Tango-Anekdoten III

 

Hier nun der dritte Teil meiner kleinen Serie mit Unglaublichem, aber selbst Erlebtem aus früheren Tango-Zeiten. Weiterhin viel Vergnügen!

Fremd-Bestäubung

Ich kriege regelmäßig die Krise, wenn Veranstalter oder gar Gäste den Tanzboden mit irgendwelchen Pülverchen bestreuen. Gerade Mütter gemahnt die Piste wohl an einen gigantischen Babypopo (biologisch: übernormale Attrappe), welche sie hingebungsvoll bepudern. Anschließend zieren meine Hose dann „Wasserstands-Markierungen“ diverser weiblicher Fußaktionen.

http://milongafuehrer.blogspot.com/2016/05/tango-auf-dem-babypopo.html 

Merke: Auf ein gutes Parkett muss nix drauf, sondern im Gegenteil was weg, nämlich der Papp von Jahrzehnten, welcher sich nämlich mit der Luftfeuchtigkeit zu einem zähen Belag verbindet. Also: putzen, nicht bestäuben!

Im Vorraum einer Milonga sah ich eine Zeitlang einem Tanguero zu, der mit Hingabe seine Tangoschleicher säuberte, bürstete und puderte. Er musste wohl meinen Gesichtsausdruck bemerkt haben, da er meinte: „Gell, die jungen Tänzer haben immer so ein G’schiss mit ihre Schuh!“ Allerdings!

Ein älterer Standardtrainer beobachtete uns einmal sinnend beim Aufrauen unserer Tanzschuhe und dem Hantieren mit Puder. Sein Kommentar: „Ich hab meine Sohlen noch nie gebürstet. Ich zieh meine Tanzschuhe einfach so lange an, bis sie kaputt sind – dann werf‘ ich sie weg. Und wieso wollt ihr mangelnde Technik durch Chemie ersetzen?“

Da ist wirklich etwas dran: Wenn eine Tanzbewegung nicht ganz sitzt, fängt es bei zu glattem oder stumpfem Untergrund erst recht zu wackeln an. Ist sie dagegen sehr gut ausbalanciert, klappt sie auch bei weniger gutem Boden. Und man muss die Drehgrade ja auch nicht übertreiben. Und für die Damen: Wenn der Schuh dem Fuß keinen festen Halt gibt, sondern nur aus ein paar Riemchen mit Sohle besteht, hilft der Griff zur Puderdose nicht wirklich. 

Bei sehr rutschigem Untergrund habe ich mir das Manöver eines Showtänzers abgeschaut. Er ging mit einem Glas Wasser vor die Tür, schüttete einen Schluck auf den Boden und stieg mit den Ballen in die Pfütze. (Wenn’s draußen regnet, wird es noch einfacher.) Der Effekt hält eine gute halbe Stunde an.


Eidlich versichert

In etlichen Männerköpfen geistert ja nach wie vor eine große Skepsis gegen führende Frauen.

Vor langer Zeit wurde in unserer Region für eine Milonga geworben, welche angeblich noch argentinischer war als alle anderen. Eine Tangobekannte war einmal dort und fand eine kleine Zahl von Paaren vor, die alle exakt die gleichen Figuren tanzten – schon dies ein Beleg für straffe Führung. Da die dortige Chefin auch Tangostunden gibt, fragte sie unsere Kollegin, ob sie bei ihr auch das Führen lernen könne. Die Antwort der Lehrerin: Sie habe ihrem alten Lehrmeister in Buenos Aires schwören müssen, niemals einer Frau die Männerschritte beizubringen. So wahr ihr Gott helfe! 

 

Das Schicksal des Profitänzers 

Ein Bekannter klärte eine Tangofreundin über die Eigenheiten verschiedener Tangofeste auf: „Auf der Milonga in … darfst du dich halt nicht verunsichern lassen. Da ist meistens so ein Profitänzer, der springt und wirbelt nur so herum.“

Unsere Bekannte fragte zurück: „Was tut eine Frau, wenn ein Mann derartig herumhüpft? Nachladen!“

 

Der alte Mann und das Mehr

In unserer Anfangszeit lernten wir den Tanzpartner einer Tangofreundin kennen, welchen die tangotypische Lebensfreude auszeichnete: Er jammerte bei seinem Erscheinen, die ganze Zeit während der Milonga und beim Weggehen. Ob es daran lag, dass er stets nur mit seiner Partnerin tanzte?

Einmal fasste ich mir ein Herz und forderte seine Begleiterin auf, während er mit meiner Frau ungerührt sitzen blieb. Kurz darauf gestand er mir unter vier Augen: „Sei mir ned bös‘, aber mit so kloane Frauen kann i ned tanz’n!“

Schon vor fast 20 Jahren merkte ich, dass man Karin und mich auch bereits zur älteren Fraktion zählte. Mehr als einmal wurde uns damals die Frage gestellt: „Und seit wann seid ihr schon in Pension?“ Nun gut – inzwischen stimmt es ja… 

Ein älterer Tanguero, den wir „Foxi“ getauft hatten, weil er bei geringer Körpergröße gerne supergescheit daherredete, liebte es, vor der Milongatür gute Ratschläge zu allen möglichen Themen zu verteilen. Wenn er gegen Mittnacht ging, ließ er uns wissen: „In unserem Alter sollten wir jetzt der Jugend die Tanzfläche überlassen.“ 

Eine recht hoheitsvoll daherkommende reifere Tanguera nervte mich mehrere Abende lang mit der stets gleichen Suada: Sie würde ja so gerne zu unserer Milonga kommen, wenn es nicht so weit zu fahren wäre (schätzungsweise 60 km). Schließlich gab ich zurück. „Ich fahre manchmal 140 km zu einer Veranstaltung!“ Sie darauf: „Was, in deinem Alter?“ „Na, gerade deshalb“, so meine Auskunft, „den Eintritt zahlt bei mir die Kasse, und fahren tut mich unser Zivi.“

Das männliche Selbstbewusstsein leidet durch Altern bekanntlich wenig, da die Milongueros ja nur reifer und attraktiver werden. Ein Vertreter dieser Spezies teilte mir einmal mit, früher hätten ihm stundenlang herumsitzende Tänzerinnen leidgetan. Aber: „Inzwischen kann ich das ausblenden.“

Ein mir sehr gut bekannter Tangofreund bildet da eine rare Ausnahme: In seinen depressiveren Phasen ist er fest davon überzeugt, alle anderen Männer tanzten besser als er – daher habe er den gerade erhaltenen Korb völlig verdient. Vorsichtshalber nimmt er auf die Milongas Zeitschriften wie „Spiegel“ oder „Focus“ mit. Er überlässt es dann seiner Gattin, sich auf der Piste zu amüsieren, und zieht sich lesend in eine abgelegene Ecke zurück.

Da Highlight aus der Abteilung „geriatrischer Tango“ aber war ein Tänzer, der für ein halbes Jahr auf allen möglichen Milongas auftauchte, dann aber wieder spurlos verschwand. Detlef, wie wir ihn nennen wollen, war so eine Art später Cary Grant.

Tango tanzen konnte er zwar überhaupt nicht – stattdessen schritt er in engster Umarmung mit Schritten fürbass, welche durch viertaktige Pausen unterbrochen wurden. Auch das bewahrte ihn nicht vor gelegentlichen Kollisionen mit dem Geläuf seiner Partnerinnen, worauf er ihnen mit heißem Atem ein „Tschuuldigung“ ins Ohr hauchte. Direkt am weiblichen Gehörgang brachte er auch röchelnde Komplimente dar.

Dennoch erschien er mit immer wieder anderen, meist deutlich jüngeren Begleiterinnen – Höhepunkt war eine Walküre mit 1,85 lichter Höhe, mit klassisch antik gelockter Hochsteckfrisur. „Detlef und die Amphore“ waren das Tagesgespräch!

https://milongafuehrer.blogspot.com/2015/01/detlef-und-die-amphore.html

Niemals hätten wir damals vermutet, deren Tanzweise würde dereinst als „umarmungsfokussierter Tango“ gepriesen…

 

An der richtigen Stelle

Es gibt Tangueros, von denen ich mich ständig beobachtet fühle, da sie eine deutliche Neugierde ausstrahlen. Es gibt wenig, was ihnen entgeht. Meist warten sie, bis ich vor der Tür eine Rauchpause einlege, um mich dann mit Erkundigungen nach Dingen zu belästigen, die sie überhaupt nichts angehen.

Beispielsweise wollen sie bei jüngeren Tanzpartnerinnen von mir häufig wissen, ob es sich bei ihnen um unsere Tochter handle. Meine Frau gab einmal die Auskunft: „Frag sie selber – sie spricht schon.“  Mehr als einmal wurde ich auch um Kontaktadressen solcher Damen gebeten.

Ich schwöre: Wer nochmal nach unseren Familienverhältnissen fragt, dem sage ich: „Du, das ist eine seltsame Geschichte: Auf einem Urlaub in der hinteren Mongolei kamen wir an einem Brunnen vorbei. Da hörten wir aus der Tiefe das jämmerliche Geschrei eines Babys…“

Ein besonders Neugieriger, der mir eine Zeitlang folgte wie eine Gewitterwolke, ertappte mich in der Garderobe beim Schuhwechsel. Seine Frage: „Gehst du etwa schon?“ Meine Antwort: „Nein, ich wechsle nur die Schuhe wegen des rutschigen Parketts.“ Darauf er: „Ich zeig dir eine Stelle, die nicht so glatt ist!“

Ich brauchte etwa eine Minute, bis ich den Vorschlag kapierte: Na klar, das entsprach ganz seinem Tanzstil…

 

Die stabile Mitte

Dass uns beim Tango regelbewehrte Zeiten bevorstehen, ahnte ich das erste Mal, als eine früher ganz vernünftige Tangolehrerin und Veranstalterin plötzlich anfing, auf ihrem Parkett sowas wie eine Ronda etablieren zu wollen.

Ihr Etablissement konnte man in einen größeren und kleineren Bereich abtrennen. Am Anfang eines Tangofestes lief im Nebenraum noch ein Workshop (überteuert, da mit internationalen Stars). Wiederholt kam ihre Anweisung: „Nicht in der Mitte tanzen!“  In der Folge drehte sich ein Strudel dichtgedrängter Paare um ein gähnend leeres Zentrum. Irgendwann hatte ich die Faxen dicke und nutze den freien Raum.

Den genervten Zuruf der Chefin: „In der Mitte tanzen nur Idioten!“  beantwortete ich mit „Nein, die tanzen im anderen Saal…“

Fortsetzung folgt!

Kommentare

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