Tanzpuppe Typ Olympia
Les oiseaux dans la charmille
Dans les cieux l'astre du jour,
Tout parle à la jeune fille d'amour!
Ah! Voilà la chanson gentille
La chanson d'Olympia! Ah!
Tout ce qui chante et résonne
Et soupire, tour à tour,
Emeut son coeur qui frissonne d'amour!
Ah! Voilà la chanson mignonne
La chanson d'Olympia! Ah!
Die Vögel in der
Laube,
am Himmel das Gestirn
des Tages,
alles spricht zu dem
Mädchen von Liebe!
Ah, das ist das
schöne Lied,
das Lied der Olympia.
Ah!
Alles, was singt,
wiederhallt
und seufzt, von Mal
zu Mal,
bewegt ihr Herz, das
vor Liebe schaudert!
Ah, das ist das süße
Lied,
das Lied der Olympia.
Ah!
(Jaques Offenbach:
Hoffmanns Erzählungen, 1881)
Schließlich
tanzt Hoffmann mit Olympia einen immer schneller werdenden
Walzer, welcher ihn völlig erschöpft – und bei seiner Partnerin hakt offenbar
ein Zahnrad: Sie taumelt hinaus.
Irgendwie
hat mich das Ganze an den heutigen Tango erinnert.
Tanzpuppen
der Baureihe „Olympia“ sind meist
durchaus routinierte Tangueras, welche sich nach elegantem, freilich eher
kleinschrittigem Muster bewegen. Das sieht zunächst gut aus (und fühlt sich
ebenso an) – bis man nach spätestens einem Tango merkt: Außer dem
programmierten Fundus von einem Dutzend motorischer Algorithmen (einzeln
anwählbar durch standardisierte Führungsimpulse) kommt nichts.
Natürlich
gibt es dazu männlicherseits den passenden Hoffmann, welcher – dank modernem
Tangounterricht – Helenen in diesem Weibe sieht und durch ebenso
normiert-elegante Tapperer das Gesamtbild komplettiert: Schlaghose trifft
Harems-Beinkleid. Nur – im Gegensatz zur anderen komischen Oper: Zu schnell
werden sie nie.
Ich
habe erst kürzlich ein solches Paar länger beobachtet. Wie gesagt: Tanztechnik vom
Feinsten (soweit man sie für solche Bewegungen benötigt) – und so lange die
Musik nicht vom üblichen „Schrumm-Dideldum“ abweicht, wirkt es auch passend.
Allerdings sind Variationen, wie sie selbst in EdO-Titeln vorkommen, nicht
programmiert: Accelerandi, Ritardandi, Glissandi, Synkopen, Dynamikwechsel von piano
zu forte und zurück? Schrumm-Dideldum. Sie tanzen letztlich genau einen Tango auf
alles: spannend wie 80 Meter Feldweg…
Öfters
schon habe ich mich bemüht, bei von mir aufgeforderten Olympias die
Programmierung zu durchbrechen. No chance! Lächelnde Engel dieses Zuschnitts
gehen mir von vornherein an die Nieren – respektive mit weit über meine
Schulter reichendem Arm an mein rechtes Ausscheidungsorgan. Alternativ funktioniert es
auch unten herum, wobei mein rechter Oberarm dann unauffällig in der linken
Achselhöhle der Tanzpuppe befestigt wird: Einklemm-Abrazo, enge Haltung
garantiert, Entkommen unmöglich!
Tänzerische
Dialoge entstehen nicht – jedenfalls jenseits der beiden gespeicherten
Standard-Antworten: „Befehl verstanden
und ausgeführt“ oder „Eingabefehler –
access denied“. Das fängt schon bei den Tempi an: Offenbar sind die Damen
lediglich auf halbe oder Viertelschläge programmierbar. Das erklärt mir endlich
die Tatsache, wieso viele Traditionstänzer bei Musikbeginn erstmal viele Takte lang
stille stehen, bevor sie dann endlich elegant auf der Zwei (oder Sechs)
loslegen: Sie müssen zunächst den Schalter am Rücken des weiblichen
Bewegungstrolls finden und ihn auf die entsprechende Geschwindigkeit stellen…
Rhythmische
Kapriolen, Kreativität, spontanes Miteinander-Erfinden neuer Bewegungen,
einander inspirieren? Forget it: Dumm-Dideldum. Im Zweifel machen sich die
Damen sehr schwer und schreiten weiterhin mit dem Bewegungsmuster eines
Graureihers beim Fischfang fürbass… Da kannst dran zerschellen!
Solche
Schäden richtet eine jahrelange Konditionierung per Fütterung mit
EdO-Einheitsbrei an – und natürlich das in solchen Kreisen verbreitete Macho-Mantra:
Der Mann führt… und, was noch schlimmer ist, stets das Gleiche! Schließlich
wurden im letzten Jahrzehnt 90 Prozent des Personals ausgewechselt: Die
Rezepteerfinder gingen, die Rezepteanwender kamen.
Viele tanzen schematisch und einfallslos
nicht trotz, sondern wegen bester EdO-Beschallung - da fehlt nämlich die musikalische Herausforderung! Bei
Paaren vom Typ „Hoffmann und Olympia“
kannst auf die teuren Tonanlagen verzichten, welche eventuell noch einen Rest
Originalität aus den alten Arrangements herauskitzeln. Das tanzen die in
hundert Jahren nicht! Bei bester Digitalisierung entstehen nicht nur rauschfreie Aufnahmen, sondern auch ebensolche Tänze.
Daher
mein Tipp an alle, welche per Aufforderung an eine „Olympia“ geraten sind:
Einfach so tanzen, wie es die meisten tun: normierte Schrittchen, null
Extravaganzen, dann kommt man gut zurecht. Und man muss sie wenigstens (noch)
nicht zweimal pro Tanz frisch aufziehen. Zur Bekämpfung der Tanda-Langeweile
den Einkaufszettel für den nächsten Tag (oder einen neuen Blogtext) überlegen!
Ein
Gerappel wie bei der Hoffmannschen „Muñeca
brava“ braucht man nicht mehr zu befürchten: Die moderne Baureihe ist digital
gesteuert. Nur bitte die rechte Hand sehr zart auf dem Rücken platzieren –
nicht dass dann auf dem Weg zurück zum Tisch plötzlich die Drähte und Dioden
rausquellen…
Edit (10.4.19):
Dieser Text stellt eine Satire über einen bestimmten Typ von Tanzenden dar. Eine Regel, dass man so nicht tanzen solle oder gar dürfe, ist nicht beabsichtigt.
Mir g'fallt's halt ned...
Da gibt es einen Schritt, der diese Olympionikinnen völlig aus dem Gleichgewicht bringt: nichts tun. Also: stehen bleiben, eine Pause tanzen. Das kennen sie nicht, da müssen sie sich besinnen, das unterbricht das reguläre Programm. Ist aber bei Tango-Marschmusik nicht ganz einfach ...
AntwortenLöschenAllerdings! Aber manche traben selbst dann einfach weiter, da kannst nix machen.
AntwortenLöschenMan kann es auch mit verzwickterer Musik versuchen - dann ergreifen sie halt meist die Flucht.