Ein Blick zu viel

Levent Göksu, strahlendes Irrlicht am Münchner Tangohimmel, neigt dazu, persönliche Probleme ungefiltert Facebook anzuvertrauen. Gestern schrieb er:

„Mal angenommen eine Dame hat ein sehr sehr grosses Dekolleté und sie trägt es sehr Dominant vor sich herum. Ist es denn auch Sexuelle Belästigung wenn man woanders hin schaut wenn man mit Ihr Spricht? Die Dame merkt das natürlich und reagiert irritiert. Sie fühlt sich beleidigt und argumentiert gegen den Mann warum er sie denn nicht ansieht wenn sie mit Ihm spreche, und der Mann antwortet, dass er sich durch Ihr Dekolleté Sexuell Provoziert fühlt. Daraufhin fühlt sich die verheiratete Dame unsittlich angemacht und erstattet Anzeige wegen Sexueller Belästigung....“

Quelle: https://www.facebook.com/feuerfalter/posts/pfbid02T2ScJyDuNBEECdHRRF2jqBkJ6Yo4ZvG2YHmMrHY7GXUqLAqGwFNryuzKkdZmh5qil 

Ob ihm das Ganze selber passiert ist, verschweigt er. Man muss es aber befürchten. Und der Betreffende hat natürlich nicht woanders" hingeschaut, sondern dorthin, wo wir es alle vermuten.

Stellen wir zunächst die in Deutschland entscheidende Frage. Wie ist die Rechtslage?

Die Dame müsste schon mal Strafantrag stellen, denn bei der sexuellen Belästigung handelt sich in der Regel um ein so genanntes Antragsdelikt: Der Staat selbst verfolgt es nur, wenn ein besonderes öffentliches Interesse vorliegt.

Was genau verboten ist, sagt uns der erst 2020 neu hinzugefügte § 184i Strafgesetzbuch:

Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.

Wir können also den guten Levent schon mal beruhigen: Gucken ist grundsätzlich erlaubt, Antatschen natürlich nicht.

Bei Letzterem aber kann man alle Milonga-Casanovas nur warnen: Wer seine Griffel nicht bei sich halten kann, muss mit teuren Folgen rechnen:

Für drei Griffe an den Po einer Frau auf öffentlicher Straße setzte es zunächst 4 Monate Haft, in der Berufung dann immerhin noch 90 Tagessätze Geldstrafe.

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ag-bautzen-urteil-sexuelle-belaestigung-freiheitsstrafe/

Bei einer wohl aus dem Ruder gelaufenen „Rückenmassage“ berührte ein Beschäftigter einer Bundesbehörde die nackten Brüste einer Kollegin. Dies führte trotz 19-jährigen Anstellungsverhältnisses zur fristlosen Kündigung:

https://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/pressemitteilungen/2023/pressemitteilung.1367242.php

Küsse und diverse Fummeleien endeten für einen Zollbeamten auf Probe mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis:

https://www.kostenlose-urteile.de/OVG-Nordrhein-Westfalen_1-B-17422_Verbale-und-handgreifliche-sexuelle-Belaestigung-einer-Kollegin-rechtfertigt-sofortige-Entlassung-aus-dem-Beamtenverhaeltnis-auf-Probe.news31567.htm

Und man muss einmalige Ungeschicklichkeiten von bewussten Strategien unterscheiden: „Pickup Artists“ gehen planmäßig vor – hierzu gibt es im Internet viele Anleitungen:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2017/02/gefecht-zum-klarmachen.html

Unerwünschte Blicke könnte man eventuell als „sexuelle Beleidigung“ nach § 185 StGB auffassen:

https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__185.html

Die Strafnorm schützt die persönliche Ehre. Hierzu verbietet sie Handlungen, welche die Ehre eines anderen verletzen, etwa herabwürdigende Äußerungen, Gesten oder Tätlichkeiten.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Beleidigung_(Deutschland)

Es könnte also gefährlich werden, wenn sich zu den Blicken noch verbale Anzüglichkeiten gesellen. Dies ist hier aber nicht der Fall: Der Mann hat ja lediglich geäußert, sich vom Anblick „sexuell provoziert“ zu fühlen. Dies könnte man eher als Aufforderung werten, Sachen, welche nicht ins Schaufenster gehören, besser einzupacken. Ob jedoch diese Anmerkung sehr geschickt war, darf bezweifelt werden.

Völlig klar ist: Eine Frau darf sich an- oder ausziehen, wie sie möchte – dies rechtfertigt niemals einen sexuellen Übergriff. Weder beim Tango noch im restlichen Leben. Der Rest ist Sache einer guten Kinderstube. Ich finde es wenig „sozialadäquat“, körperliche Vorzüge mit dem Vorschlaghammer zu bewerben. Klar, dass man so männliche Blicke auf sich zieht. Ein Hund und eine Wurst können im selben Raum nicht dauerhaft koexistieren.

Ich hatte zum Thema „Reizüberflutung beim Tango“ schon diverse Diskussionen mit Tänzerinnen. Frau tue das, so eines der Argumente, ja nicht wegen der Männer, sondern weil es ihr selber gefalle. Ich frage mich dann halt, wieso man dann dieses Outfit nicht allein zu Hause trägt. Ebenfalls hörte ich davon, man kleide sich derartig, um andere Damen zu ärgern. Wird so der Sex als Waffe eingesetzt? Fein!

Was ich an Debatten wie der oben zitierten schlimm finde: Ein solcher Firlefanz diskreditiert alle Frauen, die sich tatsächlich sexueller Belästigungen erwehren müssen. Diese Beispiele werden gerne als Argument missbraucht, Weiber seien halt zickig bis hysterisch – da müsse man nichts drauf geben.

Und sie verstärken den Krampf im Umgang der Geschlechter, wenn sich die Furcht verbreitet, jeder ungeschickte Blick, jeder lockere Spruch könnte das Eingreifen des Staatsanwalts nach sich ziehen. Und vor jedem Beischlaf unterzeichnet man am besten eine gegenseitige Willenserklärung. Ein besseres Mittel zu dessen Verhinderung kenne ich nicht.   

Daher: Obwohl ich kein Fan wogender Vorbauten bin, schaue ich mir gerne an, was das Leben so bietet. Aber da ich schon die Volljährigkeit erreicht und einiges gesehen habe, muss ich ja nicht in Blickstarre verfallen. Und vor allem halte ich in solchen Fällen meine Klappe, statt mich in Beschreibungen oder gar Wertungen des Gesehenen zu ergehen. Der Kavalier genießt und schweigt. Und wenn er es nicht genießen kann, schweigt er erst recht – und schreibt vielleicht eine Satire.

In meiner Pubertät habe ich einmal mit Kumpels die Frage diskutiert: Was tun, wenn ein Kollege versehentlich seinen Hosenschlitz offen hat (kann ja mal passieren)? Weist man ihn in Gesellschaft diskret darauf hin oder ignoriert man die Peinlichkeit? Ein Freund machte damals einen tränentreibenden Vorschlag. Er würde ganz laut sagen:

„Wisst ihr was? Wir machen jetzt mal alle unser Hosentürl zu!“   

P.S. Hier noch einmal die wunderbare Satire von Martin Frank:

https://www.youtube.com/watch?v=9RlegzmR5Mk&t=13s

Kommentare

  1. Levent Göksu hat nun das Rätsel um den Hintergrund seiner Geschichte gelöst:
    Wie ich schon vermutete, ging das Ganze auf ein persönliches Erlebnis von ihm zurück:

    „OK ihr lieben, vielen Dank für euer Intermezzo. Ich hoffe dass alle Ihren Spass hatten, ja sogar Herr Riedl hat's im Blog erwähnt. Folgendes: diese Situation ist mir persönlich so nicht widerfahren.
    Der Anlass zum Post war folgendes:

    Eine Pädagogin die in einer städtischen Sozialen Einrichtung, wo ich mein Kind zur Obhut abgebe beschäftigt ist, ein meiner Meinung nach zu Körperbetontes Outfit trug. Hauteng. Alle Proportionen an Ihr sind überdimensioniert. Als sie mir fragend ob das mir gehöre einen Gegenstand gereicht hatte, nahm ich diesen an und Antwortete: "Ja das ist meins. Oh schau Mal, hat ja die gleiche Farbe wie dein Oberteil." Und schon wards geschehen anscheinend. Ihr Busen war so gross und die Dame so anfällig dass sie glatt gemeint hat ich würde Anspielungen auf Ihre Weiblichkeit haben. Am nächsten Tag bekomme ich Email mit Beschwerden Bla bla bla

    Dann beim nächsten Mal hatte sie nichts mehr hautenges an. Und ich hatte erreicht was ich wollte. Wenn ich's ihr gesagt hätte wäre ich als konservativer Moslem abgestempelt worden das wäre für mich schlimmer gewesen und nix wär passiert. Und nun ... lassen wir unsere Hormone wo sie sind.“

    Wie ich ebenfalls voraussah, ist nun das Gezeter um diverse Diskriminierungen in vollem Gange. Eine wohl besonders woke Dame, die sich dem Kampf gegen den Machismo sowie die deutsche Rechtschreibung widmet, musste dringend was entlarven:

    „Das Gedankenspiel ist ja ganz niedlich. Du bist ja aber nicht so dumm, wie du hier tust und bist dir hoffentlich im Klaren darüber, dass so ein seltsamer Fall, den du dir ausgedacht hast, die strukturelle, systematische Sexualisierung und Diskriminierung von Frauen nicht wiederspiegelt. Wenn du nicht unterscheiden kannst, ob Frauen mit dir Kontakt aufnehmen wollen oder nicht, bist du Teil des patriarchalen Problems. Ich kann meinen Ausschnitt so tief tragen, wie ich will. Das berechtigt weder dich noch irgendwen anderes zu einer sexistischen Handlung, einer Einordnung ob ich ‚es will' oder wie ich mich zu verhalten habe. Dein Beispiel entlarvt dich als misogy. Wenn du ernsthaftes Interesse daran hättest, kritisch Situation wie diese zu klären, wäre dein Verhalten und deine Haltung ein anders.“

    Wie Tucholsky schon schrieb: Die Zeit schreit nach Satire!

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