Liebes Tagebuch… 27
Vorbemerkungen:
Den
folgenden Dialog kann man nicht erfinden (jedenfalls nicht ganz).
Die
kursiven Teile wurden – im Gegensatz
zu denen in Normalschrift – nur gedacht.
Sie
fehlen beim weiblichen Gesprächspartner, da ich mich zu deren Formulierung nicht
fähig fühle.
Leser
mit Hang zur political correctness werden gebeten, diesen Beitrag zu ignorieren!
***
Sie:
Möchtest du mit mir tanzen?
Er:
(Nickt wortlos und steht auf.)
Natürlich nicht –
oder warum glaubst du, dass ich dich in den letzten acht Jahren nie aufgefordert habe? Könnte es daran liegen, dass du dich in dieser Zeit
tangomäßig nicht einen Millimeter weiterentwickelt hast?
Sie:
Grüß dich – soviel Zeit muss sein!
Er:
Hallo.
Meinetwegen – aber gleich
eine Viertelstunde, in der du nach altbewährter Manier an mir rumzergeln
kannst? Scheint mir doch etwas übertrieben. Aber du legst es ja immer wieder
drauf an!
Sie:
Das Stück ist auch so schön.
Er:
Ja.
Der Titel, meine
Liebe, ist „Sin rumbo“ von Otros Aires, und es wird seit mindestens 10 Jahren
von DJs, die sich modern vorkommen, bis zum Erbrechen rauf und runter genudelt.
Aber darauf kommt’s jetzt auch nicht mehr an. Heißt übersetzt übrigens „planlos" - wie passend!
Sie:
Ich finde diese Milonga hier ja besonders schön – nicht nur wegen der Musik,
sondern wegen des… sozialen Klimas. Auf das habt ihr doch bei euren
Veranstaltungen auch immer viel Wert gelegt.
Er:
Ja, klar.
Wobei für mich eine „soziale
Milonga“ schon damit begänne, dass du in den letzten drei Tagen davor mal unter
die Dusche gehst. Und wenn nicht: Schweiß (sogar alter) wäre mir pur noch
lieber, als wenn du versuchst, ihn mit irgend so einem süßlichen Billigparfüm
zu überdecken.
Sie:
Dass man auch als Frau mal auffordern kann.
Er:
Genau.
Und das ist nämlich
der einzige Grund, warum du hierher kommst. Von wegen Musik – dass ich nicht
lache! Auf einer Tradi-Milonga würdest du den ganzen Abend sitzen. Aber mit uns
kann man’s ja machen. Vielleicht sollte man das mit dem Cabeceo einmal ganz wertfrei...
Sie:
Oh!
Er:
Verzeihung, ging nicht anders!
Verflucht, jetzt hat
der seine Tussi im Radius von anderthalb Metern um sich herumgeschwungen! Muss
uns die werte Metropole jetzt auch noch ihre ganzen Neotango-Vorturner und -Innen
schicken? Sollen's die Spinner doch behalten, ich brauch sie hier nicht!
Sie:
Oh, wie schön, ein Vals!
Er:
Ja.
Und noch dazu so modern:
Vier Minuten Geplempel mit zwei Harmonien und einem offenbar magersüchtigen
Sängerinnen-Mädelchen. Mir ist laaangweilig! Was sollte ich morgen eigentlich
einkaufen? Haben wir noch Katzenfutter? Aber ich muss ja schon aus
ideologischen Gründen auf moderne Milongas, sonst glaubt man noch, ich sei ein
finsterer Traditionalist! Wie schön wäre jetzt eine De Angelis-Vals-Tanda –
notfalls sogar mit „Soñar y nada mas“… Werd' ich allmählich alt, oder bin ich's schon?
Sie.
Huch!
Er:
Tschuldigung!
DIESER VOLLDEPP! Reicht
es eigentlich nicht, dass er mit seinem Pfauenrad kaum durch die Tür kommt? Und
wenn der gar noch eine auffordert, hört und sieht er nullkommanichts außer dem
zugehörigen Weib! Rennt der mit seinem herausgereckten Pürzel rückwärts auf die
Tanzfläche – grade nochmal gut gegangen! Und Vorsicht – der vor uns schraubt
auch schon länger an seiner göttlichen Drehung am Platz – du autistischer Hansel, wenn vor
dir alles frei ist, bildet sich meist hinter dir ein Stau!! Am besten scharf links
vorbei…
Sie:
Tolle Drehung!
Er:
Na prima.
Und wenn dabei deine
Achse nicht eingebrochen wäre, hätte es glatt nach Tango ausgesehen!
Sie:
Hihi!
Er:
Vorsicht!
Herrgott, was soll
jetzt bei einem Streicher-Andante dieser Gancho in meine Nierengegend? Da hast Manuelas
Ratschläge irgendwie missverstanden: Damm unters Herz – aber nicht unter
meines, sondern unter deins! Alles unter einem Meter ist für dich wohl filigran... Und wieso fällst du bei der leisesten Gefahr erotischer Spannung sofort wieder auf's andere Bein? Machst das daheim auch so? Okay, nur die Ruhe bewahren, das dritte Stück ist
gleich zu Ende – und Cortinas spielt der DJ zum Glück keine.
Er:
Vielen Dank!
Sie:
Ja, war wirklich schön.
Er:
Finde ich auch.
***
Werte
Damen,
sollten
Sie einen Mann demnächst wieder fragen:
„Was
denkst du gerade?" – und er antwortet: „Nichts“.
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