Tango-Anekdoten II

 

Wie angekündigt hier die Fortsetzung von Geschichten, die ich alle im Tango persönlich erlebt habe. Weiterhin viel Vergnügen! 

Aus fernen Landen 

Glücklicherweise selber mit einem nicht gerade nach „Häberle“ klingenden Nachnamen versehen, meinte eine bekannte Tangolehrerin, als es bei ihrer Ansprache nicht gleich ruhig wurde: „Jetzt seid mal still, Ihr Kanaken!“ Der letzte Satz ihrer Rede lautete dann: „So, jetzt könnt ihr weiter rumhopsen!“

Eine Tänzerin aus dem Saarland antwortete auf meine Frage, wie ihr der „bayerische Tango“ gefalle, sie habe sich schon an die Lieblingsformulierung der hiesigen Tänzer gewöhnt: „Bassd scho.“ Auf saarländisch hieße das: „Ei jo…“ Übrigens habe sie nach der Lektüre meines „Milonga-Führers“ beim Besuch der heimischen Veranstaltungen (!) alle im Buch beschriebenen Tango-Typen identifizieren können. 

Der schon erwähnte junge bayerische Tänzer beschrieb Milongas mit ihm konvenierender Musik meist so: „Heid ham’s wieda scheene Liadl g’schpuid!“ Tänzerisch erfolgreiche Abende charakterisierte er so: „Heid hob i wieda nua guade Damen g’hobd.“ 

Eine Hamburger Tanguera fragte mich einmal: „Wie findest du die Münchner Tänzer?“ Meine Auskunft: „Nach zehn Minuten immer noch an derselben Stelle.“ 

 

Tests in Tangoschulen

Eines der uns bekannten Institute nahm es mit den Leistungen seiner Schüler sehr genau – beispielsweise wurde man je nach tänzerischem Vermögen in bestimmte Kursstufen verwiesen und durfte erst bei Bewährung aufsteigen. Anscheinend fanden sogar richtige „Tangoprüfungen“ statt. Jedenfalls vertraute uns ein Teilnehmer an, er sei mit seiner Karriere ganz zufrieden, nur im Vals habe er eine Vier.

Auf der Milonga einer Standardtanzschule herrschte gähnende Öde, was nicht nur an den wenigen hauseigenen Pärchen lag, welche auf dem Parkett identische Figuren vollführten. Der Chef war anderweitig beschäftigt: Er testete mit verbundenen Augen verschiedene Weißbiersorten, welche ihm von blonden Mundschenkinnen kredenzt wurden.

Einer unserer Begleiter forderte daher die unbeschäftigte Frau des Tanzschulleiters auf. Obwohl sich die beiden nicht kannten, legten sie atemberaubende Tangos hin, die heute noch einen Ehrenplatz in meiner „Tangovitrine“ einnehmen! 

 

Klare Fragen 

Besonders amüsierte mich die Frage eines dortigen Schülers, der mich bei einer Pause draußen vor der Tür ansprach: „Welche Schule vertreten Sie?“

Ein uns bekanntes Tangolehrerpaar kam einmal auf die verwegene Idee, die Milonga eines Konkurrenten zu besuchen. Der dortige Chef begrüßte sie mit den Worten: „Was wollt ihr denn hier?“

Eindeutige Fragen führen nicht immer zu ebensolchen Antworten. Auf einem neu eröffneten Tangofest in der Provinz erblickten wir, obwohl erst eine Dreiviertelstunde nach dem Beginn erschienen, eine völlig leere Tanzfläche. Nach einiger Zeit begann endlich ein Tango-Einführungskurs (dem wir durch unser verspätetes Erscheinen eigentlich entkommen wollten). Zwanglos wurden wir in den Lehrgang integriert.  Endlich, nach einer weiteren Stunde: Beginn der Milonga. Außer uns nur das Tanzlehrerpaar auf dem Parkett, begafft von einer Schülerhorde. 

Da nicht viel mehr passierte, wagte ich es irgendwann, die Gastlehrerin selbdritt aufzufordern, was ich besser gelassen hätte: Es war der Dame offenbar höchst zuwider, sich vor den Blicken ihrer Schüler der Führung eines Fremden hingeben zu sollen. Folglich lieferte sie mir „Bofrost-Tänze“. Um das Eis zu brechen, meinte ich nach dem zweiten Tango: „Du kannst mir gerne sagen, wenn dich was stört.“ Darauf sie, mit Schleierblick nach oben: „Das würde jetzt zu weit führen…“ Na gut, viel weiter führte ich sie danach nicht mehr.

Okay, ich hatte für die Auskunft ja auch nicht bezahlt. Wir gingen dann bald. Letzter Eindruck von dem (nach der Premiere nicht mehr stattfindenden) Event: Vor der Tür eine rauchende Sechzehnjährige, die ihren Freundinnen hoheitsvoll mitteilte: „Ich kann schon den Grundschritt!“ Ja, prima… 

Ähnliche Erfahrungen machen manchmal wohl auch Tangolehrer. Einer von ihnen stürzte sich einmal auf meine Frau, Verzweiflung im Blick, mit den Worten: „Tanzt du mit mir? Ich hatte gerade ein schreckliches Tangoerlebnis!“

 

Eine Schleife zu viel

Die Bekleidung des Tanguera-Rückens mit Schnüren, Schleifen, Bändchen, Rüschen und Seidenschals brachte mich mehr als einmal ins Schlingern. Erstens fasse ich nicht gerne nackte, verschwitze Rücken an, und noch öfter verfing ich mich bei schwungvollen Drehungen plötzlich in einem Gewirr von Knoten und Schleifen, was mich einen Tango lang nur noch daran denken ließ, wie ich da folgenlos wieder rauskam – sprich: An welchem Bändel ich möglichst nicht ziehen sollte… 

Höhepunkt war eine Tanguera in einem hinreißenden roten Minikleid, der weitgehend bloße Rücken verspannt mit einem völlig undurchschaubaren Gitter feiner Schnürchen. In der Euphorie hatte ich wohl zu weit durch den Maschendrahtzaun gegriffen. Jedenfalls hing ich mit meinem Ehering (wie sinnig!) in einem Häkchen fest. Während dreier Tangos, zwischen denen ich die Tanzhaltung wohlweislich beibehielt, überlegte ich krampfhaft, wie es da wieder rausging, ohne einen Einsturz des Gesamtaufbaus zu riskieren. 

Eine Tangobekannte liebte es, uns auf den Milongas ihre neuesten männlichen Eroberungen vorzuführen. Einmal schwärmte sie: „Den …. habe ich beim letzten Tangofest kennengelernt. Nach der ersten Tanzrunde sagte er zu mir: ‚Weißt du, am liebsten würde ich den ganzen Abend nur noch mit dir tanzen.‘“ Ich entgegnete: „Das ist mir auch einmal passiert: Da hatte sich mein Westenknopf in Karins Netzoberteil verhakt.“ Das Schönste daran: Das ist meiner Frau und mir tatsächlich einmal bei einer Tangovorführung unterlaufen – es war einer unserer wenigen Tänze, die wir ausschließlich in enger Haltung vollführten!

Aber auch glatte, eng anliegende Outfits können zu Herausforderungen führen: Einmal forderte mich eine Tanguera in einem Ganzkörperdress im Raubkatzendessin auf. Der „Ozelot“ konnte zwar nicht wirklich tanzen, aber das mit vollem Action-Erotik-Einsatz! Jedenfalls fühlte ich mich nach einer Tanda wie nach einem Ringkampf mit einem Königspython. 

Auch eine andere Tänzerin, welche wir wegen ihres kritzebunten Abenteuer-Dress intern „Indianerin“ nannten, forderte mich häufig auf und unterzog meinen Pazifismus harten Prüfungen. 

 

Denn man sieht nur das im Lichte…

Eine besondere Ironie des Schicksals wollte es, dass ich mit einer argentinischen Berufskollegin auf einem Schulfest einen Tango vortanzen sollte. Obwohl ich die Dame von der Arbeit her als ultimative Spinnerin kannte, hatte ich als Tangoanfänger einen Heidenrespekt vor ihrer Herkunft: Mit einer echten Porteña tanzen – wow! 

Bei der ersten Probe versuchte ich, sie zu „Vida mía“ übers Parkett zu schieben – in artigem Abstand. Darauf sie: „Wo ist der Maan? Ich spür ihn nichd!“ O Jessas! 

Inzwischen habe ich mit zahlreichen Argentinas getanzt und weiß: Da gibt es auch solche und solche – und ganz andere. Mein Exemplar jedenfalls würde ich heute als ziemlich verspannt und eigensinnig einstufen.

Die Dame nervte mich dann zwei Wochen lang mit der Kleidungsfrage – die mir persönlich piepegal war. Da sie sonst vorwiegend mit durchgewohnten Jeans unterwegs war, rang sie einen halben Monat damit, ob sie sich doch in ihr rotes, ziemlich geschlitztes Tangokleid werfen sollte. Das ging so bis zur Generalprobe, wo sie sich vor einer feixenden Schülerschar im letzten Moment doch zum Erotik-Teil durchrang. Nach unserer Tanzprobe rief sie den Schülern zu deren höchstem Vergnügen zu: „Hadd man die Untärhosse gesähen?“  Nun, ich bestimmt nicht, da ich ja an ihr pappen musste…

Irgendwie zog ich dann die Show mit einer sich heftig sträubenden Argentinierin zu einer holzigen Version von „La Cumparsita“ vom Schulorchester durch und danke bis heute meinem Schicksal, dass es davon kein Video gibt…

 

Kein Geld für den Adel 

Bevor sie zur „Tango-Querdenkerin“ mutierte, besuchten wir gelegentlich gerne die Milonga von Theresa Faus im Giesinger Bahnhof. Dort begegnete uns einige Male eine ältere, höchst gravitätisch auftretende Tanguera, welche wir heimlich „die Gräfin“ nannten. Die Dame tanzte mit maximalem Tetanus in Rückenauslage und war so leicht zu führen wie ein Brauereigaul. Tragischerweise hatte ich ihr tänzerisches Wohlwollen errungen und wurde daher öfters von ihr aufgefordert. Ihren gelegentlichen Bemerkungen war zu entnehmen, dass sie es für eine Gnade hielt, den tänzerischen Plebs auf der Milonga mit ihrer Anwesenheit zu beehren.

An einem Abend war sie besonders unzufrieden und bemerkte, nachdem sie mich aufs Parkett befohlen hatte: „Da zahlt man fünf Euro Eintritt, und dann sind keine Männer da!“  Bis heute reut es mich, dass ich meine Antwort nicht laut aussprach: „Mit Männern kostet es zehn Euro."

Fortsetzung folgt! 

Kommentare

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