Was ich alles nicht muss
In unserer Facebook-Gruppe „Was Sie schon immer über Tango wissen wollten...“ soll es erklärtermaßen um diesen Tanz gehen. Daher verlinke ich dort keine Artikel von mir zu anderen Themen.
Mein Text „Zum Testen was Neues“ zog jedoch eine satirische Parallele zwischen den Verfahrensvorschriften zum Corona-Schnelltest an bayerischen Schulen und den Debatten, unter welchen Voraussetzungen man zukünftig an Milongas teilnehmen kann. Dies lockte offenbar querdenkende Zeitgenossen auf den Plan, welche unbedingt über medizinische Aspekte der Corona-Tests diskutieren wollten. Die verbissenen Debatten über diese Thematik kenne ich aus den sozialen Medien zur Genüge. Daher bat ich:
„Ich möchte hier keine pseudo-virologischen Debatten. In meinem Artikel ging es um etwas ganz anderes.“
Ein Gruppenmitglied, welches unbedingt über Jens Spahn, weiße Armbinden für Getestete und Wasserwerfer diskutieren wollte, schloss ich dann aus.
Weiterer Stein des Anstoßes war wohl, dass ich auf einen Kommentar antwortete, der die Ansicht vertrat, Kinder und Jugendliche kämen mit den Tests ganz gut zurecht:
„Ich glaube auch, das Gedöns kommt, wenn überhaupt, eher von den Eltern.“
Daraufhin gab eine Kommentatorin zu Protokoll:
„Kinder kann man auch in den Krieg schicken, wenn man ihnen weismacht, dass das für einen guten Zweck ist. Die Geschichte ist voll davon... Manche nennen sowas moralischen Kindesmissbrauch.“
Aus meiner Sicht sind solche Sprüche unterste Schublade: Niemand missbraucht hier Kinder oder schickt sie gar – auch nicht metaphorisch – in einen Krieg. Man kann die Erfolgsaussichten schulischer Schnelltests verschieden beurteilen. Aber die Absicht ist nicht, Kindern zu schaden, sondern im Gegenteil, Leben zu retten. Das Schwingen solcher Pseudo-Moralkeulen finde ich schlicht unappetitlich.
Übrigens sieht man in diesem Bericht sehr schön, wer Kinder wie instrumentalisiert:
https://www.youtube.com/watch?v=fPGfZy9Thy8
Meine Bitte an die Schreiberin, „verbal abzurüsten“, brachte die erst richtig auf:
„Habe ich irgendjemanden beleidigt, Schimpfworte oder Fäkalsprache benutzt? Ich habe lediglich eine Tatsache dargestellt.“
Nein, werte Dame, Tatsachen sind das nun wirklich keine. Sondern ziemlich abenteuerliche Parallelen und Unterstellungen! Ich empfahl der Autorin, ihre unsäglichen Ansichten lieber auf den vielen Querdenker-Seiten zu veröffentlichen. Ihre Replik ist es wert, in voller Länge zitiert zu werden:
„Unsäglich? Etwas darf nicht gesagt werden? Weil es möglicherweise wahr ist? Oder warum? Kennst du den Unterschied zwischen Vergleich und Gleichsetzung? Du bist doch ehemaliger Lehrer, oder? Du müsstest den Unterschied eigentlich erkennen.
Du müsstest auch wissen, dass es viele Arten des Missbrauchs gibt. Es gibt sexuellen Missbrauch, emotionalen Missbrauch, moralischen Missbrauch, politischen Missbrauch und so weiter. Mit klarem Denkvermögen kann man diese Missbräuche auseinanderhalten und muss nicht zur Zensur greifen.
Warum soll ich mich auf ‚Querdenker‘ Seiten äußern? Was auch immer das sein soll.
Eine Demokratie lebt von der geistigen und intellektuellen Auseinandersetzung. Wer das unterbinden will, kann nicht wirklich demokratisch handeln.
Hast du Probleme mit abweichenden Meinungen? Scheust du den Diskurs?“
Ich habe hier einmal typische Querdenker-Formulierungen rot markiert – es fehlt eigentlich nur eine: dass ich „aufwachen“ solle.
Der nächste Kommentator druckte mir dann gleich noch die einschlägigen Grundgesetz-Bestimmungen ab – falls ich sie nicht kennen sollte. Ich habe das gelöscht und obige Dame aus der Gruppe entfernt. Die Debatte wäre sonst noch endlos weitergegangen. Und mit Tango hätte sie nichts zu tun gehabt.
Die verstiegenen Ansprüche solcher Zeitgenossen beruhen im Wesentlichen darauf, andere belehren zu wollen – habe ich ausgiebig auch bei führenden Tangopersönlichkeiten erlebt: Dies und jenes müsse ich kennen respektive wissen.
Meine Haltung ist da völlig entspannt: Nein, muss ich nicht. Ich darf Dinge für unwichtig, uninteressant oder auch puren Quatsch halten. Keiner hat das Recht, mir vorzuschreiben, womit ich mich zu befassen habe.
Ein noch
schlimmerer Irrglaube besteht darin, seine seltsamen Ansichten jederzeit und überall den Mitmenschen
aufdrängen zu sollen. Man hält das für „Meinungsfreiheit“.
Nein, die besteht lediglich darin, dass niemand für seine Auffassungen staatlich sanktioniert werden darf, so lange sie nicht dem
Strafrecht oder Persönlichkeitsschutz widersprechen. Ob er oder sie seine Predigten
nun aber im Bundestag, im Kölner Dom, auf einem Blog oder in unserer
Facebookgruppe abhalten darf, bestimmt der jeweilige Hüter des Hausrechts. Zensur wäre es nur, wenn Meinungsäußerungen
staatlichen Stellen zur Genehmigung vorgelegt werden müssten. Hier aber hat man es mit Leuten zu tun, die den ganzen Tag über erzählen, „was man nicht sagen darf".
Ob ich die „geistige und intellektuelle Auseinandersetzung“ (was immer damit gemeint ist) mit jemandem suche, bleibt meine Sache – und eine Verweigerung kein undemokratischer Akt. Die Staatsform Demokratie zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass Regierende in gewissen Abständen vom Volk gewählt werden. Sie beinhaltet nicht das generelle Recht, seinen Blödsinn rund um die Uhr in jedes Ohr zu pusten respektive auf jede Seite zu schmieren.
Klar habe ich manchmal „Probleme mit abweichenden Meinungen“ – beispielsweise, wenn ich sie für schwachsinnig halte. Als Demokrat setze ich mich dennoch dafür ein, dass sie geäußert werden dürfen. So lange ich der Pflicht entkomme, sie mir anhören zu müssen. Und ich weigere mich ebenfalls, ein Attest für mein „Denkvermögen“ von Leuten zu benötigen, die und deren Beleuchtungszustand im Oberstübchen ich glücklicherweise nicht näher kenne.
Ich nehme für mich in Anspruch, als Blogger genau gegenteilig zu agieren: Meine Texte muss niemand lesen, ich verlange von niemandem, etwas unbedingt zu kennen oder sich damit zu beschäftigen. Die Artikel verlinke ich ausschließlich auf eigenen Seiten. Nie käme ich auf die Idee, sie auf Accounts anzubieten, wo irgendein Hansel den Weltuntergang beschwört. Da achte ich nicht nur das Hausrecht, sondern schütze meine Beiträge auch vor geistiger Kontamination. Ich hatte sogar einmal darum gebeten, Texte von mir nicht zu verlinken:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2020/09/eine-wichtige-bitte-meine-leser.html
Wen meine Beiträge interessieren, der wird sie früher oder später finden. Über einen Mangel an Aufmerksamkeit kann ich mich nicht beschweren.
Ich bitte daher zu respektieren, dass ich meine Ruhe von aggressiver Belehrung haben möchte. Insbesondere ängstigt mich die häufig gelesene Parole, doch endlich „aufwachen“ zu sollen, da man ansonsten ein „Schlafschaf“ sei. Ich bin da historisch vorbelastet: „Deutschland erwache“ ist der Refrain der um 1920 von Dietrich Eckart verfassten SA-Hymne „Sturmlied“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sturmlied
Da bestehe ich auf meinem gesunden Schlaf.
Quelle:
https://www.facebook.com/groups/1820221924868470
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