Der Rambo und sein Blogger


„Ich habe nichts gegen Nepotismus, so lange es in der Familie bleibt.“
(Florian Erdle, Pfaffenhofener Kabarettist)

Um es gleich zu sagen: Ich bin stinksauer! Und das wird sich auch so schnell nicht legen.

Worum geht es?

Ein Artikel, den ich Anfang Oktober schrieb, wird mich wohl weiterhin verfolgen: Unter dem Titel „Eine Karikatur des Patriarchats“ berichtete ich – immerhin mit Berufung auf die „New York Times“ über eine Gruppe von Tango-Feministinnen aus Buenos Aires, welche finden, Frauen würden im Tango benachteiligt.

Längere Zeit hatte ich danach eine Gruppe von Berliner Herren an der Backe, die mich deshalb – auf der Facebook-Seite meines Kollegen Thomas Kröter – scharf kritisierten. Er selber nahm mich kaum in Schutz, im Gegenteil.

Bei Weitem am schlimmsten trieb es dabei der Berliner Tangolehrer und Musiker Pablo Fernandez Gomez (selber aus Chile stammend). Ohne dass ich ihn irgendwie angesprochen oder gar attackiert hatte, stieg er gleich mit der Brechstange ein:

„Gerhard Riedl, ich habe leider deinen Artikel gelesen... traurig... peinlich... lächerlich... kann mich nicht für ein Wort entscheiden!! Wie schon viele da herum sagen: ‚Der ist nur einer der nichts mehr zu tun hat und will noch glauben dass er etwas noch zu beitragen hat... zwar online...‘. Kein einziges Argument dass man nicht ganz leicht abreißen könnte. Also ich hatte recht! Du hast keine echten Argumente! Danke, dass du es uns allen gerade aufgeklärt hast ;) (….) Es tut mir irgendwie auch leid... es ist etwas traurig dass jemand mit den Jahren so wird, oder warst du immer so? ... Trotzdem verstehe ich, dass du nichts mehr zu tun hast.“

Umgehend legte er nach:

„Hallo, Gerardito, ich spreche zu dir, ja, ich spreche zu dir. Kennst du den Unterschied zwischen ‚macho‘ und ‚machista‘? Wie weit geht deine Kultur? Willst du die Party fortsetzen oder ziehst du dich mit dem Schwanz zwischen deinen Beinen zurück? Weißt du was das bedeutet? Oder bist du verwirrt?"
(FB-Post von Thomas Kröter, 14.10.19, von mir aus dem Spanischen übersetzt)

Auch auf meinem Blog kommentierte er:

„Hey Gerdi, Langeweile wieder? Herr Gomez meldet sich.
(…)
5. Wenn alles in Tango so schlecht ist. Warum gehst du nicht einfach lieber weg? Weiss nicht... vielleicht Salsa tanzen oder Kizomba... keine Ahnung, da wo es Gleichberechtigung gibt?
6. Hast du dich mal gefragt ob du vielleicht angefangen hast Probleme zu suchen die es gar nicht gibt? Vielleicht weil du sonst keine Themen zum schreiben hast?
(…)
Damit du stolz drauf sein kannst, heute und noch für viele Jahre: Pablo Fernandez Gomez wird dieses Kommentar auf dein Blog gleich kopieren. So musst du das nicht selbst machen und hast du etwas zum erzählen!“

Von Thomas Kröter zu alledem kein Wort…

Den Höhepunkt guten Benehmens lieferte Herr Gomez dann bei einem FB-Kommentar (ebenfalls auf Kröters Account) zu einer Bondage-Vorführung auf einer Berliner Milonga:

„Das ist einfach Scheisse. Egal ob Mann oder Frau. Wollen diese Loft-Bestien das machen? Dann gut, aber nicht als Tango präsentieren!! (…)
Das ist KRANK. Aber hier sagen wenige etwas. Wenn es um Gerdi geht dann sind alle dran (ich sehr gerne), aber hier? Findet ihr das in Ordnung? Seid ihr alle einverstanden, das hier wie eine Tangoveranstaltung zu zustimmen?
Was ist mit euch so falsch in Deutschland?! Bitte Thomas Kröter, zeig mir bitte andere Länder, wo es auch so ist. Das bitte ich dich ehrlich, ohne Scherz. Dann würde mich beruhigen.
Ich lebe seit ein paar Jahren in Deutschland, und langsam schäme ich mich schon, wenn mich Leute fragen wo ich lebe.“

Ich habe mir dann erlaubt, diese Ausdrucksweise neben einen Ankündigungstext zur Ausstellung „Entartete Kunst“ von 1937 zu stellen.    

Kollege Kröter meinte dazu lediglich, auf Nazi-Vergleichen liege kein Segen.
Seither ist allerdings Ruhe.

Am 1.11.19 durfte ich dann einen Artikel auf Kröters Blog lesen, in dem er sich deutlich von mir (!) distanzierte:
„Aber zwischen uns beiden tut sich eine immer größere Distanz auf. Falls jemand unser publizistisches Schaffen vergleichend verfolgt haben sollte, dürfte ihm oder ihr die Abkühlung in unserem Umgang miteinander aufgefallen sein.“

Heute nun macht der Kollege mit einem sehr positiven Text über Pablo Fernandez Gomez und seine Partnerin Ludmila auf. Lediglich am Schluss verweist er auf die frühere Affäre. Die beiden gehörten halt zu den „Konservativen“:

„Pablo scheut auf Facebook keine Debatte. Ob es nun um feministische Initiativen in der Tangoszene von Buenos Aires geht oder der Auftritt eines weiblichen Bondage-Paares im Berliner Tangoloft – stets meldet er sich wortgewaltig zu Wort. Nachzulesen unter anderem in meiner FB-Chronik sowie den entsprechenden Blog-Artikeln von Gerhard Riedl.  http://milongafuehrer.blogspot.com Wenn er so richtig polemisch loslegt, gehen ihm immer wieder rhetorisch die Gäule durch. Freundlich formuliert. Aber ich muss gestehen: Ich mag ihn trotzdem.“

Ich nicht. Für mich gehört zu einem Tanguero – und erst recht zu einem, der Tangueros ausbildet, eine erwachsene Persönlichkeit und nicht pubertäres Gehabe.

„Die Männer vergessen, sich wie echte Männer zu benehmen“, zitiert Thomas den Pablo. Da haben beide mal recht.

Aber gut, dass Thomas nur allgemein auf meinem Blog verlinkt hat – bei den annähernd tausend Veröffentlichungen wird dann schon keiner die heißen Zitate finden…

Arnold Voss kommentiert die verbalen Räucherstäbchen dann gleich richtig:

„Ja, die beiden sind ein ganz besonderes Paar und Pablo ein streitbarer Geist, dem seine eigene Überzeugung wichtiger ist als der Applaus.“

Kann wohl nicht jeder von sich sagen: Nebenbei erfahre ich, dass Thomas Kröter bereits im Heft 3/2019 der Zeitschrift „Tangodanza“ einen Artikel über Pablo und Ludmila veröffentlicht hat (im Kern identisch mit dem heutigen Text).

Und damit bekommt die Geschichte mehr als ein „Gschmäckle“ – nein, sie stinkt zum Himmel:

Ich kann noch hinnehmen, dass man die künstlerische Leistung von Menschen goutiert, obwohl sie sich in den sozialen Medien oder privat verbal schlimme Ausfälle leisten. Mein Fall wäre schon das nicht.

Hier aber drängt sich doch der Verdacht auf, Kröter wollte jemanden schonen, über den er halt schon positiv geschrieben hatte und wohl auch damals schon beabsichtigte, dies auf seinem Blog zu erweitern. Und so bleibt man auch gern gesehener Autor bei der „Tangodanza“ (ich weiß ziemlich genau, wovon ich da spreche).

Selber habe ich dagegen schon öfters bewiesen, dass ich auf den Seiten, welche ich zu verantworten habe, üble Kommentare über andere nicht dulde – ob ich die Opfer nun persönlich schätze oder nicht. So geht man bei mir mit niemandem um – ausgeschlossen!

Ich habe auch schon Schreibern deutlich widersprochen, die zu den Stammgästen auf der Pörnbacher Milonga gehören. Es geht um das, was gesagt wird – und nicht, wer es äußert.

Und wenn ich jemanden rezensiere, dann hängt das Ergebnis nicht von irgendwelchen persönlichen Bekanntschaften oder einem Veröffentlichungs-Zweck ab – dass wir uns da ganz klar verstehen…

Daher wird dieses Blog weiterhin auf absoluter Unabhängigkeit basieren – Nepotismus jeglicher Art gibt es hier nicht und wird es niemals geben.

Folglich möchte ich Pablo und Ludmila auch hier die Gelegenheit einräumen, ihre künstlerische Seite darzustellen – auch, wenn Herr Gomez mir diese Chance nie gegeben hat:

Kommentare

  1. Thomas Kröter hat jetzt meinen Artikel auf seiner FB-Seite verlinkt und meint, ich hätte die „Berliner Blase enttarnt“. Davon habe ich nie gesprochen. Mir ging es lediglich um seine Rolle beim Hochjubeln eines ziemlich dubiosen „Tangostars“.

    Thematisch ziemlich daneben wirft er nun die Frage auf, wieso ich seinen Artikel in der „Tangodanza“ nicht schon längst gekannt hätte. Ich lese das Blatt halt nicht regelmäßig – und wenn: Welchen Unterschied hätte das gemacht – außer, dass ich mich dann schon vor zwei Monaten geärgert hätte?

    Auch die Kommentatoren auf seiner Seite übertreffen sich gegenseitig in Themaverfehlungen. So meint Christian Birkholz, mir ungenügende Recherchen vorwerfen zu sollen. Das Gegenteil trifft zu: Den obigen Artikel konnte ich nur auf Grund meiner Nachforschungen schreiben.

    Weiterhin arbeitet er sich an zwei anderen Artikeln von mir ab, welche mit dem Thema genau nichts zu tun haben, und bespricht Videos zweier Milongas (in Berlin und Buenos Aires) sowie einen Film über Seilakrobatik.

    Christian Paschen schreibt: „Der selbsternannte Hüter des fragwürdigen Geschmacks duldet keine anderen Geschmäcker...“

    Tja…

    Es ist schon sehr aufschlussreich, wenn sich nun alle um das Thema meines Artikels herumdrücken: Wieviel Vetterleswirtschaft verträgt der Tango? Kann jemand, den man positiv rezensiert hat, anschließend nichts mehr falsch machen? Unterlässt man es dann, seine unsäglichen Angriffe auf Dritte zurückzuweisen?

    Darüber würde ich gerne diskutieren, nur fürchte ich: Dazu haben die Herren alle keine Lust!

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  2. Das Youtube-Video von Pablo zeigt tolle Technik komplett ohne Emotion. Herrchen dressiert sein (weibliches) Hündchen. Das ist für mich nicht Tango.
    Frank Becker

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    1. Lieber Frank Becker,

      mir gefällt der Tanz auch nicht sonderlich: tolle Technik, aber schon sehr abgehackt und „gewaltsam“ seitens des Tänzers.

      Allerdings bitte ich, zukünftig Tiervergleiche zu unterlassen. Das ist nicht der Stil dieses Blogs.

      Und: Für mich ist das natürlich Tango – halt eine Variante, welche mich nicht besonders anspricht.

      Beste Grüße
      Gerhard Riedl

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  3. Wow, nun hat sich zu meinem Text sogar Kollege Cassiel aus der Blogger-Gruft vernehmen lassen!
    Auf der FB-Seite von Thomas Kröter schrieb er gerade:

    „… oh je … so dann und wann fragt jemand mal vorsichtig per E-Mail an, warum ich so selten schreibe. Der Artikel von Gerhard ist eine – wie ich finde – sehr gute Motivation für mein Nicht-Schreiben. Oder wie es die Briten vornehm formulieren: ‚Never argue with a fool … people might not see the difference‘.“

    Ach, den Unterschied würde man schon erkennen…

    Aber – die Träne quillt – nun hab ich’s endlich schriftlich vom Autor persönlich: Er schreibt wegen meines Blogs nicht mehr! Sondern liest meinen!

    Dass ich das noch erleben darf… Ich glaube, heut Abend ist eine Flasche Sekt fällig!

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  4. Ich verstehe den ganzen Hick-Hack um das Thema nicht so richtig, wenn im normalen gesellschaftlichen wie auch beruflichen Leben, schon in unseren liberalen europäischen Gesellschaftsformen, die Frauen benachteiligt sind, warum sollte es dann beim Tanz anders sein ? Auch ganz klar, daß ein matchogeprägte Südamerikanische Gesellschaftsform ihren Stand verteidigen muß, obwohl dort ohne Frauen wahrscheinlich gar nichts laufen würde....und zum Tanz...einstudiert ohne "Corazon". abgetanzt. Vielleicht sollte sich Pablo & Ludmilla einfach mal einem Wettbewerb in BA stellen um ihren Wert einzuordnen.

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  5. Ja, klar, die Benachteiligung von Frauen findet auch in unserer Gesellschaft nicht nur im Tango statt. Und in Südamerika läuft es noch mehrere Nummern gröber.

    Daher ist es mir immer unverständlich gewesen, dass man in unserem Tanz so penetrant auf die uralten Rituale pocht - aus Zeiten, wo die Frauen noch weniger zu sagen hatten.

    Es ist ja auch bezeichnend, dass Pablos Partnerin Ludmila sich bislang mit keinem Wort zum Ganzen geäußert hat. Warum wohl?

    Besten Dank für den Kommentar!

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  6. Ein wenig am Thema vorbei: Was ich an dem Video großartig finde, ist das Cuarteto Rotterdam! Bin ein Fan von denen und bewundere ihre mitreißende Leidenschaft! Das Repertoire von denen ist viel größer als es der Geschmack mancher "Traditionalisten" erlaubt.
    Annette (Tango Diavolo)

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