Tango-Anekdoten I

 

Das Ausräumen meines Arbeitszimmers fördert immer wieder Erstaunliches zutage: Heute entdeckte ich ein altes Manuskript, welches wohl aus den Jahren 2007 bis 2011 stammt und das wir dereinst  in Fortsetzungen auch für die Besucher unseres damaligen „Tango an der Ilm“ in Pfaffenhofen ausgelegt haben. 

Manche der Geschichten sind auch in die Erstausgabe meines Tangobuches gelangt, aber sicher nicht alle. Daher werde ich die insgesamt 15 Seiten Stück für Stück auf meinem Blog (leicht bearbeitet und ergänzt) veröffentlichen. Die Zeiten sind ja gerade für uns Tangomenschen traurig genug, dass wir jede Aufheiterung brauchen können. Daher viel Vergnügen bei den gesammelten Tangogeschichten, die alle zwei Dinge gemeinsam haben: Sie klingen unglaublich, sind aber wahr!

Beim Tango sollte man weniger reden und mehr tanzen. Dennoch ist beim Abkühlen zwischen zwei Runden auf dem Parkett ein „Small Talk“ am Rande desselben nicht zu verachten. Schließlich will man ja auch noch wissen, wie es auf der letzten Milonga in X war, zu der man leider nicht kommen konnte, ob der DJ Y wieder so grauslich aufgelegt hat wie sonst, ob A jetzt wieder mit Z tanzt oder das Beziehungsproblem mit B dies immer noch verhindert, ob Tanguera C wieder so gnadenlos aufgefordert hat wie meistens – und was an dergleichen nützlichen Informationen noch existieren mag.

In dieser Hinsicht besonders ergiebig sind Fahrgemeinschaften, zumal auf der Strecke nach Hause, wenn Erschöpfung, Alkohol und (Un-)Glückshormone die Zungen besonders geschmeidig machen. So kommt man oft gegen zwei Uhr früh an Geschichten, Sprüche und Einlassungen, die einen Ehrenplatz in der „Tango-Vitrine“ verdienen.

Dennoch, liebe Tangofreundinnen und -freunde, nicht böse sein, wenn ihr den Verdacht hegt, zu den Urhebern der folgenden Anekdoten zu zählen! Erstens sieht das nur so aus und kann ja bei eurem stets korrekt-coolem Auftreten gar nicht sein, zweitens ist es euer eigenes Risiko, einen Satiriker wie mich mit solchen Herausforderungen zu bedienen, und drittens: Um wieviel ärmer wäre der Tango ohne die kleinen Schwächen derer, die ihm verfallen sind?

Also trotzdem viel Spaß!


Zoologisches

Wegen der räumlichen Nähe begleitete uns ein junger Mann eine Zeitlang auf  die Milongas. Mich amüsierten immer wieder seine drolligen Sprüche und auch die Erzählungen über seine neuesten Tango-Favoritinnen. Da er auf den Typus „blonde Prinzessin“ festgelegt war, klangen die Geschichten stets relativ ähnlich. Ebenso üblich war dann der Frust, welcher sich regelmäßig wieder einstellte, weil die Damen halt einen Prinzen erwarteten…

Einmal unterhielten wir uns über die „Tango-Typen“ in meinem Buch. Da meinte er, heute Abend habe er einen neuen entdeckt: die hüpfende Tanguera. Er sei aber gar nicht unglücklich darüber gewesen, sondern habe sich gedacht: „Da schau her, a Känguru – aa ned schlecht!“ 

Weniger nett ist da die Charakterisierung einer Tangofreundin hinsichtlich Männern, welche ihr mit schwerem Schuhwerk auf die Füße traten bzw. von ihnen „Barridas“ genannte Fußtritte verteilten. Unsere Kollegin verwendete hierfür den Begriff „TH = Tango-Hirsch“.

Auch langweilige Milongas pflegte sie zoologisch zu beschreiben: „Da hängt der Hund tot überm Zaun.“  Anregende Veranstaltungen liefen bei ihr unter dem Motto: „Da geht der Punk ab!“

 

Über den Sinn von Cortinas

kann man füglich streiten. Ein älterer Tanguero, der diesen nicht zu sehen vermag, äußert seinen stillen Protest, indem er sie grundsätzlich mittanzt (falls sich seine Partnerin nicht geniert).

Äußerst regelkonform ging ein Tangolehrerpaar vor, welches unsere Region eine Zeitlang unsicher machte und – da es damals kaum Alternativen gab – einen erstaunlichen Zulauf hatte. Die beiden waren die Urbilder der „Tango-Aliens“: Mit dem gemeinen Volk gaben sie sich kaum ab, bestenfalls mit VIPs ihrer Preislage. Die beiden tanzten wirklich gut, aber fast nur miteinander. Einmal erlebte ich es, dass ein Gast die Tangolehrerin aufforderte. Darauf ihr Partner in misstrauischem Tonfall: „Aber ned kaputtmach’n, gell?“

Die beiden führten ein strenges Regiment. Das Unterrichten der Milonga verweigerten sie, da diese ein anspruchsvoller, nur weit Fortgeschrittenen reservierter Tanz sei. Ihre Schüler sollten sich ausschließlich mit der hauseigenen monatlichen Tangoveranstaltung begnügen. Fremdgehen und Mitbringen neuer Schritte oder Tanzkonzepte wurde heftig getadelt.

Auf einer Milonga, welche die beiden veranstalteten, kam wegen der besonders langweiligen Musik mal wieder überhaupt keine Stimmung auf. Mangels Gästen war der hintere Teil des Wirtshaussaals mit gestapelten Stühlen abgedunkelt, vorne gab es eine kleine Tanzfläche und vielleicht 20 Gäste. Da uns nichts zum Mitmachen reizte, saßen wir mit unserer Fahrgemeinschaft im Halbdunkel und lästerten über die öde Beschallung ab: Zum Tanzen, so fanden wir, lohnten sich eigentlich nur die Cortinas, die reichlich und mit langer Spieldauer erklangen.

Der schon beschriebene junge Mann war auch wieder dabei und lieferte den Spruch des Abends: „Da spuit er fünf Cortinas hintereinand, und nachat moant er, da steppt der Bär.“

 

Namen sind Schall und Rauch 

Beim Tango kennt man sich, wenn überhaupt, meist nur mit dem Vornamen, den man dann peinlicherweise wieder vergisst oder irgendwann nicht mehr zwischen den vier Sabines und fünf Kläusen unterscheiden kann. 

Von einem Tänzer, der zur Standardausstattung einer Milonga gehörte, wussten wir lange den Vornamen nicht, fanden aber, dass er wie „Manfred“ aussehe. Irgendwann erfuhren wir, er heiße Stefan. Von da an liefen die Gespräche, wenn sie sich um ihn drehten, etwa so ab: „Du weißt schon, der Manfred, der eigentlich Andreas heißt…“ „Quatsch, der heißt doch Stefan!“ „Echt? Na ja, jedenfalls hat Manfred…“

Legendär ist bei uns der Dialog eines Zauberkollegen mit einem Zuschauer: „Und wie heißt du? „Karlheinz“ „Und mit Vornamen?“ „Karlheinz“ „Ah – also, Karlheinz Karlheinz…“ Daher nennen wir einen bestimmten Tanguero „Karlheinz-Karlheinz“. Und das hat er auch verdient, da er alle Bewegungen mindestens doppelt so groß ausführt wie der Durchschnitt.

Zur weiteren Unterscheidung musste auch das Tierreich herhalten, und so tauchen in unseren „personenbezogenen Daten“, je nach Aussehen und Bewegungsmuster, Spezies wie „Eichhörnchen“, „Giraffe“, „Fledermaus“, „Marabu“ oder „Wasserspinne“ auf. Aus dem Comicbereich entliehen sind beispielsweise „Donald“, „Goofy“, „Foxi“ oder „Carmencita“ (die Disney-Termite: „mumpf, mampf, schmatz“).

Vom Erscheinungsbild klar zuzuordnen sind „der Hagestolz“, „der Betonarm“, „Schikanen-Helmut“ oder „der Stromabnehmer“ (nach dem verdrehten, im Kontakt mit der Hochspannung steil nach oben strebenden linken Arm des Tänzers). Auch „die Scheinschwangere“ oder „die Cocktailolive“ erwecken zutreffende Assoziationen. Nicht nur die landsmannschaftliche Herkunft hatte einem Tanguero die Bezeichnung „El Condor Pascha“ eingebracht.

Entsprechend geeignet zur Beschreibung von Persönlichkeitsstrukturen sind Namen wie „die Gräfin“ oder „der Baron“, für gewisse Tangocliquen auch abgewandelte politische Begriffe wie „die Sechserbande“.

Und selber? Besonders liebe ich es, „Gerd“ genannt zu werden – ich hatte mal einen gleichnamigen Schäferhund…

 

Von der Verteilung der Talente

Nach einer für mich ziemlich schrecklichen Milonga unterhielt ich mich mit einem Begleiter über die göttliche Gerechtigkeit bei der Zumessung der Vorzüge von Tänzerinnen: Entweder seien sie jung und hübsch oder älter, könnten dafür dann aber Tango tanzen… Er meinte, dass dies auch für Männer gelte, um dann nach einer Kunstpause anzufügen: „Aber, wie is‘ des eigentlich bei dir?“ 

 

Eine Frage zu wenig

Wieder mal besuchten wir, in Gesellschaft einer Tangofreundin, eine für uns neue Milonga. Da meine Frau Karin mit der Veranstalterin an der Bar noch etwas besprechen wollte, tanzte ich erstmal mit unserer Begleiterin, was bei einem der wenigen zuschauenden Paare offenbar Interesse fand. Jedenfalls wandte sich die betreffende Frau nachher an meine Tanzpartnerin: „Das ist ja traumhaft, wie du mit deinem Mann tanzt!“ 

Da in diesem Moment Karin an unseren Tisch kam, meinte ich trocken: „Schon, aber die kleine Rothaarige hier ist auch nicht schlecht.“ Ich tanzte mit Karin und überließ es unserer Freundin, das Paar über die wahren Beziehungsverhältnisse aufzuklären.

Fortsetzung folgt!

P.S. Noch etwas Tangosatire der Firma Bößel & Riedl:

Kommentare

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