Der Mann folgt

Großes Interesse hat das Münchner Tango-Urgestein Theresa Faus nun mit der Ankündigung eines dreistündigen „Intensiv-Workshops“ erregt, in dem sie „Folgen für Männer“ unterrichten möchte:

„Zu meiner langjährigen Aktivität in Sachen Doppelrollen-Tanzen, nämlich Unterricht für Frauen im Führen, will ich nun endlich die längst fällige Ergänzung hinzufügen: Unterricht für Männer im Folgen.

Unabhängig davon, wie entspannt es ist, auf Events beide Rollen tanzen zu können und dadurch viel mehr Optionen in jeder Tanda zu haben, ist es sowohl vergnüglich als auch nützlich für Männer, sich Kenntnisse im Folgen anzueignen. Vergnüglich, weil Folgen im Tango ein großer Genuss sein kann; und nützlich, weil Männer, die sich mit dem Folgen auseinandergesetzt haben, dadurch auch ihr Führen stark verbessern (analog zu den führenden Frauen). Sie werden sich nämlich darüber im Klaren, wie die Bewegungen der Folgenden genau gehen und welche Impulse es dafür braucht und welche ‚Führungs‘-Aktionen dafür eher hinderlich sind.“

Nun will ich dem riesigen Jubel, welcher jetzt über die Anbieterin hereinbricht, nicht im Wege stehen – und schon gar keine Persiflage ihrer Einladung verfassen, die mir einst bei ihrem Cabeceo-Seminar den Aufmarsch der „Tango-Pegida“ eingebracht hat. Theresas Truppen sind zahlreich – und zu allem entschlossen!

Dass ihr der Rollenwechsel beim Mann nun nach 20 Jahren einfällt, erscheint nicht übereilt. In der Milonga-Wirklichkeit sieht man immer noch sehr wenige führende Frauen – und folgende Männer (zumal, wenn sie mit ihresgleichen tanzen) sind die absolute Rarität.

Da sind wir in Pörnbach zumindest teilweise innovativer: Führende Tänzerinnen waren bei uns alltäglich und haben dazu geführt, dass weibliche Gäste nie lange herumsaßen. Und auch Tangueros probierten durchaus mal die andere Rolle.

Wie reagierte nun der „Theresa-Fanclub“ auf diese Innovation? Generell sehr positiv, wobei es auch zu recht drolligen Reaktionen kam:

„Für das üblicherweise stramme, schwere, führungsgewohnte Maskulinum könnte es mit der von Dir angeregten und unbedingt wünschenswerten Folgsamkeit schwierig werden, wenn eine zierliche Frau den Schubkarren durch den Raum zu bugsieren versucht. Womöglich wäre für den Anfang die Konstellation Mann-schubst-Mann zielführender - unter Deiner fachlichen Anleitung natürlich?! Frau-schubst-Mann ist dann womöglich eher etwas für Fortgeschrittene, Weichgeklopfte, wenn die harten Kerle sich also schon ein wenig aneinander abgearbeitet haben.“

Es wundert mich nicht, dass man in der Landeshauptstadt Tango immer noch als einen Tanz ansieht, wo das Führungspersonal Mumien und auch noch lebende Wesen übers Parkett schubst. Und auch das Bild vom „Schubkarren“ sollte man geschlechterübergreifend verstehen.

Kein Wunder, dass dazu Männern die Assoziation „Pogo“ kommt:

https://www.youtube.com/watch?v=s9umr3cQGFo

Ein Auswärtiger stellt dazu die völlig berechtigte Frage:

Beruht für dich der gemeinsame Tanz darauf, dass die eine Person mit Muskelkraft den Körper der anderen Person bewegt? Für mich beruht der gemeinsame Tanz darauf, dass Informationen übertragen werden und dabei jede Person sich aus eigener Muskelkraft bewegt und sicher steht.“

Zweifel scheinen aber zu bleiben:

Ich hörte gerüchtehalber, dass folgendes Volk, wenn ungeübt, sich manchmal eben nicht von selbst im richtigen Tempo zum richtigen Ort bewegt und Führende durchaus davon profitieren, nicht 20 Kilo leichter zu sein.“

Fragt sich nur, wer an der Isar „das richtige Tempo“ und „den richtigen Ort“ bestimmt…

„Natürlich geht es beim Führen nicht darum, mit kräftiger Muskulatur zu arbeiten, aber Männer haben einfach komplett andere Körper als Frauen und meistens erheblich mehr Muskulatur und auch erheblich mehr Körpergewicht.“

Wobei das erheblich höhere männliche Körpergewicht manchmal auch aus einer Bierwampe resultiert!

Zu einer deutlichen Senkung der Begeisterung könnte Theresas Präzisierung führen, dass die Männer das Folgen mal schön untereinander – und nicht mit Frauen – erlernen sollen. So wie halt die Kerle in den Zeiten, aus denen immer noch die meiste Musik stammt, miteinander geübt haben – ich habe oft genug darauf hingewiesen.

Die Erleichterung ob dieser Information erscheint mir ein wenig vorgetäuscht:

Am End' ist es eine Selbsthilfegruppe und die Scham für den erbärmlichen Mangel an Eleganz leichter zu ertragen, wenn sich das Drama nicht unter Frauenaugen - außer jenen der Cheffin - abspielt.“

Ob das weibliche Interesse an einem solchen Anblick ausbleiben wird?

Ich hatte gerade eine Anfrage einer Dame. Sie würde nur für’s Zusehen bezahlen.

Wobei anzumerken wäre: Dies gilt für die meisten Tangokurse! Und ich fürchte, die männliche Skepsis dürfte schwer zu überwinden sein:

Mal abgesehen von exzellenten Tanzlehrern, kann ich mich sehr selten mit einer Tanguera wohl fühlen, die beide Rollen tanzt.

Quelle: https://www.facebook.com/theresa.faus/posts/pfbid02wQS1Ghr9DinfEDVb6sFt4uzjyMi9kxPgaJ1zeuyqWUVwn1pFhdPpvLzqJTcrem1vl

Wie halte ich es selber mit dem Folgen? Einen Workshop dazu habe ich nie besucht. Allerdings fällt es meinen „führenden Damen“ gelegentlich ein, mir per Wechsel der Tanzhaltung zu signalisieren, dass sie nun das Ruder übernähmen. Und obwohl die deutlich kleiner und leichter als ich sind, kann ich versichern: Die Unzulänglichkeiten dabei resultieren weitestgehend aus meiner mangelnden Übung und Körperbeherrschung. Und auch mit Männern habe ich schon getanzt, allerdings eher in der führenden Rolle.

Daher sind alle Einwände ob des unterschiedlichen Körperbaus natürlich Mumpitz: Jeder und jede muss das, was er oder sie tanzt, selber „stehen“. Punkt. Und wenn ich führe, folge ich oft genug den Ideen meiner Tanzpartnerin. So vermischen sich beide Aufgaben.

Daher gebe ich Theresa Faus völlig recht: Männer wie Frauen sollten sich einmal praktisch mit der anderen Rolle beschäftigen. Es würde viel zum gegenseitigen Verständnis beitragen. Ebenso wie die Verwendung moderner, komplizierterer Tangomusik beide weiterbrächte. Diese Erkenntnis steht bei der Münchner DJane noch aus.

Sicherlich wird ihr diese Idee – ebenso wie damals ihre „Cabeceo-Seminare“ – viel Aufmerksamkeit und Kundschaft bringen. An den realen Verhältnissen auf den Milongas wird sich aber – so fürchte ich – wenig ändern, so lange es genügend Frauen gibt, die nur darauf warten, sich von Tänzern übers Parkett „schubsen“ zu lassen.

„Männertango“ könnte seine eigene Qualität haben – so wie bei Enrique & Guillermo De Fazio („Los Hermanos Macana“), deren wunderbare Auftritte ich bis heute bestaune:

https://www.youtube.com/watch?v=8TNzCiy8iaY

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