Beim Wort genommen

Als ich meine Hommage an die Swing-Legende Hugo Strasser schrieb, erwartete ich keine große Resonanz: Obwohl sein Tanzorchester auch Tangos im Repertoire hatte, ist sein Schaffen für die Argentino-Szene natürlich völlig uninteressant. Einige Nostalgiker, so hoffte ich, würden dennoch ihre Freude daran haben.

Doch der Mensch denkt – aber Klaus Wendel kommentiert. Offenbar hatte dem Essener Tangolehrer ein Wort missfallen, auf das er stets losgeht wie der spanische Kampfstier auf die Muleta: Piazzolla. In einer ganzen Serie von Zuschriften kippte er mir er mir eine unsortierte Ladung von Widerreden vor die Füße.

Was man bei diesem Kommentator wissen muss: Seine Aussagen sind unwiderlegbar. Daher habe ich ihn einmal beim Wort genommen und seine Behauptungen einem Faktencheck (in Rot) unterworfen:   

Herr Riedl,
bei diesem Beitrag musste ich doch etwas schmunzeln: Sie predigen musikalische Vielfalt in der Milonga, aber bei jahrelanger Berieselung mit seifiger Musik von Hugo Strasser blicken Sie sehnsüchtig auf diese Zeit zurück.

Wenn man zu solcher Musik jahrelang Tanzsport trainiert hat, finde ich den Begriff „Berieselung“ völlig unzutreffend. Da rieselt höchstens der Schweiß.

Sie vergaßen zu erwähnen, dass auch andere Orchesterleiter diesen Klarinettensound bevorzugten, wie z.B. Billy Vaughn („Sail Along The Silvery Moon“, zeitgleich 1955) und Glenn Miller.

Ich habe das nicht vergessen, sondern mein Thema umgesetzt: Im Artikel ging es um die Musik von Hugo Strasser.


Diese musikalische Monotonie hat mir den Standard-Tanz verleidet, wie Ihnen heute die Musik der EdO. Es gab offensichtlich nur einen Titel für den Paso Noble bei den Lateintänzen (der übrigens heute noch als einziges Musikstück herhalten muss).
Als Standard-Richtschnur war er die musikalische Takt-Vorgabe bei vielen Tanz-Weltmeisterschaften. Geht’s noch monotoner?

Gemeint war wohl „Paso Doble“.

Und natürlich ist „España cañínicht der einzige Paso Doble, zu dem getanzt wird. Ich habe in meiner Antwort den folgenden Link hinzugefügt:

https://www.youtube.com/watch?v=wgcyK4Ro7H8   

Was wäre denn passiert, wenn Sie in dieser Zeit einen musikalischen Vorschlag in Richtung Piazzolla gemacht hätten? Ihr Tanztrainer hätte wahrscheinlich nur mitleidig ihren musikalisch-tänzerischen Verstand in Zweifel gezogen.

Tango nuevo im Standard-Training? Was soll dieser abwegige Vergleich beweisen?

Übrigens scheint Ihnen auch folgendes entgangen zu sein: Das erste Video ist offensichtlich ein Konzertabend, mit sitzendem Publikum, also nicht für Tänzer. Vielleicht wollte H.S. damit sein musikalisches Talent als Jazzer unter Beweis stellen.

Nach jahrzehntelanger, erfolgreicher Arbeit in der Swingmusik ist das mehr als eine Vermutung! Beweisen musste Strasser an seinem 65. Geburtstag allerdings gar nichts mehr.


Das zweite Video ist kein(e) Jazz(ballade), sondern eine Schnulze im langsamen Walzertakt. Als Musiklehrer würde ich Ihnen für Ihre Musikkenntnise die Note "mangelhaft" geben.

Bei dieser Zuordnung habe ich nicht durchgeblickt. Bei vorhandenen Musikkenntnissen hätte man die Namen der Stücke nennen können.

Vielleicht verwechselt Manuel Frantz, Tango-DJ, da BeeBop, Swing und Lindy Hop, mit Club Jazz, also reinem konzertantem Jazz, was ja die Musik von Piazzolla z.T. auch ist.

Hätte man den Link zu meinem Artikel gelesen, müsste man solche Fragen nicht stellen. In den dortigen Kommentaren erklärt Manuel Frantz nämlich seinen Irrtum:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2018/12/die-neue-untanzbarkeits-formel.html

Und, mit Verlaub: Die Musik Piazzollas ist in erster Linie Tango.

Im Übrigen meinte ich auch keine tänzerische Monotonie, sondern eine musikalische, wenn man Jahrzehnte lang nur Hugo Strasser zum Standard-Tanzen hören konnte.

Bei aller Bedeutung dieses Musikers: Im Standardtanz gab und gibt es eine Fülle von Interpreten, die in den Tanzschulen und bei Turnieren ebenfalls zu hören waren!

Immer diese überheblichen Belehrungen und Unterstellungen, finde ich übrigens zum K…, Herr Oberlehrer!

Muss ein Tangolehrer eigentlich zu einer Ausdrucksweise greifen, die eher in eine Vorstadtkneipe passt?

Dass Sie Behauptungen ‚richtigstellen‘ ist wohl eine Ihrer typischen Selbstüberschätzungen: Sie widersprechen höchstens und glauben damit, eine Behauptung widerlegt zu haben. Denn wirklich widerlegt haben Sie bisher keine meiner Aussagen.
Das ist genau diese unglaubliche Überheblichkeit, die auf diese gottähnliche Attitüde eines Lehrers schließen lassen. Das konnten Sie bisher vielleicht mit Ihren wehrlosen Schülern machen, aber nicht mit Ihren Lesern.

Wie die obigen Beispiele zeigen, kann man einige der Irrtümer sogar ganz leicht widerlegen.

Und wenn Herr Wendel auch nur eine Woche lang vor Klassen gestanden hätte, würde er nicht von „gottähnlicher Attitüde“ und „wehrlosen Schülern“ sprechen.

Sie wollen uns wirklich weißmachen, dass jahrelanges Tanzen zu EINEM Orchester namens Hugos Strasser abwechslungsreicher sein soll als zu über 20 Tango Orchestern der EdO, mit unterschiedlichen Stilen, ca. 2000-4000 Titeln in Bereichen Milonga, Tango und Tango Vals?

Das wollte ich tatsächlich niemandem weismachen, weil es auch nicht zutrifft. In der Latein-Sektion haben wir vorwiegend zu anderen Interpreten trainiert, und auch im Standard legte man bei Trainerstunden und auf Turnieren beileibe nicht nur Hugo Strasser auf. Anderes kann nur jemand behaupten, der im Tanzsport kaum über eigene Erfahrungen verfügt.

…weil nur wenige andere Erfahrungen mit Hugo Strasser gemacht hat, mich einschließlich.

Hugo Strasser hat Generationen mit seiner Tanzmusik beeinflusst. Er hat auf tausenden Bällen gespielt, und seine Tanzplatten waren für viele Jahre in den Charts. Hier hatte ich diese Informationen verlinkt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Strasser

Sie versuchen mittels Ihrer persönlichen Vorliebe für andere Musik als die Tangos der EdO, wie z.B. von Piazzolla, Ihre Leserschaft mittels Ihrer unsäglichen Playlisten davon zu überzeugen, es Ihnen nachzumachen, weil diese ja alle irren und zu langweiliger Musik tanzen?

Warum Herr Wendel meine Playlists „unsäglich“ findet, hat er nie konkret begründet. Tatsächlich gibt es dazu nicht einen einzigen Beitrag von ihm. Möglicherweise, weil er die meiste Musik gar nicht kennt und sie ihn auch nicht interessiert.

Und nein, ich behaupte nicht, dass man sich „irrt“, wenn man zu historischer Musik tanzt. Tue ich zur Abwechslung auch mal ganz gerne. Aber ich werbe für meinen persönlichen Geschmack – und mehr tut Herr Wendel auch nicht.

Sie weigern sich zu akzeptieren, dass sich die große Mehrheit vieler Tänzer und Tänzerinnen in Buenos Aires und der ganzen Welt mit der Musik von Piazzolla überfordert oder unbehaglich fühlen

Das akzeptiere ich durchaus, weil es ja auch der Wahrheit entspricht. Ich sehe allerdings keinen Grund, zu verschweigen, das Piazzollas Musik mich tänzerisch reizt.

… während Sie Ihre Diskrepanz von seiner Musik und Ihren Bewegungen, die Sie Tanz nennen, nicht einmal ansatzweise reflektieren?

Ich glaube, jeder von uns nennt das Tanz, was er selber macht. Und da hat er ja auch recht. Ich erkenne aber an, dass auch andere tanzen.

Quelle: http://milongafuehrer.blogspot.com/2023/12/der-mann-mit-dem-mein-tanzen-begann.html#comments

Wenn ich Klaus Wendel richtig verstanden habe, wirft er mir vor, die „Monotonie“ im Tanzsport zu unterschätzen. Na gut, wenn man zehn Tänze mit unterschiedler Technik draufhaben muss, stellt das schon eine gewisse Vielfalt dar. Und wir sind ja nach vielen Jahren zum Tango gewechselt, weil er uns mehr Anreize individueller Gestaltung bot. Leider ist es damit inzwischen nicht mehr weit her.

Und Hugo Strassers Musik hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen, den ich zu beschreiben versuchte. Inzwischen hat sich der Tanzsport jedoch weiterentwickelt. Die Musik des Münchner Klarinettisten hört man in den Tanzschulen oder beim Training nur noch selten.

Und es ist gut so, wenn Musik und Tanz nicht auf der Stelle treten – da kann man mich beim Wort nehmen! Im Tango hat man das leider nicht kapiert – im Gegenteil: Dort flüchtet man ins historische Ghetto.

P.S. Wer sich einmal von der „Monotonie“ der Swingmusik überzeugen möchte, hat hier zwei Stunden Gelegenheit:

https://www.youtube.com/watch?v=h27mxw-wkgQ

Kommentare

  1. Herr Riedl,
    das mit Ihrer Nebelkerze über «Paso Noble» vergessen wir mal, (Sie wussten doch, dass es ein Flüchtigkeitsfehler war, - Tücke der deutschen Rechtschreibprüfung bei TextEdit - also was soll das? Um mich hier als blöd darzustellen? Billig!)

    Nun zur Grundaussage meines Kommentars, den Sie ja hier ausführlich widerlegen wollen:
    Mein Zitat […] bei diesem Beitrag musste ich doch etwas schmunzeln: Sie predigen musikalische Vielfalt in der Milonga, aber bei jahrelanger Berieselung mit seifiger Musik von Hugo Strasser blicken Sie sehnsüchtig auf diese Zeit zurück.“[…]

    Ihre Antwort: […] Wenn man zu solcher Musik jahrelang Tanzsport trainiert hat..[…]

    Also doch jahrelang Hugo Strasser.

    Sie predigen musikalische Vielfalt beim Tango, aber bevorzugten jahrelang beim Turniertanz nur das Orchester von Hugo Strasser? Egal ob es auch andere Orchester gab.
    Das ist für mich ein Widerspruch.

    Ob seifig, erfolgreich, beste Tanzkapelle der Welt: alles nur Geschmacksache, genau wie Ihre Abneigung von vielen EdO-Stücken.

    Und was meine Ahnungslosigkeit über Turniertanz angeht, das wissen Sie doch garnicht.

    Dass Sie in einem Ihrer Musiklehrvideos über Phrasierungen reden, aber nicht einmal den Unterschied zwischen Phrasierungen und Phrasen oder Grundschlag, Metrum und Rhythmus kennen, bezweifle ich, ob Sie wirklich über Gesellschafts-Tanzmusik so viel Bescheid wissen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Klaus Wendel

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    1. Dazu mag ich nichts mehr entgegnen. Es hilft ja nicht, die ollen Kamellen immer wieder durchzukauen.
      Ich meine, jeder Leser und jede Leserin kann sich auf der Grundlage des bisher Gesagten sein eigenes Urteil bilden. Ich jedenfalls traue das anderen zu und belehre sie nicht per Experten-Mimikry.

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