Pörnbacher Tango-Knigge



Einige Gepflogenheiten für die Milonga, die du unbedingt verinnerlichen solltest! Manche davon erscheinen dir möglicherweise etwas antiquiert, sie haben sich jedoch lange bewährt, um eine Milonga zu einem Fest für alle Beteiligten zu machen.

Vor der Milonga

Da die Nachfrage bei unserer Veranstaltung sehr groß ist, empfehlen wir eine Anmeldung spätestens 60 Minuten nach Eingang der Einladungsmail!

Gender-Bilanz: Bitte gib an, ob du dich als „männlich“, „weiblich“ oder „sonstiges“ fühlst! Dies hat zwar keine Bedeutung für die Teilnahme an unserer Milonga, befriedigt aber die Neugier des Gastgebers!

Anmeldung unter Pseudonym ist möglich – wir senden dir dann die Deckadresse des Veranstaltungsortes zu!

Kurzfristige Absagen machen den Veranstalter sehr böse! Als Begründung wird allenfalls der plötzliche Tod eines Verwandten ersten Grades akzeptiert!

Ob du Tango tanzen kannst oder nicht, spielt für die Teilnahme keine Rolle. Wir passen uns hier den üblichen Gepflogenheiten in der heutigen Szene an.

Beim Eintreffen

Pörnbach bietet als touristischen Anreiz fast ausschließlich Parkplätze. Wir bitten jedoch um soziales Parken, um eine Behinderung oder Irritation anderer Kraftfahrzeuge auszuschließen. Während der gesamten Anwesenheitsdauer bleiben die Reifen am Boden!

Bitte klingle nicht vor dem offiziellen Beginn – ansonsten wirst du unauffällig gebeten, nach Ende der Wohnzimmer-Milonga beim Aufräumen zu helfen. Merke: Wer zu früh kommt, den bestraft das Tangoleben!

Gastgeschenke sind stets willkommen und gleich in der Küche zum alsbaldigen Verzehr bereitzustellen!

Die Musik

wird in so genannten TTs (technischen Tandas) aufgelegt: Aus Bequemlichkeitsgründen sind es nämlich meist drei oder vier Titel von derselben CD. Achtung: Kann auch ein Sampler sein – daher selber auf die tänzerische Umsetzung achten!

Die TCs (technischen Cortinas) erkennt man daran, dass oft eine längere Pause eintritt, in welcher der DJ fluchend versucht, die ziemlich zickige Bose-Anlage zum Verzehr der nächsten Silberscheibe zu bewegen.

Unser DJ ist altersbedingt schon ziemlich schwerhörig. Daher wird er bei musikalischen Wünschen zwar freundlich nicken, jedoch anschließend unbeirrt bei seiner kruden Mischung moderner Klänge bleiben.

Gelegentlich wird er sogar Tangomusik spielen, jedoch keinesfalls bei der Schlusstanda, wo er meist untanzbare Relikte aus seiner Pubertät (wie Peter Alexander, Frank Sinatra, Rudi Schuricke oder Freddy Quinn) verwurstet. Bitte trotzdem anschließend applaudieren, sonst hängt er durch und legt beim nächsten Mal noch weit depressiver auf!

In der Küche

ist Platz für zeitweise Erholung von der Beschallung sowie die Führung beziehungsanbahnender Seelengespräche. In regelmäßigen Abständen wird diese daher vom Veranstalter geräumt.

Bei Nahrungs- und Getränkebedarf ist die so genannte K&K- (Kaffee- und Kuchen-) Mirada obligatorisch: Beim Auftauchen eines Mitglieds des Organisationsteams ist dieses so lange mit Blicken zu fesseln, bis es mit einem Nicken (Cabeceo) die Erlaubnis zum Verzehr erteilt, günstigstenfalls sogar bei dessen Beschaffung behilflich ist.

Das Auffordern

Da unsere weiblichen Gäste keine Kellnerinnen sind, ist das obige Vorgehen zur Tanzanbahnung unpassend. Stattdessen wird eine Aufforderung per scherzhafte Ansprache gern gesehen: „Willst du dir den Tag versauen und mit mir tanzen?“ oder zumindest „Wollmermal?“

Wer dennoch einen Cabeceo versucht, muss wegen der meist oberbayerischen Provenienz der Tänzerinnen damit rechnen, die Frage zu erhalten: „Was schaugst’n so bled?“

Da speziell die anwesenden Damen wild entschlossen sind, mit jedem, der nicht schnell genug auf dem Baum ist, zu tanzen – und zwar egal wie und zu jeglicher Musik – muss mit Aufforderungen von dieser Seite jederzeit gerechnet werden! Der Veranstalter haftet hier nicht für Beschädigungen der empfindlichen maskulinen Psyche!

Tanze auch mit Partnern, welche deinem Tango-Niveau nicht entsprechen! Andere findest du bei uns eh nicht.

Körbe gibt es auf der Pörnbacher Milonga ausschließlich in der Küche zum Abstellen der leeren Getränkeflaschen.

Wenn Du ständig aufgefordert wirst, versuche auch wenn es nicht leicht fällt deinen Unmut zu verbergen!

Im Ruhebereich

Wir bitten unsere Besucher um „gender separated seating“: Da unsere Stühle schon etwas altersschwach sind, können sie ausschließlich von den Frauen benutzt werden – die Männer sitzen auf dem Sofa gegenüber.

In Gespräche vertiefte Tänzerinnen sollten umgehend aufgefordert werden, um sie daran zu erinnern, dass sie zum Tanzen und nicht zum Ratschen gekommen sind!

Auf dem Parkett

Achte auf Mund- und Körperhygiene deines Tanzpartners! Notfalls kannst du ihn auf die beiden Badezimmer im Haus hinweisen (Reisezahnbürste mitbringen). Achtung: Aus hygienischen Gründen werden die Toiletten videoüberwacht!

Solltest du unter Mundgeruch leiden, sprich nicht beim Tanzen! Wenn du keinen Mundgeruch hast, auch nicht.

Kaugummi kauen wird akzeptiert, falls man dem DJ auch einen anbietet!

Männer sollten Tänze nicht mit einem Rückwärtsschritt beginnen! Ausnahme: Wohnort im Großraum Regensburg, da man dort offenbar immer noch teilweise die „Kröniger-Gedächtnis-Basse“ lehrt. (Amtliche Meldebestätigung vorlegen – die Herren haben dann am Rücken das Schild „Vorsicht, Regensburger“ zu tragen.)

Eine Ronda gibt es bei uns nicht, da unser Wohnzimmer viereckig ist.

Bei der üblichen Zahl von mindestens 8 Paaren hast du auf den 20 Quadratmetern Parkett eine Tanz-Fläche von durchschnittlich 2,5 qm. Tanze einfach dorthin, wo Platz ist – du findest eh keinen!

Merke: Wenn es am Boden eng wird, ist oft in der Luft noch Raum! Hohe Beinaktionen können daher durchaus sinnvoll sein.

Noch immer wartet unser veralteter Röhrenfernseher auf einen beherzten Boleo-Tritt, welcher ihn ins Jenseits befördert. Diese Aufforderung gilt nur für Tanzende mit einer Haftpflichtversicherung!

Bewege dich rücksichtsvoll und tritt keinen, der es nicht verdient hat!

Hilf Männern, die nach dreißig Sekunden Musik immer noch herumstehen, mit einem beherzten Schubs zum Start auf der nächsten Eins!

Den Abstand der Tanzhaltung bestimmen ausschließlich die Frauen! Dennoch gilt es als wenig rücksichtvoll, empfindsame Männerseelen durch heftige Annäherung zu quälen.

Führe nicht, auf dass du nicht geführt werdest!

Die Cortina gilt als günstige Möglichkeit, einen unerwünschten Partner loszuwerden. Daher wird es als unfreundlicher Akt empfunden, nicht mindestens noch ein Stück weiterzutanzen! 

Im Garten

Bei schönem Wetter dient er als zusätzlicher Ruhe- und Erholungsraum. Der DJ wird die Musik dennoch so laut spielen, dass du auch im hintersten Winkel über deren Fortgang informiert bist!

Die Terrasse dient als zusätzliche Tanzfläche. Die kleinen Männchen an deren Rand sind aber keine Tangueros, sondern Gartenzwerge! Kennzeichen: Noch langsamer und spießiger als Traditionstänzer, eine Aufforderung ist somit zwecklos.

Nach der Milonga

solltest du den Organisatoren auf jeden Fall versichern, wie schön es war – auch wenn du das nicht ganz erst meinst. Keine Sorge: Sie auch nicht!

Cave: Das Liegenlassen von Ausstattungsdetails wie Jacken, Fächern oder Kuchen-Containern führt nicht automatisch dazu, wieder eingeladen zu werden!


Liebe Leser,

diese Ansammlung von über 35 Regeln mag gegenüber den Zehn Geboten ziemlich üppig wirken und schon eher an eine EU-Verordnung zur vorschriftsmäßigen Bananenkrümmung erinnern.

Mein Vorbild war jedoch eine Aufstellung von 54 Paragrafen, die man hier findet:
http://www.tangoneon.org/typolight/tango-knigge.html

(Edit: Der obige Link wurde inzwischen gelöscht. Kommt ja öfters vor, wenn ich etwas parodiere...)

Die „Präambel“ ganz oben in meinem Beitrag habe ich wörtlich von der Salzburger Website kopiert.

Und das Schlimmste: Der Text des österreichischen Tangovereins ist wohl – im Gegensatz zu meinem – ernst gemeint…

Illustration: www.tangofish.de

Kommentare

  1. Wenn das hier Farcebook wäre und ich Farcebook- Nutzer: Like. So kann ich nur sagen: Beste Tango-Regel-Sammlung ever.

    AntwortenLöschen
  2. Oh...eins noch. Konnte nicht umhin, dem Link auf die 54 Regeln zu folgen. Ganz okay eigentlich, aber "Tandas dienen dazu, das Tanzen zu beenden"? Melancholie gehört ja schon zum Tango, aber geht das nicht ein bißchen zu weit? Obwohl es technisch gesehen schon stimmt - auch wenn es meist erst nach 4 Stücken funktioniert.

    AntwortenLöschen
  3. Vielen Dank!

    Aber ich hatte ja auch eine tolle Vorlage...

    AntwortenLöschen
  4. Oh, der Lapsus mit den Tandas war mir noch gar nicht aufgefallen! Tja, Fachsprache schwere Sprache...

    Und über einzelne Regeln könnte man schon streiten - meine Satire bezog sich aber vor allem auf dieses Geplustere mit Selbstverständlichkeiten.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Hinweis zum Kommentieren:

Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.