Los Milonguitas

 

Die muntere Truppe habe ich schon länger auf dem Schirm und daher in Pörnbach aufgelegt – sie bildet wahrlich den lebenden Gegenbeweis zu der Behauptung, heutige Tangomusiker kämen nicht an die Spielweise der „großen Orchester“ heran.

Seit 2014 gibt es sie als Trio: den Ausnahme-Pianisten Pablo Murgier, der auch wunderbare Eigenkompositionen beisteuert, den großartigen Sebastian Noya am Kontrabass und einen der besten Bandoneonspieler, die ich je gehört habe: Simone Tolomeo. Inzwischen haben sie sich durch den Geiger Karl Espegard zum Quartett ergänzt. Und bei diesem Musiker kann ich mich auf das fachliche Urteil meiner Gattin verlassen: schlichtweg überirdisch!

http://losmilonguitas.com/biografia

Gestern durfte ich zur Musik dieser exzellenten Formation wieder einmal live tanzen. Oder eigentlich doch nicht. Doch davon später mehr.

Das erste Stück der Gruppe, das mir schon lange nicht mehr aus dem Ohr und den Beinen geht, ist der Klassiker „Mariposita“, den ich schon einmal besprochen habe:

http://milongafuehrer.blogspot.com/2019/01/mariposita.html

Vor fast drei Jahren haben wir die Version von „Los Milonguitas“ schon einmal einer „Tanzbarkeits-Prüfung“ unterzogen und ein kleines Video gedreht:

http://milongafuehrer.blogspot.com/2018/12/tanzbarkeits-prufung.html

So, nun sind aber Sie dran – also Teppich wegrollen und die Musik starten:


https://www.youtube.com/watch?v=d_YinC2EjJk

Was gute moderne Tangoensembles auszeichnet, ist vor allem die Energie, mit der sie das Parkett fluten. Als Beispiel die Kracher-Milonga „De pura cepa“ (von José Ceglie und Osvaldo Sosa Cordero) – ebenfalls ein Klassiker aus den Dreißigern. Und „urwüchsig“ – so der Titel – klingt das Stück durchaus:

https://www.youtube.com/watch?v=AIbJtwgbZ9s

Die „Milonguitas“ können aber auch Walzer – hier die Eigenkomposition des Bandoneon-Virtuosen Simone Tolomeo: „Flor de Sena“. Dieses Video besticht auch durch die tänzerische Inspiration von „LOS GUARDIOLA“: Marcelo Guardiola und Giorgia Marchiori. Ja, so kann man moderne Tangomusik optimal präsentieren!

https://www.youtube.com/watch?v=CarzvdHfer4

Womit ich beim aktuellen Thema bin: Gestern Abend hat man das leider nicht geschafft. Klar, der Chef war kurzfristig erkrankt – da hat man zunächst von Herzen gute Besserung zu wünschen und sollte über kleinere Unzulänglichkeiten hinwegsehen. Aber ich fürchte, die Ursachen liegen tiefer:

Es fängt schon damit an, dass man zum Prüfen der Corona-Tauglichkeit sowie zum Kartenverkauf nicht unbedingt auf die Kompetenzstufe „Berliner Wahlhelfer“ zurückgreifen sollte und so die Gäste zwingt, eine halbe Stunde vor der Tür zu verbringen.

Keine gute Idee war es auch, als Ersatz für den genial auflegenden Chef eine Dame hinter den Apple zu setzen, welche die großartige Livemusik mit üblichem EdO-Schmus überbrückte. Man lässt bei einem Mendelssohn-Konzert ja auch nicht zwischen den Sätzen Heino singen.

Und wenn man längere Wortbeiträge als nötig erachtet, sollte man vielleicht einen Moderator verpflichten, der gute Texte schreibt und die überzeugend herüberbringt. Der hätte dann wohl auch das ziemlich dick aufgestrichene Selbstlob ein wenig reduziert.

Vor allem aber war ich ziemlich entsetzt darüber, mit wie vielen Gästen man den Saal füllte. Gerade unter „3G“-Bedingungen minderte das meine Nervosität nicht direkt. Aber auch ohne Corona bräuchte ich halt Platz, um diese differenzierte und spannende Musik zu interpretieren.

Klar – wenn man im Münchner Tango-Umfeld navigieren könnte, hätte die Fläche eventuell gereicht. Aber als Veranstalter muss man doch seine Kundschaft kennen: Die tritt inzwischen weitgehend auf der Stelle – für die heutigen Zustände im Tango eine schöne Metapher…

Daher hätte ich gerne das Doppelte für eine Karte bezahlt, wenn man mir damit ermöglicht hätte, das zu tun, was ja versprochen war: zu tanzen anstatt auf einem Fleck herumhampeln zu müssen.

Gut – wenn man mal Pech hat, kommt noch Unglück hinzu. Nur muss man dann die Fehler ehrlich analysieren und Konzepte entsprechend ändern. Und es liegt wohl an meinem Alter, dass ich solche „Massenauftriebe“ mehr und mehr meide. Da tanze ich zur Musik von „Los Milonguitas“ lieber im Pörnbacher Wohnzimmer. Da ist mehr Platz.

Schließen wir mit dem Erfreulichen, der Musik! Was mir gestern Abend auffiel: Neben Cover-Versionen der Klassiker boten die Musiker auch Eigenkompositionen, die ziemlich sperrig und abgedreht wirkten. Was mich dabei tröstete: Gerade für solche Stücke gab es frenetischen Applaus.

Fazit: Ja, es gäbe ein Publikum für Tango des 21. Jahrhunderts! Man müsste es nur besser erreichen vor allem, indem man künstlerische Leistungen optimal präsentiert.

Als Beispiel hier noch die Komposition des Pianisten Pablo Murgier: „El Campanario“

https://www.youtube.com/watch?v=CZ-Qr1zQmHk

Kommentare

  1. ein paar gedanken dazu. davon, dass man die musik dieser musiker im kleinen rahmen mit viel platz abspielt, können die musiker leider nicht leben. es sagt sich leicht, man hätte gern auch das doppelte bezahlt, du und deine frau allein würde aber nicht reichen. wie wäre es also wenn du eine konzertreihe organisieren würdest mit viel platz zum tanzen?

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    1. Tue ich ja. In Pörnbach gibt es immer wieder Livemusik.

      Im Übrigen ist Tango bei uns kein "Tanz der armen Leute". Viele Besucher könnten sich höhere Eintrittsgelder locker leisten. Gestern kostete der Eintritt beispielsweise 22 Euro. Die Menschen rennen zu Zehntausenden in Popkonzerte, für die sie 40 und mehr Euro löhnen.

      Und sicherlich sollte man "Sozialtarife" anbieten: Wer diese Summen nicht bezahlen kann, könnte sich doch beispielsweise stattdessen an die Kasse setzen oder sonstwie organisatorisch arbeiten. Dann würden auch die Warteschlangen kürzer.

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