Kleiner DJ-Führer
Erst
kürzlich wieder durfte ich (auf „Tangoblogblog“)
von einem Kommentator – neben dem üblichen „Riedl-Bashing“ (rechthaberisch,
unbelehrbar) – Folgendes lesen:
„Die Diskutanten
haben in ihrer Diskussion schon lange den Tango aus dem Blick verloren, und
jetzt geht es nur noch darum, (von ihrer jeweiligen Perspektive aus) Recht zu
behalten, auch wenn die Mittel dazu immer fragwürdiger werden. Was für ein
unwürdiges Schauspiel. Leute, geht raus ins Leben.“
Na,
tue ich doch! Ausweislich meiner Einträge (auf dem wunderbaren Tangokalender von Manuela Bößel) war ich in diesem
Jahr bislang an 114 Tagen auf Milongas. Wer bietet mehr?
Da
nehme ich dann lieber die Anregung auf, die mich neulich auf meinem Blog
erreichte:
„Wie wäre es - als
Service für Deine Leser - mit einer Positivliste von DJs, welche nicht
ausschließlich Tradi/EdO abnudeln. Du führst die Liste z.B. als gesonderten
Link auf Deinem Blog und die geneigte Leserschaft kann Namen beisteuern.
Anmerkungen wie beispielsweise Anteil und Art von Non-Tradi sowie Region etc.
wären vorstellbar und hilfreich.“
Mache
ich gerne – wobei ich darauf hinweisen muss, dass ich mit einem ungefähren
Überblick lediglich in einem Umkreis von zirka 100 Kilometern dienen kann. Ich
würde mich daher freuen, wenn meine Leser per Kommentar weitere DJ-Empfehlungen hinzufügen würden.
Zu meinen Kriterien:
·
Unabdingbar
ist es für mich, dass man Tangomusik aus einem weiten Spektrum auflegt: Dazu gehören Aufnahmen aus der EdO genauso
wie Einspielungen von Künstlern nach 1960, insbesondere auch aktuell
auftretende Ensembles. Der Blick sollte sich nicht nur auf Argentinien richten: Tango ist sowas von „multikulti“
– daher liebe ich Einblicke in das weltweite Schaffen der Tangomusik!
·
Blicke
über den Tellerrand des Tango sind durchaus erlaubt – es gibt „Non-Tangos“, die man mit unseren
Mitteln wunderbar interpretieren kann. Andererseits reizt mich ein Discobesuch
überhaupt nicht. Wer also flächendeckend Musik bietet, die mit Tango nichts zu
tun hat: Prima, allerdings wird er hier seinen Namen nicht lesen.
·
Ein
wichtiges Qualitätsmerkmal ist für mich die Beobachtung der Aktivitäten auf dem
Parkett: Ein guter DJ nudelt kein vorab geplantes Programm ab, sondern reagiert auf die Stimmung im Tanzsaal –
wie immer er dies im Detail gestaltet. Sich per Kopfhörer und starrem Blick auf
den Bildschirm von der Realität abzukoppeln ist keine gute Idee!
So,
nun aber zu meinen persönlichen
Empfehlungen:
Der
„Alterspräsident“ meiner Lieblings-DJs ist sicherlich Peter Ripota. Seit 2007 legt er einmal monatlich beim Freisinger
„Tango de Neostalgia“ auf. Der Name
ist Programm: Neotangos gehören ebenso dazu wie nostalgische deutsche Tangos
aus den 30-er bis 50-er Jahren, Chansons, Filmmusik, traditionelle Aufnahmen
und wasweißichnoch. Anstelle von Tandas und Cortinas prallen dabei oft heftige
musikalische Unterschiede aufeinander: Peter liebt es, sein Publikum zu
überraschen. Kritisiert, so sagte er mir einmal, werde er nur von seiner Gattin
Monika…
Man muss allerdings manchmal schon hart im Nehmen sein, was die Zusammenstellung betrifft. Irgendwelche tandaartigen Strukturen findet man selten, oft dagegen rasante Wechsel in Stimmung und Musikrichtung.
Man muss allerdings manchmal schon hart im Nehmen sein, was die Zusammenstellung betrifft. Irgendwelche tandaartigen Strukturen findet man selten, oft dagegen rasante Wechsel in Stimmung und Musikrichtung.
Für
mich ist – seit nunmehr neun Jahren – Freising eine Reise wert. Das
Musikprogramm dort dürfte einmalig in
der Tangowelt sein. Wer sich einmal davon überzeugen möchte:
Ebenso
lange kenne und schätze ich Alfredo
Foulkes, der einmal im Monat in Gröbenzell seine Milonga „El Farolito“, veranstaltet – und zusätzlich
immer wieder auch größere Events mit Live-Musik, oft zu wohltätigen Zwecken.
Ein
ungefähres Programm existiert wohl nur in Alfredos Kopf – äußerlich beobachtbar
wühlt er in Stapeln von CDs, um anschließend im Laufschritt zum Tanzen zu
entschwinden oder Gäste zu begrüßen. Dennoch (oder gerade deshalb) entsteht ein
genialer Mix von Genres und Stilrichtungen, der sich irgendwie zu Tandas
sortiert: „Bleibe im Leben, tanze die
Cortinas!"
Einmal
jährlich erhalten seine Gäste eine CD mit der Lieblingsmusik des Hausherrn –
ein besonderer Service!
Wer
erleben will, wie sich Leidenschaft im Tango anfühlt, sollte eine von
Alfredos Milongas besuchen: http://el-farolito.de
Im
bodenseenahen Linzgau legt Barbara
Dintinger einmal monatlich bei ihrer Milonga „Lagerhäusle“ auf. Das faszinierende Musikprogramm kann niemand besser
beschreiben als sie selbst:
„Es erwarten
Euch spannende Abende auf dem Fundament traditioneller Tangomusik, mit der
Frische neuer Tangokompositionen, der Wärme schönster World ‚Tangos‘ und den
Glanzlichtern aus der Tango-Avantgarde.“
Mit
untrüglichem Gespür für das gerade Passende schafft sie eine Stimmung, die uns
zumindest einmal im Jahr dazu motiviert, die 500 km-Fahrt hin und zurück
anzutreten.
Mein
Herzenswunsch ist, dass sich die DJane nicht von ihrer ziemlich vermufften
geografischen Tangoumgebung beeinflussen lässt und bei ihrer Linie bleibt: Die
ist nämlich goldrichtig!
Immer
wieder atemlos (auch, weil ich dann so viel tanzen muss) macht mich die
Musikauswahl beim monatlichen Tango-Café
im stimmungsvollen Schloss Blumenthal:
Zu dem von Simone Schuhmacher
organisierten Event liefert ihr Mann Hans-Jürgen
Klänge in einer Zusammenstellung, die ich für genial halte: Er beherrscht alle
Register von schön ausgesuchten traditionellen Aufnahmen bis zu wirbelnden Latino-Milongas,
traumhaften Balladen und emotionalen Nuevo- und Neo-Tangos. Und das Tollste: Von den
Anfängern bis zu den Könnern tanzen alle mit, und so entsteht eine wunderbare
Atmosphäre.
Wer
den Zauber des Blumenthaler Tangos einmal kennenlernen möchte:
Im
fernen Offenbach gibt es mit Annette
eine wahre Ausnahme-DJane – schon deshalb, weil sie regelmäßig ihre Playlisten zu
den jeweils mittwochs stattfindenden Milongas veröffentlicht:
Sie
verfügt über ein unglaubliches Fachwissen zur modernen Tangomusik, speziell zu
neuen Aufnahmen traditioneller Tangotitel – für mich stets eine Inspiration
fürs eigene Auflegen. Kein Wunder, da sie selber auch Tangomusik spielt! Allein
durch das Studium ihrer ausführlichen Website lernt man eine Menge über den
heutigen Tango.
Sollten
Sie also einmal in Frankfurt sein – fahren Sie nach Offenbach!
Immer
mehr überzeugt mich die musikalische Gestaltung der wöchentlichen Milongas beim
Regensburger „Tango im Fluss“: Die
Veranstalter Christiane Solf und Sven Frais setzen auf Abwechslung: Gelegentlich
gibt es von anderen DJs rein traditionelle Musik bzw. dezidiert moderne – das
Tangolehrerpaar aber ist oft zuständig für Abende mit gemischten Aufnahmen, für die neuerdings auch mein Lieblings-DJ Andreas Groll verantwortlich zeichnet.
Insbesondere dieser beweist dabei ein feines Händchen für eine
passende Mixtur von alt und neu. In
einer Stadt, in welcher ansonsten flächendeckend der Tradi-Tango dominiert,
eine wohltuende Alternative:
Hannes Rieger kenne ich schon aus
der Zeit, als man in Landsberg noch Tango tanzen konnte. Der stets freundliche
und bescheidene DJ wirkt heutzutage geradezu als Antithese seiner Star-Kollegen
und bleibt daher vom „angesagten“ Teil der Tangoszene verschont. Nachdem er früher
eher klassisch aufgelegt hat, bietet er inzwischen (wieder?) eine tolle
Mischung der verschiedensten Tangostile. Die Milonga findet zweimal im Monat in
der Cantina Charlotta, Iglinger Str. 1, 86916
Kaufering statt.
weitere Infos: https://www.facebook.com/groups/247982135238931/
An zwei Neuentdeckungen am nicht immer wolkenlosen Ingolstädter Tangohimmel bin ich
nicht ganz schuldlos: Für mich sind Christoph
Bos und Sabine Redl-Thorbeck ganz große Talente. Näheres zum Beispiel hier:
http://milongafuehrer.blogspot.de/2016/09/playlist-rathaustango-ingolstadt-31816.html
http://milongafuehrer.blogspot.com/2017/01/playlist-der-wohnzimmer-milonga-am-13117.html
http://milongafuehrer.blogspot.com/2017/01/playlist-der-wohnzimmer-milonga-am-13117.html
Ich
wünsche den beiden, dass in Zukunft auch andere Veranstalter auf sie aufmerksam
werden. Verdient hätten sie es – und der Tango auch! Einen Kontakt stelle ich
gerne per E-Mail an mich her.
Ich bin natürlich auch in Zukunft auf der Suche nach tollen DJs.
Es
bleibt jedenfalls spannend, und ich habe noch viel vor!
Hinweis: Der Text wurde am 21.1.20 aktualisiert.
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