Von der Einnordung im Tango

 

„Beim Einnorden wird eine Karte, ein Plan oder ein Luftbild so ausgerichtet, dass die darauf dargestellten Richtungen (z. B. der Verlauf von Straßen oder die Peilrichtungen zwischen jeweils zwei Objekten) parallel zu den entsprechenden Richtungen im Gelände verlaufen. Karte und Gelände sind dann gleich orientiert, insbesondere zeigt die Nordseite der Karte nach Norden.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Einnorden

Die folgende Geschichte habe ich – in Variationen – schon mindestens ein Dutzend Mal gelesen. Diesmal stammt sie aus dem Newsletter der Seite „Tango am Bodensee“, welchen man mir (zu meiner leichten Verwunderung) immer noch zuschickt. Der Herausgeber Axel Dietrich sieht sie als treffendes Beispiel zum Sprichwort: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“. Ich dagegen… doch zunächst zum Text:

Verfasst hat ihn der gebürtige Argentinier Rafael Herbas, der in St. Gallen eine Tangoschule führt: https://www.rafaelherbas.ch/

Unter dem verheißungsvollen Titel „Was ist Tango?“ erzählt Herbas, dass er bei seinem Klavierunterricht in einem Kulturzentrum von Buenos Aires mit Tangotanzenden in Kontakt kam. Da ihn faszinierte, was er sah, nahm er an einer Practica teil. Bereits nach einem Jahr wirkte er in Tangoshows mit, wo es natürlich darauf ankam, Choreografien mit komplizierten Schrittfolgen zu erlernen – von Montag bis Freitag je fünf Stunden lang.

Als er nach zwei Jahren auch einmal eine Milonga besuchte, schaffte er es lediglich, mit zwei Partnerinnen zu tanzen – von denen eine ihn mitten in der Tanda stehen ließ.

„Was den Milongueros wichtig war, war das Gehen. Auf der Tanzfläche sagte mir ein alter Milonguero: ‚Mehr Gehen zum Tango, Junge!‘  Ich habe es nicht verstanden und dachte: ‚Ich tanze kompliziertere und schnellere Figuren als du! Was hast du mir zu sagen?‘“

 Am nächsten Tag berichtete Rafael Herbas seinem Show-Meister von dem Debakel. Der antwortete: „Gut, dass das passierte. Tango ist mehr als Schritte. Wenn du zu einer Milonga gehst, tue das, was wir für die Milonga üben, wenn du auf eine Bühne gehst, veranstalten wir eine Show.“

Der junge Mann begann damit, auf den Veranstaltungen die alten Milongueros zu beobachten, sich in diese Welt der „heiligen Codes“ einzufühlen und Tanzunterricht zu nehmen. Bald wurde er Assistent seines Chefs und später Tangolehrer.

Sein Resümee:

„Nach allem, was ich in diesen Jahren erlebt habe, verstand ich, dass das Tangotanzen mit diesen Schritten, den Tangoschritten, eine Emotion überträgt. Es ist eine Kunst der Protagonisten (Mann und Frau) im Takt der Musik zu tanzen, mit Bewegungen, die, wenn sie sie wiederholen wollten, nicht das gleiche Ergebnis hätten, weil es in diesem Moment war, mit diesem Partner, mit dieser Musik.“

Seine Geschichte endet mit der Frage: „Und für dich? Was ist Tango für dich?“

Ich fürchte, er will es nicht wirklich wissen – und schon gar nicht von mir. Und wenn er es erführe, wäre seine Diagnose wohl, ich tanze gar keinen wirklichen Tango

Für mich sind solche Erfahrungen todtraurig: Da kommt ein junger Mann zum Tango und ist gerade dabei, seinen eigenen Stil zu entwickeln – sicher noch unfertig, wohl noch ziemlich vom Showtanz animiert. Und statt dass man ihm hilft, seine individuelle Tanzweise zu entwickeln, wird er per Gruppenzwang gnadenlos eingenordet: Entweder du tanzt wie alle anderen oder du kannst abhauen!

Wieso hat er nicht einfach gesagt: „Dann suche ich mir eine Milonga, auf der man nicht bevormundet wird – vielleicht mit jungen Leuten. Oder ich mache meine eigene auf!“

Ich kann dazu auch aus eigener Erfahrung berichten: Als ich es vor über sechs Jahren wagte, ein eigenes Tanzvideo zu veröffentlichen, kam es zu einer Menge abfälliger Kommentare, welche bis heute nicht verstummen. Und auch meine Tanzpartnerinnen kriegten ihr Fett weg: Häufig ließ die lokale Milonga-Prominenz sie sitzen – nach dem Motto: „Wenn du mit dem tanzt, tanzen wir nicht mit dir!“

Glücklicherweise war ich zu jener Zeit kein junger Mann mehr und gab daher dem Gruppendruck nicht nach – und meine Tanzpartnerinnen ebenso wenig. Aber ich kann mir lebhaft vorstellen, wie dieser Zwang auf Leute wirkt, welche eher noch am Anfang stehen und auf Frauen sowieso.

Daher tanzen heute die meisten wie die anderen – und auch zur gleichen Musik.   

Immerhin schreibt  Rafael Herbas auch: „Das ist das Wunderbare, was den Tango ausmacht. Jeder kann beim Tango seine Identität, seinen Tango kreieren.“

Ich finde, er sollte über diesen Satz einmal nachdenken.

Schon öfters habe ich aus einem Interview des Tangolehrers und Showtänzers Carlos Copello zitiert – und werde das auch weiter tun:

Und sie starten allen Ernstes mit dem Villa Urquiza-Stil’. Ich möchte mal wissen, ob jemand von Ihnen den Villa Urquiza-Stil’ kennt? Ich bin sicher, keiner weiß, was das ist. Weil Portalea nicht tanzte wie Perita, Perita nicht wie Turco José oder Francisquito oder Milonguita oder Fino. Keiner tanzte wie der andere! Oder Lampazo! Schaut euch eine Reihe von Videos an – worüber redet man da überhaupt? Villa Urquiza-Stil'? Ganz ehrlich: Da bin ich persönlich ratlos, glauben Sie mir!”

Oder Ihnen wird erzählt, so wie uns, als wir mit El Negro sprachen: Ich mache Bühnentango!’ Zum Teufel, entweder ihr tanzt Tango oder nicht! Umarmt euren Tango! Ich tanze Tango, fertig! Nein, ich tanze Bühnentango, nein, ich tanze...’ Nein, ich tanze Tango auf meine Weise. Wenn es Ihnen gefällt, applaudieren Sie – wenn nicht, dann nicht. Fertig!

Und deshalb sage ich nicht: Ich bin der König des Tango.’ Nein, ich habe meinen Stil, meine Art. Das ist mein Tango. Ich weiß nicht, ob er ganz toll ist, ganz schlecht oder Mittelmaß. Und mich kümmert es nicht, es herauszufinden. Ich weiß, was ich fühle, wenn ich tanze, und ich weiß, was ich tue. Das war’s dann schon, verstehen Sie?”

Jeder von uns hat seinen Stil. Und ich mag die Leute, die einen persönlichen Stil haben, einen individuellen Stil für alles. In ihrer Aufmachung, ihrem Tanz, in allem, ganz egal, was sie tun. (...) Persönlichkeit, das ist es!"

http://milongafuehrer.blogspot.com/2015/03/carlos-copello-und-die-schubladen.html

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Copello spielte in etlichen Tangofilmen mit, so auch in dem Klassiker „The Tango Lesson“. Im folgenden Ausschnitt traut er sich, Sally Potter ganz ohne Cabeceo aufzufordern – das waren 1997 noch Zeiten…

https://www.youtube.com/watch?v=eaFYR3GklqU

Aber Carlos Copello kann auch Rock’n Roll – und das (trotz seines Alters) ultra-cool. Viel Spaß!

https://www.youtube.com/watch?v=Nc7OlrggnL4

Ist doch schön, dass die Einnordung manchmal misslingt!

Quelle: Tango am Bodensee, 289. Newsletter

Zu bestellen über: https://www.tangoambodensee.info/index.php/newsletter-neu

Kommentare

  1. Offenbar fehlt mir zum Verständnis ein Teil des Textes von Rafael Herbas, denn ich lese nicht dasselbe heraus wie Du. Für mich klingt sein Resümee ganz klar nach Improvisation und eigenem Empfinden (und damit auch Stil) beim Tango im Gegensatz zum einstudierten und damit festgelegten Showtango seiner Anfangszeit.
    Carlos Copello kann ich nur zustimmen.

    Ich bin heute noch froh über meine Entscheidung von vor ca. 17 Jahren auf meiner ersten Münchner Milonga: mich nicht der Tangoszene zu unterwerfen und mich "hochzutanzen".

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    1. Liebe Carmen,

      stimmt schon, der Autor bleibt ziemlich im Ungefähren. Aber von "mehr Improvisieren" ist nirgends die Rede. Dazu noch dieser Textausschnitt:

      "Da fing ich an, auf Milongas zu gehen und vor allem die alten Milongueros zu beobachten. Wie tanzte man zu diesem Orchester und wie zu einem anderen? Was wurde in den Pausen besprochen? Die gemeinsamen Themen waren die Musik und die Eleganz sowie die täglichen Gespräche über das Wiedersehen mit Freunden. Es war eine neue Welt für mich, und es gab viel zu entdecken und zu lernen. Ich setzte den Unterricht fort und habe auch weitere Lehrer besucht. Dann verbesserte und stärkte ich meine Basis mit meinen Lehrern.
      Nach ständigem Training und mit einem anderen Tangokonzept war es an der Zeit, eine VHS-Kassette mit meinem Lehrer anzusehen:
      Gehen, Gehen, Gehen!"

      Wie dem auch sei: Auf jeden Fall hat der junge Mann sich einen Tangostil aufdrücken lassen, der nicht seiner war. Ich hätte das nicht gemacht.

      Liebe Grüße
      Gerhard

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    2. Na ob der Showstil nun wirklich sein Ding war wissen wir nicht. Man kann auch seinen Stil finden, indem man seine Lehrer sukzessive bewusster aussucht.
      Und ja, für einen Paartanz muss man Tanzpartner finden. Wenn man so tanzt wie diese es bevorzugen ist es deutlich leichter.

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    3. Was man nicht weiß. kann man oft recherchieren. Immerhin haben es die beiden mit einem Showtanz ins ZDF geschafft: https://www.youtube.com/watch?v=7V2PJPy5mLM

      Ich habe meinen Tanzstil weitgehend trotz meiner Lehrer gefunden. Wenn schon, sollte man sich Unterrichtende aussuchen, die einem bei der Entwicklung einer individuellen Tanzweise begleiten. Leider erziehen aber viele Lehrkräfte im Tango ihre Schüler zu kleinen Kopien des eigenen Stils.

      Ich fürchte, öfters geht es den Frauen eher darum, nicht mit jemandem auf dem Parkett gesehen zu werden, der einen vom Mainstream abweichenden Stil zeigt. Sonst werden sie nämlich von den lokalen Platzhirschen hinfort ignoriert!

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    4. Showtango, zumal für das Fernsehen, folgt eigenen (Werbe-)Gesetzen ... ich würde da nicht viel drauf geben; auf das was er schreibt übrigens auch nicht. Entweder man sieht ihn zumindest mal unterrichten, zumindest mal mit einer fremden Tanguera tanzen - oder es gilt die Unschuldsvermutung.

      Warum Frauen mit jemandem tanzen, warum sie es nicht tun, warum sie bei frontaler Aufforderung dann doch mit bewegungslegasthenen Möbelpackern tanzen, das alles wird mir ein Rätsel bleiben. ;-)

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    5. Vielleicht, weil sie sonst den ganzen Abend zu überhaupt keinem Tanz kommen?

      Videos, in denen Tangolehrer unterrichten und man dabei auch die Schüler tanzen sieht, suche ich seit Jahren vergeblich. Erst recht Bildmaterial, wo Lehrer mit einer fremden Tanguera tanzen.

      Falls du da fündig werden solltest, bitte ich um sofortige Nachricht!

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    6. "Da fing ich an, auf Milongas zu gehen und vor allem die alten Milongueros zu beobachten. Wie tanzte man zu diesem Orchester und wie zu einem anderen? Was wurde in den Pausen besprochen? Die gemeinsamen Themen waren die Musik und die Eleganz sowie die täglichen Gespräche über das Wiedersehen mit Freunden. Es war eine neue Welt für mich, und es gab viel zu entdecken und zu lernen. Ich setzte den Unterricht fort und habe auch weitere Lehrer besucht. Dann verbesserte und stärkte ich meine Basis mit meinen Lehrern."
      Hmmmm.....auch da lese ich nichts von einem aufgedrückten Stil heraus. Im Gegenteil, genauso findet man meiner Meinung nach seinen eigenen Stil: Indem man zu verschiedenen Lehrern geht, sich von jedem etwas mitnimmt, was einem liegt oder gefällt, sich andere Tänzer ansieht und für sich herausfindet, was einem gefällt.
      Einen Stil aufgedrückt bekommt man eher, wenn man bei einem Lehrer bleibt und brav und blind alles nachtanzt. So wird man zur Kopie, die natürlich immer schlechter sein wird als das Original und damit bleibt man ewig als Schüler erhalten. Ein guter Lehrer ermutigt seine Schüler, auch zu anderen Lehrern zu gehen. Und er fördert die individuellen Stärken.

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    7. Na gut, dann ziehen wir aus dem Text unterschiedliche Schussfolgerungen. Macht ja nichts - soll bei Textinterpretationen öfters vorkommen.

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  2. Hallo Herr Riedl,
    Also Euer Dialog ist schon echt komisch.
    So ist es halt wenn das einzige Recherchemittel das Internet ist. Da kann man ewig nach einem Video suchen und die Realität geht an einem Vorbei. Ich hoffe Ihnen ist in vollem Umfang bewusst, dass es einen Unterschied gibt wie das Internet den Tango abbildet und wie er in echt ist. Vielleicht rührt daher der große Widerspruch den Ihre Artikel oft ernten. Ihr YouTube-Blickwinkel unterscheidet sich wahrscheinlich immens zu den Eindrücken, welche andere Menschen auf Milongas, Marathons Workshops und im Unterricht sammeln. Streng genommen wird da von zwei verschiedenen Sachen geredet. Ich persönlich empfinde oft einen großen Widerspruch zwischen dem was ich bei Ihnen lese und was ich in der Szene erlebe. Beispiel Codigos. In meiner täglichen Erfahrung erlebe ich, dass sie leben und gut funktionieren. Da sie keine aktuellen Videos zu Codigos finden müssen Sie davon ausgehen, dass sie im Niedergang sind.

    Grüße,
    Sören Gibser-Jensen

    PS: wenn man es geschickt anstellt, dann ist es durchaus möglich, dass man im Internet nicht gefunden wird.

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    1. Na, das wird sicher seine Gründe haben...

      Sicherlich wird jeder im Tango andere praktische Erfahrungen machen. Ich schildere halt die meinen - bis zur Corona-Krise waren das mindestens drei Milongas pro Woche.

      Zu den Códigos empfehle ich das Studium des gleichnamigen Tags auf meinem Blog, welcher 49 Artikel zum Thema ausweist. Da gibt es auch einige Videos.

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    2. ".....dass es einen Unterschied gibt wie das Internet den Tango abbildet und wie er in echt ist"

      Natürlich gibt es da einen Unterschied. Im Internet muss man übertreiben, wenn man herausstechen will. Also gilt "größer, schneller, komplizierter....usw."
      Das Problem sehe ich nur bei Otto Normalverbraucher, der dann meint, das wäre Tango und dann bei einem der 08/15-Lehrer landet, der ihm erzählt, er müsse nur fleißig in seinen Unterricht kommen und brav Alles nachtanzen, dann wird das schon irgendwann was mit dem Tangotanzen. Woher soll er denn auch wissen, was ein guter Lehrer ist, da behauptet doch jeder, er wäre der Beste. Die Erfahrung, die Spreu vom Weizen zu trennen, hat man als Anfänger doch meistens nicht.
      Außerdem wollen sich die Meisten gar nicht so intensiv damit beschäftigen, Leistung muss man doch schon im Job genügend bringen, da will man es doch in der Freizeit einfacher haben und glaubt dann gerne den Versprechungen "bei mir lernst Du Tango leicht und schnell"....und so sieht es dann halt leider auch aus: simpel und austauschbar, ohne Seele und Gefühl, ohne Bezug zur Musik.

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  3. Herr Riedl,
    Sie schreiben da über zwei unterschiedliche Themen:
    1. Über den Unterschied zwischen choreografiertem Bühnen-Tango und improvisiertem Tango auf der Piste einer Milonga. Was nichts mit dem Thema Stil zu tun hat, aber sehr wohl in 2 Kategorien einzuordnen ist, in möglichst spektakuläres Tanzen für ein (Laien)-Publikum und Tanzen auf gefüllten Tanzflächen ohne Choreografie. Sie scheinen diesen Unterschied, trotz mehrfacher Dementi, einfach nicht akzeptieren zu wollen, das beweist Ihr erster Teil ihres Beitrags über die Erzählung von Herbas.
    2. Über Tango-Stile, die immer wieder mit tänzerischem Unvermögen verwechselt werden. Natürlich gibt es auch in B.A. Einordnungen. Aber es geht bei Stilen im Allgemeinen um persönlichen Tanzstil, den zu entwickeln, jahrelange Erfahrung erfordert. Ich habe mit Carlos Copello im Jahr 1995 viel Zeit verbracht, wir waren in B.A. viel gemeinsam unterwegs in seinem SEAT, was für mich als Tourist sehr gut war, weil ich viele Milongas in der Peripherie besuchen konnte, die für Normal-Tango-Touristen per „Subte“ oder Collectivo nicht zu erreichen waren. Er hat mir viel über Stile erzählt und über gute Tänzer, die noch darüber verfügten, während viele andere Tänze nur die schlechte Kopie von anderen waren. Also ist die Schlussfolgerung, die Sie aus seinen Worten ziehen wieder mal aus dem Zusammenhang gerissen, weil er nämlich damit den persönlichen Stil meinte und nicht die Einordnung in die Schublade „Villa Urquiza“, denn auch die Tänzer, die aus dieser näheren Tänzer-Umgebung kommen, tanzen ihren persönlichen Stil.
    Esteban Moreno hat mal in den 90er Jahren in Münster einen ziemlich erbosten Vortrag über Tango-Stile gehalten, weil ein «schlecht tanzender» Schüler behauptete, es sei eben sein Stil so zu tanzen. Moreno brachte den Vergleich mit Picasso, der sehr gut zeichnen konnte, bevor er abstrakt wurde und seine blaue oder rosa Phase entwickeln konnte. Als Tänzer betrachtete er auch El Negro Portalea als Könner, der eben bestimmte Dinge BEWUSST anders tanzte als die große Menge der Tänze.
    Natürlich tanzt man Tango, wie es dem Gefühl entspricht und natürlich sind hier in Deutschland 80% der Tänzer:innen weit davon entfernt einen Stil entwickelt zu haben, weil sie es auch garnicht wollen, um einigermaßen tausch-kompatibel tanzen zu können. Etwas, was Chicho Frumboli den Encuentro-Tänzern vorwarf, weil Tänzer mit eigenem Stil garnicht die Chance hätten, mit eigenem Tanzstil in der oft sehr homogen tanzenden Encuentro-Szene aufgenommen zu werden. Und leider haben die Wettbewerbe in Buenos Aires den persönlichen Tanzstilen den Garaus gemacht.

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    1. Lieber Herr Wendel,

      halten wir zunächst fest: Zitate, die Ihnen nicht gefallen, sind stets "aus dem Zusammenhang gerissen". Sorry, ich habe Carlos Copello hier wirklich ausführlich zu Wort kommen lassen, und es wird sonnenklar, was er meint. Zudem habe ich in den verlinkten Artikel ein fast 70-minütiges Video-Interview mit Copello eingefügt (spanisch / englisch). Wer möchte, kann hier Zusammenhänge ohne Ende finden.

      Und sorry, der Unterschied zwischen Bühnen- und Salontango ist mir schon klar - nur wird er stets von gewisser Seite gigantisch aufgeblasen, um gegenteilige Ansichten zu entkräften. Beispielsweise gibt es genügend Showtänze, die improvisiert dargeboten werden - und Salontänzer, welche Choreografien abtanzen.

      Ein anderer bekannter rhetorischer Dreh besteht darin, abweichende Tanzstile, die einem nicht gefallen, als "Unvermögen" darzustellen. Ich habe in meinem Buch dazu den Satz geschrieben: "Die Summe der eigenen Fehler nennt man Stil." Ein wenig mehr Toleranz anstatt "Tango-Todesurteilen" würde uns allen helfen.

      Ansonsten wäre ich froh, wenn sich Tangolehrer nicht auch noch als Experten für Malerei aufspielen würden. Dass in Deutschland 80 Prozent der Tango Tanzenden keinen eigenen Stil entwickeln, liegt vor allem an dem lausigen Unterricht. Da läge genug Arbeit herum, ohne dass man sich auch noch mit Picasso beschäftigen müsste.

      Weiterhin verhindert ein eigener Stil überhaupt nicht, sich auf die Eigenheiten eines fremden Partners einzulassen. Die Ursache der Abstimmungs-Probleme sehe ich viel mehr in dem elenden Tanzschritt-Verkauf, nach dem man dann halt seine Choreografie dem Partner aufzwingen muss.

      Abschließend noch meine Bitte, genauer auf meine Texte einzugehen anstatt Memoiren zu veröffentlichen.

      Beste Grüße
      Gerhard Riedl




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    2. Herr Riedl,
      Mit „aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten“ kritisiere ich nur „aus dem Zusammenhang gerissene Zitate“. „und nicht Zitate, weil diese mir nicht gefallen“, das ist eine üble Unterstellung.
      (Ihre Verweigerung anonyme Antworten unter Ihren Beiträgen zu verweigern, aber anonyme Lobeshymnen zu veröffentlichen - wird von Ihnen schon eher je nach Ihrem Gusto umgesetzt. Mehrmals erlebt.)

      Meine Antworten auf Ihre Beiträge fallen deshalb so negativ aus, WEIL ich Ihre Beiträge so genau durchlese.
      Und in Ihrer Antwort bestätigen ja, wie Sie die Bedeutung von „Stile im Tango“ umdeuten, dessen Interpretation Sie aus einem missverstandenen Videobeitrag und Ihrer - mit Verlaub - eigenen tänzerischen „Fehleinschätzung“ beziehen.

      Im Allgemeinen werden unter den Kennern im Tango der persönliche Stil eines Tänzers, als eine „Andersartigkeit“, Esprit, bewundert.
      Zitate, (die Sie häufig lustigerweise aus Ihren eigenen Quellen als Referenz beziehen, als wenn dadurch Ihre fehlerhaften Aussage wahrhaftiger würden) wie dieses: […]"Die Summe der eigenen Fehler nennt man Stil."[…] sind absurd, weil kaum jemand eine Summe an Fehlern bewundern würde.
      Die ganzen Tänzer, die Carlos in seinem Interview aufzählt, bewundert er, weil sie GUT tanzten UND ihren eigenen Stil hatten.
      Und natürlich tanzt Carlos auf der Piste und auf der Bühne völlig unterschiedlich. Was er meint, ist, dass er jeweils „seinen Tango“ tanzt.

      Das Resümee, dass Sie aus einem YouTube-Video mit dem Interview mit Carlos Copello als Berechtigung für beliebiges (auch schlechtes) Tanzen ziehen, ist inakzeptabel, eine beliebige Interpretation, der Sie mehr Wahrheitsgehalt zugestehen als persönlichen Gesprächen, das ich mit ihm hatte. (von Ihnen abfällig als Memoiren abgetan)
      Offenbar trauen Sie Interview-Gesprächsfetzen in Videos aus der YouTube-Universität, in dem Carlos Copello einfach so dahin fachsimpelt und seine Meinung mitteilt, eine zu hohe fachliche Kompetenz zu, aber komischerweise nur den Sätzen, die Ihrem kognitiven Bias entsprechen könnten. Aber, wie ich sagte, wirklich aus dem Zusammenhang gerissen, denn das Interview ist immerhin 109 Minuten lang, Und die Übersetzung in den Unteriteln ist wirklich sehr oberflächlich. Oder sprechen Sie etwa spanisch?
      Den Kerninhalt dieser Interviewfragmente treffen Sie mit Ihrem Beitrag in keiner Weise!
      Ich sage es nochmal: Ich halte Sie durch viele Fehleinschätzungen wie diesen in Ihrem Buch und Ihren Beiträgen in vielen Bereichen des Tangos für inkompetent. Sie haben nur Chemie uind Biologie studiert aber keinen Tango. Oder haben Sie in Ihrem Schulunterrichtsfächern auch so aus dem Bauch heraus unterrichtet? Ich sage es deshalb, um zu verhindern, dass manche Ihrer Leser jede Ihrer Darstellungen unwidersprochen glauben könnten.

      PS: Zum Beispiel Chicho Frumboli & Juana Sepulveda improvisieren in Shows spektakulär fürs Publikum, (Tango espectaculo genannt) aber auf der Piste nur für sich, aber tanzen dort sehr zurückhaltend, wenn es voll ist, Tango de la Pista.
      Beide Tanzrichtungen entspringen unterschiedlichen Intentionen, sind nicht das selbe und man sollte sie deshalb nicht über einen Kamm scheren.

      Mit freundlichen Grüßen
      Klaus Wendel

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    3. Lieber Herr Wendel,

      manchmal komme ich mit Ihren wirren Formulierungen nicht mehr mit: „Ihre Verweigerung anonyme Antworten unter Ihren Beiträgen zu verweigern“ – äh, wie bitte?

      Der Satz „Die Summe der eigenen Fehler nennt man Stil“ ist nicht von mir – ich habe ihn irgendwo aufgeschnappt und dann in mein Tangobuch übernommen. Ich finde ihn immer noch herrlich – allerdings setzt er Verständnis für Selbstironie voraus.

      Klar, nun können wir noch lange über ein langes Interview mit Carlos Copello streiten, bei dem Ihnen bereits die englischen Untertitel missfallen. Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, dass ich im Artikel Copello lediglich zitiere, ohne auch nur einen Satz Interpretation anzubieten.

      „Die ganzen Tänzer, die Carlos in seinem Interview aufzählt, bewundert er, weil sie GUT tanzten UND ihren eigenen Stil hatten.“ Ja, sehe ich auch so. Nur ist halt die Einschätzung, was „gut“ ist, ein wenig subjektiv.

      Ihre Diagnose steht ja eh fest: Sie halten mich „in vielen Bereichen des Tangos für inkompetent“. Ich hätte „nur Chemie und Biologie studiert, aber keinen Tango“. Na ja, immerhin habe ich einen Universitäts-Abschluss. Und Sie? Können Sie ein Studium an einer Tanzakademie plus Examen vorweisen?

      Das Ziel der Kampagne, welche derzeit wieder einmal läuft, ist klar: Leser sollen abgehalten werden, da ich ja eh keine Ahnung hätte. Ich kann nur sagen: Das wird genauso in die Hose gehen wie ähnliche Attacken die Jahre zuvor, die mein Blog immer populärer gemacht haben.

      Ich frage mich manchmal, was Ihre Tangoschüler dazu sagen, wenn Sie hier das „HB-Männchen“ geben. Aber das ist ja nicht mein Problem.

      Beste Grüße
      Gerhard Riedl

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    1. Ich veröffentliche keine Kommentare, die nichts mit dem Inhalt meines Artikels zu tun haben, sondern sich nur in persönlichen Herabsetzungen ergehen.

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  5. Was ich sehr aufschlussreich finde: Kaum schreibe ich zum Gruppendruck im Tango, scheinen einige Leute ziemlich nervös zu werden. Habe ich da einen wunden Punkt getroffen?

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