Was Ihnen Ihr Tangolehrer nicht erzählt… 8
Ich
fürchte, es gibt in der neueren Tangogeneration Menschen, welche den Film „The
Tango Lesson“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Tango-Fieber) mit Sally
Potter und Pablo Verón nicht kennen – er kam vor fast 20 Jahren heraus.
Für uns „Alte“ im Tango war er Kult: Neben dem Beweis, dass man auf Piazzollas „Libertango“ (sogar zu viert)
tanzen kann, enthält die Liebesgeschichte zwischen der Filmemacherin und dem
argentinischen Startänzer die Probleme zwischen den Geschlechtern, wie sie auch
heute noch aktuell sind.
Sally
sieht Pablo bei einer Tangoshow und ist natürlich so hingerissen, dass sie
Unterricht bei ihm nimmt und (so will es die handelsübliche Folklore) sowohl
atemberaubend schnell tanzen lernt als auch mit ihm im Bett landet. Dort
scheint es jedoch besser zu laufen als auf der Bühne. Nach einer verpatzten
Show ergibt sich ein typischer Dialog:
Pablo: „Du
verwechselst Anspannung mit Stärke. Du musst in dir ruhen, um stark zu sein.
Nur, wenn du langsam bist, kannst du schnell sein. (…) Nichts machen, du sollst
überhaupt nichts machen, wenn du tanzt! Einfach folgen, nur folgen! Du nimmst
mir sonst meine ganze Bewegungsfreiheit.“
Schon schön, dieser argentinische Blick auf das weibliche
Tänzergeschlecht: Nur nicht im Weg rumstehen… Also, ihr Männer: Nicht vor der
Frau rumtanzen, sondern mit ihr! Dennoch halte ich, richtig verstanden, diesen
einen Satz für zentral im Tango:
„Du sollst überhaupt nichts machen!“
Wenn
man Verón auch nur 30 Sekunden tanzen
sieht, sollte klar sein, dass er nichts am Hut hat mit passiven Tänzerinnen,
welche sich nur von ihm übers Parkett tragen lassen (auf heutigen
„traditionellen“ Milongas die häufigste Spezies).
Er
kommt allerdings (so wie ich) auch nicht mit dem anderen Extrem klar: Frauen,
die chronisch zu viel Energie erzeugen und somit auch zu schnell werden.
Wie
meistens bei diesem Thema macht es der Vergleich mit einem Gespräch deutlich:
Es
gibt Menschen, die sich nicht aktiv an einem Dialog beteiligen – außer einem
gelegentlichen „Ja“, „Mhm“ oder „Soso“
kommt nicht viel. Letztlich wird der andere zu einem Monolog gezwungen. Der
Interessantheits-Grad sinkt auf das Level eines Tangolehrer-Vortrags.
Ebenso
wenig förderlich ist es aber, den Partner sofort mit einem Wortschwall zu
überfallen und ansatzlos ins Detail zu gehen bzw. einander in Lautstärke und
Dynamik überbieten zu wollen.
Mehr
Erfolg verspricht es, zunächst etwas „Small Talk“ zu machen, sich allmählich
dem Thema zu nähern und schließlich auf die Details zu kommen. Dann darf der
Dialog gerne einmal heftig und emotional werden – falls man zwischendurch
wieder entspanntere Phasen einlegt.
Auf
„langweilige“ Tänzerinnen will ich hier nicht näher eingehen: Die machen ja eh
nichts!
Das
Gegenteil erlebe ich immer wieder mit Partnerinnen, die ich heimlich dem Typus „Heuschrecke“ zuordne. Das fühlt sich
dann beispielsweise so an:
Ich schlage ihr einen sanften Rückwärtsschritt vor – und wie bei der entsprechenden Insektenordnung, nur in Gegenrichtung – nimmt sie alle Kraft zusammen, um nach hinten zu hüpfen.
Ich schlage ihr einen sanften Rückwärtsschritt vor – und wie bei der entsprechenden Insektenordnung, nur in Gegenrichtung – nimmt sie alle Kraft zusammen, um nach hinten zu hüpfen.
Oder
ich deute nur leicht gedrehte Ochos an – und sie springt von einer Seite zur
anderen, als gelte es, den Kugeln eines Amokschützen auszuweichen.
Eine zarte Drehung, die ich mit einer Parada stoppen will? Nichts da, sie rumpelt um mich mit schätzungsweise doppelten Drehgrad herum – was mich zwingt, hinterherzuspringen, um den Kontakt nicht völlig zu verlieren.
Und erst die irrtümlich „Verzierungen“ genannte Karatetritte – und das alles natürlich mit einem Tetanus in der Größenordnung von Wundstarrkrampf…
Eine zarte Drehung, die ich mit einer Parada stoppen will? Nichts da, sie rumpelt um mich mit schätzungsweise doppelten Drehgrad herum – was mich zwingt, hinterherzuspringen, um den Kontakt nicht völlig zu verlieren.
Und erst die irrtümlich „Verzierungen“ genannte Karatetritte – und das alles natürlich mit einem Tetanus in der Größenordnung von Wundstarrkrampf…
Ob
nun angeboren oder anerzogen: Mädchen sind offenbar dann brav, wenn sie
unverzüglich genau das machen, was ihnen geheißen wird, und zwar nach dem
olympischen Motto „citius, altius,
fortius“ – soll im Tango heißen: schneller tanzen, höher springen, mehr
Kraft haben.
Meine
Freunde, die Tangolehrer, gießen natürlich noch kräftig Öl ins Feuer weiblicher
Leistungsbereitschaft: Alles, was der Männe befehle, sei selbstredend
unverzüglich auszuführen, und zwar zackig!
Mein
Problem bleibt dann, dass die Tanguera nicht nur meine Energie übernimmt,
sondern noch kräftig einen draufsetzt. (Dass man sich hierbei von der Musik
nicht aus dem Konzept bringen lässt, sei nur am Rande erwähnt…) So wird es
nämlich nicht nur zu heftig, sondern auch zu schnell, was meine
Reaktionsmöglichkeiten drastisch einschränkt. Und die Bewegungen werden linear
statt rund (was der Natur, wie gerade Frauen wissen sollten, widerspricht…). Tango ist nicht die kürzeste Verbindung
zwischen zwei Punkten!
Hier
kann ich mich voll Peters Ripotas Sichtweise anschließen: Warten ist eine
Kardinaltugend der Tänzerinnen!
Merke: Wer zu früh
kommt, den bestraft das Tangoleben!
Daher:
Liebe
HeuschreckInnen,
es tut mir in der
Seele weh, gerade euch kritisieren zu müssen, da ihr ja wenigstens das zeigt,
was im heutigen Tango eh selten genug ist: Engagement und Bereitschaft zur
eigenständigen Aktion. Prima, weiter so!
Könnten wir uns bitte
nur auf Folgendes einigen?
Lasst uns das
gemeinsame Gespräch auf dem Parkett locker und leicht beginnen – ich verspreche
euch im Gegenzug, die Führung der rückwärts eingesprungen Doppelsacada noch ein
wenig hinauszuschieben. Legen wir am Anfang den Fokus auf vorsichtiges
gegenseitiges Erspüren und Ausloten der Möglichkeiten!
Wenn es dann passt
(und der DJ eventuell und freundlicherweise die passenden Impulse beisteuert),
können wir uns steigern und im entscheidenden Moment die Sau raus und den Bär
steppen lassen – freilich mit der Bereitschaft, sofort herunterzufahren, wenn
es gefährlich wird.
Und rennt mir nicht
davon – auch wenn der männliche Verfolger-Instinkt zum angeborenen
Balzverhalten gehören mag! Wenn ihr einen schnellen Impuls spürt, heiß das
nicht, mit diesem Tempo durch die vier nächsten Takte rennen zu sollen. Es
erscheint derjenige schneller, welcher besonders langsam werden kann.
Ich wünsche uns, dass
es im Tango nicht so läuft wie in dem bekannten Witz, bei dem die sexuell eher
desinteressierte Ehefrau die Initiative ihres Gatten wie folgt beantwortet:
„Schatz, fang doch schon mal ohne mich an!“
Herzlichst
Euer Gerhard
Das widerlegt die Behauptung von Peter in deinem vorigen Beitrag: "Im Tango ist immer der Herr an allem schuld, eine sehr bequeme Angelegenheit,..." ;-)
AntwortenLöschenIch kenne solche Tanzpartnerinnen auch, eine anstrengende Angelegenheit. Ich schalte dann in einen "Schadenverhütungsmodus" um (wo ich dann versuche, die Dame so festzuhalten und zu lenken, dass keine Kollisionen passieren, und sonst nichts mehr weiter).
Zum Thema dieser Reihe hab ich nur Folgendes zu sagen:
Tango soll ein Dialog sein!
(kein Monolog, keine Befehlsausgabe, kein Niederbrüllen etc. Und schon gar kein nebeneinanderher Tanzen oder ein "Anschweigen". Und da ich versuche "Dialog" zu tanzen, tanze ich natürlich mit jeder Frau (oder auch Mann) anders)
Über diese (geschlechtsneutrale) Veranstaltungsperson hab ich mich auch geärgert. Alles finster, keiner da, hab ich mich im Kalender vertan?
AntwortenLöschenNa gut, inzwischen kam - etwas verspätet - eine Entschuldigung und sogar das Angebot einer Fahrtkosten-Erstattung. Also: alles gut.
AntwortenLöschenIch find's nur lustig, wenn im Tango viele Veranstalter und Lehrer versuchen, "professionell" zu wirken...
Ich freue mich immer wieder, wenn ich bestätigt bekomme, dass ich mir die richtigen Lehrer/innen ausgesucht habe. 😎
AntwortenLöschenWie oft wurde ich ausgebremst, wenn ich vorauseilend tanzen wollte, wie oft wurden Schrittfolgen reduziert auf "einfaches" reagieren auf minimale Impulse...Lieblingssatz war: "kommst Du aan!"
Und ein anderer Lehrer meinte: "wenn es schnell wird, mach langsam!"
Da ist was dran. Die ganze Hetzerei verhindert es oft, auf die Impulse des anderen zu reagieren. Man muss Kontraste setzen. Bewegungen wirken umso schneller, wenn man vorher betont langsam agierte.
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