?
Sagen wir so: Es ist nicht allzu schwierig, ein paar Ideen zum Tango, die man schon jahrelang mit sich herumträgt, in einigen Artikeln zu verwursten. Da im Tango die Schwelle, ab der man für genial gehalten wird, ziemlich niedrig liegt, erregt man durchaus primäre Aufmerksamkeit. Und sollte man sich gar zum konservativen Tango bekennen, ist der Jubel groß, denn die Szene wartet seit Jahren auf einen neuen Cassiel, auf dass dieser die Welt wieder ins rechte Lot bringe.
Nun ist das mit dem Warten auf Propheten so eine Sache – da kann man oft jahrzehntelang vergeblich fasten und beten. Und wenn man Pech hat, erscheint dann ein falscher.
Was die meisten Blogger nicht bedenken: Um erfolgreich zu sein, sollte man sich schon ein paar Stunden täglich Zeit nehmen. Dabei ist das Schreiben eines Textes noch das Wenigste – viel zeitraubender ist es, ständig das Internet zu durchforsten, neue Trends, herrliches Gezanke und brillanten Blödsinn aufzuspüren. Und vor allem: Die Tatsachen gewissenhaft und genau zu recherchieren. Der schönste Gag hilft nichts, wenn er auf fraglichen Fakten basiert.
Weiterhin muss man Kontakt mit den Leserinnen und
Lesern halten, Anfragen und Kommentare beantworten, die Artikel auf Facebook bewerben
– und sich immer wieder gegen falsche Tatsachenbehauptungen und Verdächtigungen
wehren. Und man darf bei Beschimpfungen nicht in Selbstzweifel verfallen.
Was ich ebenfalls dringend ans Herz lege: Ein gutes Deutsch zeigt Respekt vor dem Leser, da es der Verständlichkeit dient. Und man sollte nicht grundlos meinen, die eigenen Kenntnisse reichten dafür aus, sondern jemanden suchen, der die Artikel fachkundig lektoriert.
Ah ja, und haben Sie einen, der sich um das Layout und die Illustrationen kümmert? Und der Ihnen bei Software-Problemen hilft?
Was ich fast vergessen hätte: Das Ganze sollten Sie schon einige Jahre durchhalten, bis sich ein merklicher Erfolg einstellt!
Wer das alles ausprobiert, merkt schnell, dass es wesentlich einfacher ist, in den sozialen Medien einen rotzigen Zwei-Zeilen-Kommentar zu hinterlassen. Oder auf Facebook ständig nur das geistige Eigentum Dritter zu verlinken. Bringt auch genügend Likes.
Die Entwicklung der letzten 15 Jahre stellt sich mir so dar: Lange Zeit bestimmten Leute wie Melina Sedó und vor allem Cassiel, was man im Tango zu denken hatte. Die Szene folgte ihnen in einem Ausmaß, das ich oft gruselig fand.
Mit den Jahren erhoben sich aber unabhängige Stimmen mit durchaus vielgestaltigen und differenzierten Sichtweisen, was der Diskussion im Tango sehr guttat. Obwohl es viele heftige Debatten und Zerwürfnisse nicht gebraucht hätte.
Momentan wird weniger diskutiert denn ignoriert. Und man greift Gegner heimlich in Heckenschützen-Manier an. Das wird den Ruf des Tangos sicherlich festigen!
Seit einiger Zeit nun nimmt mein Blog eine Art Monopolstellung ein, welche ich ebenso bedaure. Wer aber erwartet, er könne bei mir in geistiger Untermiete hausen, irrt. Denkt selber, sonst tun es andere für euch!
Und es reicht doch, wenn wir auf den Tanzflächen viele tote Hosen erblicken – es muss doch nicht auch noch in den Blogs sein!
P.S. Immerhin schön, dass die „Toten Hosen" einen meiner Lieblingstangos spielen:
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