Männermangel Berliner Art
„Tango könnte doch so schön sein…“ meint Laura Knight vom Blog „Berlin Tango Vibes“ in
ihren „Gedanken zum sogenannten ‚Frauenüberschuss‘“. Kollege Thomas Kröter hatte sich einen Gastbeitrag
von ihr zum Geburtstag gewünscht und veröffentlicht ihn nun auf seiner Seite:
Der
Satz der Autorin geht aber noch weiter – schließlich warten wir wegen des
Konjunktivs bereits auf die hauptstadttypische
Larmoyanz-Tönung: „Der Tango
Argentino könnte doch eigentlich so schön sein, wenn, ja wenn der
Frauenüberschuss nicht wäre.“
Ich
darf da schon mal um Gender-Korrektheit
bitten: Zu viele Frauen kann es nach meiner ländlich-sittlichen Überzeugung gar
nicht geben – höchstens zu wenig Männer.
Laura Knight schildert ziemlich
zutreffend das altbekannte Problem:
Es gelänge den Tangueras halt nicht, genügend Herren davon zu überzeugen, welch
schöne Beschäftigung das Tangotanzen sei. Die Lebenspartner würden oft schnell die Risiken einer
Partnerschaftskrise erkennen, und auch „akquirierte Freunde“ würfen nach
kurzer Zeit wieder verzweifelt das Handtuch.
Um
das notorische Herumsitzen zu beenden, rüste die Damenwelt dann auf –
hinsichtlich optischer Knusprigkeit
sowie tänzerischer Fertigkeiten. Und
schließlich – hurra – käme man als Dame in genügender Frequenz zum Tanzen – „eine Phase, die von vielen Frauen als eine
der schönsten ihres Tango-Lebens beschrieben wird und die sie im Nachhinein oft
auch als wichtigen Teil ihres Wegs zu mehr Weiblichkeit sehen.“
Happy End? Das kann nur jemand
vermuten, der dieses Blog nicht kennt…
Denn
mit den verbesserten Tango-Kenntnissen stiegen eben auch die Erwartungen und Ansprüche.
Tanzeinladungen, welche man sintemalen noch dankbar angenommen habe, weiche man
nun eher aus. Man ist halt inzwischen Besseres
gewöhnt. Und schließlich müsse man ja auch nicht immer tanzen, ein Glas
Wein und Gespräche seien doch auch ganz nett. Bald aber kehre so die Enttäuschung zurück.
Etliche
Frauen bewältigten das Dilemma, indem sie das Führen erlernten. Seien sie dann glücklicher mit dem Tango? Manche
schon. Für andere aber bleibe die folgende Rolle weiterhin die beste Option.
Ich
halte es schon einmal für eine Kateridee, jemand – ob Mann oder Frau – zum Tango
zu „akquirieren“.
Und gerade Männer lassen sich nicht gerade von Pflichtgefühl lenken, wenn sie sich eine Lieblingsbeschäftigung
aussuchen.
Er oder sie muss schon selber wollen. Noch schlimmer jedoch: Nicht der Mensch
wählt den Tango, sondern der Tango den
Menschen.
Welch
schöne Erfahrung aber, wenn man als
Tanguero sogar freiwillig diesen Tanz lernt und Milongas besucht: Da gibt es
dann also arrogante Kühe, die sich
früher dankbar auffordern ließen – einen inzwischen aber, wegen vermeintlich
oder tatsächlich gestiegener Fertigkeiten,
nicht mal mehr mit dem Hintern anschauen.
Super – da hat man als Mann so richtig Lust, beim Tango zu bleiben!
Nein,
ich bleibe stur bei meiner Überzeugung: Man kann mit jedem Tanzpartner dazulernen,
und sei es eben „Krisenbewältigung“. Und der Tango lebt davon, dass man Anfängern beiderlei Geschlechts bereitwillig hilft – und die es später
zurückzahlen, indem sie sich ihrerseits freundlich um Beginner (oder halt
weniger Begabte) kümmern. Im Verweigerungsfall sogar noch zu jammern, man fände
zu wenig Tanzpartner, ist schon reichlich verrückt.
Als
ich den hier besprochenen Text vorhin einer Tangofreundin zeigte, meint die in
ihrer staubtrockenen Manier:
„Was willst du schon
von Leuten erwarten, die sich freiwillig Himbeersirup ins Bier schütten?“
Übrigens
sollte man im Tango gar nichts unternehmen, um Schwierigkeiten oder Mängel zu
bekämpfen – die daraus resultierende Krampfigkeit
kann man leider immer wieder beobachten. Sondern: Weil es Spaß macht. Ich kenne eine Menge führender Frauen. Manchmal haben sie damit begonnen, um ihre
Aufforderungschancen zu erhöhen. Dabei geblieben sind sie allerdings fast
immer, da sie diese Variante interessant
und spannend fanden.
Und
noch eins: Gestern habe ich wieder einmal eine Milonga besucht, bei der auffordernde Damen ausdrücklich erwünscht sind – egal, in welcher Weise
sie das bewerkstelligen. Leider tun es die wenigsten. Da sollte man
weiblicherseits ansetzen, anstatt in Larmoyanz zu versinken.
Aber
ein partnerschaftsgeübter Mann weiß: Wenn Frauen jammern, erwarten sie gar keine Lösungsvorschläge. Bedauert zu werden reicht meist völlig…
Doch
die Autorin hat sicherlich auch Lob
verdient, wenn sie zu Paaren in unüblichen Kombinationen schreibt:
„Tango Argentino, das
sind doch eigentlich sich umschlingende, vor Leidenschaft und Erotik strotzende
Paare, bestehend aus einer stolzen, attraktiven Tänzerin und einem maskulinen
Latino-Macho? Oder nicht?
Wer im Tango dieses
klischeehafte machismotriefende Gebilde sucht, wird das im Tanz unter Frauen so
nicht finden. (…)
Je mehr Erfahrung,
Können und Offenheit der Tanz und das Tanzverständnis beider Partner*innen
haben, desto mehr Möglichkeiten bieten sich auch abseits des klischeehaften
Leidenschaft-und-Erotik-Narrativs. Je mehr der Dialog der Tanzpartner*innen auf
tänzerischer und nicht nur balzender Ebene stattfinden kann, desto mehr wird
die Mann-Frau-Geschichte nur eine Geschichte von vielen, die ein Tanzpaar
erzählen kann. Eine sehr schöne bleibt sie ohne Frage, doch zum Glück bei
weitem nicht die einzige.“
Und
in einem Kommentar meint die Bloggerin:
„Gerade weile ich in
Buenos Aires, hier ist die Feminismusdiskussion auch im Tango sehr groß. Man
sieht viele gleichgeschlechtliche Paare, tanzt oft sehr gleichberechtigt im
Paar und geht übrigens davon aus, dass das Traditionelle, was die
Geschlechterrollen im Tanz angeht, hier schon weiter überwunden ist als in
Europa.“
Na,
das ist doch ein Hoffnungsschimmer!
Darauf kann man getrost einen trinken – sogar eine Berliner Weiße.
"Oh nein, nicht der schon wieder!" * www.tangofish.de |
Führende Frauen sind leider nach wie vor nicht gerne gesehen, vor allem in der konservativen Abteilung. Unterbeschäftigte Frauen bleiben lieber weiter sitzen und jammern, als sich von einer anderen führen zu lassen und für die anwesenden Männer ist diese führende Frau dann eh gestorben. Ich finde seit 2 Jahren weder einen männlichen noch weiblichen Übungspartner egal in welcher Rolle und sogar auf der Seite "gleichtanz" tut sich nichts.
AntwortenLöschenAbgesehen davon war es für mich nie sehr erotisch mit Herren herumzuschleichen, die mein Vater sein könnten. Das wird die andere Seite vermutlich anders wahrnehmen.
(von Quotenfrau)
Vielen Dank! Ich bin immer froh, gerade zu diesem Thema "O-Töne" zu bekommen.
LöschenJa, wir sind im Tango von einer Gleichberechtigung noch weit entfernt. Dennoch gilt halt: einfach machen statt zu jammern!
Und in meinem hohen Alter gestehe ich gerne: Ob es sich für eine deutlich jüngere Partnerin "erotisch" anfühlt, wenn sie mit mir tanzt, ist mir herzlich egal. Nicht dagegen, ob sie es interessant und spannend findet. Das macht mir dann großen Spaß.
(Nebenbei: Der wahre Name der Kommentatorin ist mir bekannt. Sie hat auf meinem Blog schon mehrere Gastbeiträge veröffentlicht.)
"Ja, wir sind im Tango von einer Gleichberechtigung noch weit entfernt."
LöschenHi Gerhard, wo siehst du "Gleichberechtigung" im Tango denn nicht gegeben?
Es dürfen doch sowohl Männer als auch Frauen alleine oder in ausgewählter Begleitung zu so gut wie jeder Milonga gehen, müssen aber nicht, wenn ihnen die Veranstaltung nicht zusagt. Sie können sich hinsetzen und auffordern lassen (funktioniert allerdings für Frauen besser) oder sich aufmachen und selber auffordern wie sie wollen (und müssen halt ggflls mit dem Korb zurecht kommen. Gilt sowohl für Frauen wie auch für Männer, auch wenn Frauen das weniger oft machen).
Ich sehe Gleichberechtigung(! Betonung auf "Berechtigung") da überall verwirklicht.
Natürlich gibts unterschiedliche Möglichkeiten damit umzugehen, wenn einem was nicht passt. Die Amis haben die 3 funktionierenden Möglichkeiten schön und knapp mit "love it, change it or leave it" beschrieben. Die vierte Möglichkeit funktioniert halt für Männer nicht so gut: solange rumnölen bis irgendeiner dran was ändert.
(im Gegensatz offensichtlich zu Frauen, denn anders kann ich mir nicht erklären, aus welchem Grund Frauen sonst so gerne an ihre Männer hinnölen, wenn das für sie nicht funktionieren würde ...) :-)
Lieber Robert,
Löschenzu dem Thema habe ich nun wirklich genug geschrieben. Unter dem Label "Frauen und Männer" stehen derzeit 61 Texte.
Oder nimm die Gastbeiträge von "Quotenfrau" (auffindbar mittels Suchfunktion). Oder deren obigen Kommentar.
Vielleicht nur ein Beispiel: Viele Frauen scheuen den (oft ziemlich heftigen) Partnerschaftskonflikt, wenn sie allein zum Tango gingen - während die Männer ganz selbstvrständlich ihren Hobbys nachgehen dürfen.
Beste Grüße
Gerhard
du hast zwar schon viel geschrieben, aber zumindest mir nicht genug, um mir klar zu machen, warum Frauen beim Tango so sehr benachteiligt seien um eine fehlende Gleichberechtigung bemängeln zu können (wie ich versuchte zu betonen: "Gleichberechtigung" geht um die Rechte, die jemand hat, also das, was man darf oder nicht. Nicht darum, was sich jemand traut oder nicht traut zu tun).
Löschen"Vielleicht nur ein Beispiel: Viele Frauen scheuen den (oft ziemlich heftigen) Partnerschaftskonflikt, wenn sie allein zum Tango gingen - während die Männer ganz selbstvrständlich ihren Hobbys nachgehen dürfen."
Aber das ist doch kein Gleichberechtigungsthema, sondern eins der Gestaltung einer Partnerschaft.
(und nebenbei: es soll auch nicht zu wenige Männer geben, die unter dem Pantoffel stehen ...)
Lieber Robert,
Löschen"Rechte" müssen halt auch mit Leben gefüllt werden, sonst sind sie wertlos.
Aber klar: Ich könnte auch noch hundert Artikel schreiben und würde Dich dennoch nicht überzeugen.
Ich fürchte, wir müssen uns darauf verständigen, dass wir bei dem Thema unterschiedlicher Meinung sind und bleiben.
Beste Grüße
Gerhard
"Aber klar: Ich könnte auch noch hundert Artikel schreiben und würde Dich dennoch nicht überzeugen."
LöschenDiese ausweichende Bemerkung enttäuscht mich jetzt. Du hast aber recht, durch Geschwurbel lasse ich mich tatsächlich nicht überzeugen (besser "nicht überreden"). Was ist eigentlich so schlimm dran, klar und deutlich zu schreiben, wo du eine rechtliche Schlechterstellung (genau das nämlich bedeutet "nicht gleichberechtigt"! Wenn du das anders siehst, dann klär mich doch auf) von Frauen beim Tango siehst?
Und zu "'Rechte' müssen halt auch mit Leben gefüllt werden, sonst sind sie wertlos.": Natürlich, aber wenn ich das Recht habe, aber nicht nutze, kann ich nicht darüber jammern, "nicht gleichberechtigt" zu sein.
Lieber Robert,
Löschenich wüsste nicht, was ausweichend daran wäre, über 60 Texte (teilweise auch von Gastautorinnen) zu diesem Thema veröffentlicht zu haben.
Zudem stehe ich nicht im geringsten Verdacht, jemals versucht zu haben, Dich zu überzeugen oder gar zu überreden. Du hast eine Menge der einschlägigen Blogartikel kommentiert, und ich habe jeweils versucht, darauf zu antworten. Wenn Du das für "Geschwurbel" hältst, muss ich es akzeptieren.
Ich halte es da mit dem Gesetzgeber, der offenbar ebenso den Unterschied zwischen einem Recht und seiner tatsächlichen Durchsetzbarkeit sieht. Art. 3(2) Grundgesetz lautet nämlich in voller Länge:
"Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
Beste Grüße
Gerhard
P.S. Ich hoffe, solche Diskussionen entkräften den Vorwurf mancher Kritiker, ich würde nur zustimmende Kommentare veröffentlichen...
Hier ein Kommentar von Karin Law Robinson-Riedl:
LöschenLieber Robert,
@ … "love it, change it or leave it"
Die Dinge annehmen, sie verändern oder sie aufgeben.
So einfach ist das?
Das Sprichwort „Wie man sich bettet, so liegt man“ scheint ein für dich wichtiges Prinzip zu enthalten:
Hast du dich einmal für etwas entschieden, dann bist du halt für die Konsequenzen verantwortlich und brauchst nicht über sie zu jammern.
Stimmt.
Und dennoch: Mir fehlt hier ein für mich wesentlicher Bestandteil für ein gedeihliches Zusammenleben von Menschen.
Wenn jeder nur „seines Glückes Schmied“ ist, dann passen wir nur darauf auf, dass wir unsere Schäfchen ins Trockene bringen und sie da auch behalten, gleichgültig, wo die Schäfchen der anderen bleiben.
(Was doch unsere Sprache an Bildern zu diesem Thema liefert!)
Aber ein solches Denken ist mir entschieden zu begrenzt:
Jeder (herzens-)gebildete Mensch hat auch eine Verantwortung für den anderen.
Er sollte doch zumindest wahrnehmen, wie es seinen Mitmenschen geht.
Vielleicht stellt er ja auch mal die „Mitleidsfrage“.
Und bei Bedarf hilft er – falls gewünscht – sogar mit Rat und Tat.
Warum gibt es in Gesellschaften, die wir als zivilisiert und kulturell entwickelt bezeichnen, das von verschiedensten Instanzen betriebene Bemühen um soziale Gerechtigkeit?
Leider ist ein gutes Miteinander nicht immer in der individuellen Lebenssituation oder Partnerschaft, zu regeln, müssen Gesetze und staatliche Institutionen „einspringen“.
Zum Glück tun sie das hierzulande, auch wenn – aus den verschiedensten Gründen - nicht immer erfolgreich und oft unzulänglich.
Nicht jeder ist immer und jederzeit fähig, seine Lebensumstände ganz alleine zu regeln. Und ich denke, Schwäche ist nicht immer ein Makel, an dem man selbst schuld ist und den man gefälligst zu verbergen hat, um den anderen den Tag nicht zu vermasseln!
Ich erhoffe mir bei aller notwendigen und wichtigen Verantwortung für das eigene Tun und Lassen doch Empathiefähigkeit des Einzelnen und auch als Grundlage gesellschaftlicher Regelungen.
Für mich ist das eine wesentliche Basis einer funktionierenden Gesellschaft, in der nicht jeder auf seinem einsamen Ich-Planeten vor sich hin wurschtelt!
Viele Grüße
Karin
Liebe Karin,
Löschenich habe den Eindruck, deine lange Antwort geht an meinen Intentionen vobei.
Ich bin halt Anhänger einer klaren Ausdrucksweise. Der Begriff "Gleichberechtigung" ist nun mal ein politisch/rechtlicher und sollte m.M.n. eben nicht für Situationen verwendet werden, an denen man zuallererst selbst die Verantwortung trägt.
So, und jetzt bin ich aus dieser Diskussion raus.