Peter Ripota zum Achtzigsten

Zu diesem bemerkenswerten Anlass findet heute auf der Freisinger „Milonga de Neostalgia“ eine große Sause statt. Mit zahlreichen Darbietungen wird das „Tango-Urgestein“ Peter Ripota gebührend gefeiert. Seine Gattin Monika bat mich, zum Anlass seines 80. Geburtstags eine kleine Laudatio zu halten.

Dieser Bitte bin ich natürlich gerne nachgekommen. Für alle, die nicht dabei waren, hier der Text:  

Verehrte Gäste… und auch du, Peter,

unseren Jubilar kennzeichnet, dass auf ihn vieles zutrifft, aber ebenso das Gegenteil:

Studierter Mathematiker und Physiker, Wissenschaftsjournalist und Buchautor – allerdings über so schräge Themen wie Science Fiction, Astrologie, Handlesen, Kartenlegen, Märchen, die Widerlegung des Relativitätstheorie – und natürlich Tango.

Ich lernte Peter vor zirka 20 Jahren kennen, als er in der Schwabinger „Seidlvilla“ stimmungsvolle Tangonachmittage gestaltete. Zum Schluss legte er stets herrlich schmalzige deutsche Titel aus den 30er Jahren auf – wie „Wenn vom Himmelszelt ein kleines Sternlein fällt“.

Der erste nähere Eindruck, den Peter auf mich machte, war ein ziemlich exzentrischer – irgendwie verbinde ich ihn bis heute mit weißem Anzug plus Hut sowie gleichfarbigen Bonvivant-Schleichern, halt so ein altmodischer „Tangokavalier“! Sein Faible war die große Inszenierung, was man an seinen Showauftritten sah. Das Mondäne brach er aber meist mit Ironie, wenn er beispielsweise als Tangodetektiv ein Tanzpaar aus dem Verkehr zog, welches Piazzollas „Libertango“ mit Standardschritten interpretierte.

Mit solchen Gags kann man meine Zuneigung im Sturm erobern – mehr noch, indem er in der Folge eine alte Freundin von mir ehelichte – die er natürlich beim Tango kennenlernte: Monika Fischer. Und an deren Interesse für unseren Tanz war ich nicht ganz unschuldig…

Peter Ripota tritt im tangofernen Leben eher schüchtern und bescheiden auf. In einem Interview für die „Tangodanza“ wollte ich einmal von ihm wissen, wie er das mit seinen exzentrischen Bühnenauftritten vereine. Seine Antwort war kurz und treffend: „Das musst gerade du fragen!“

Er ist ein Dialektiker, der erst bei Widerspruch so richtig in die Gänge kommt, Mainstream ist für ihn der Horror. Er habe, so sagt er, das ganze Leben versucht, sich anzupassen, es sei ihm aber nie gelungen.

So attestierte er öffentlich dem deutsch-argentinischen Tangostar Nicole Nau mit ihrem jetzigen Partner: „Anstatt ihre langen Beine zu zeigen, knickt sie diese ab und stelzt o-beinig über die Bühne. Anstatt die Eleganz des Tango auszukosten, hoppelt sie hasengleich übers Parkett.“

„Das Schlimmste beim Tango Argentino ist es, so zu tanzen wie alle anderen“, so ein Zitat aus seinem Buch, und der Standardtango ist für ihn „gut geeignet als Anfeuerungsmusik in Schlachten“. Kompromisslos tritt er bei unserem Tanz für Individualität und persönliche Freiheit ein – und empfiehlt denen, die „alles in Schubladen stecken“ müssen, den Wechsel zum Schuhplattler. Oder „Schub-Plattler“…

Seit 2007 veranstaltet das Ehepaar Fischer-Ripota monatliche Milongas hier in Freising. Das muss man erstmal hinbekommen! Und das ohne argentinische Stargäste, Kleider- sowie Tanzschuhverkauf oder international bekannte DJs. Seine Begründung hat er einmal so formuliert:

„Wir haben kein Geld dafür. Wir wollen, dass sich unsere Besucher wohlfühlen, und dazu braucht’s weder Schuhe noch Argentinier… Das ist aber nicht abwertend gegen die Argentinier gemeint. Schuhe braucht jeder.“

Peters Musikprogramm ist unverwechselbar: Es ist die einzige Tangoveranstaltung, bei der mir stets mehr als die Hälfte der gespielten Titel völlig unbekannt ist. Manchmal weiß ich auch, warum. Selbstredend ist nicht alles Tango, was da zu hören ist, und ich könnte Peter oft mit der flachen Hand erschlagen, wenn er meine Wachheit spätabends mit elegischen Klängen à la Wiener Südfriedhof auf eine harte Probe stellt – fallweise auch mit dem „Mond von Wanne-Eickel“, gefolgt vom „Fluch der Karibik“. Tue ich aber nicht, denn dann würde eine der letzten Milongas verschwinden, bei der man mich noch verblüffen kann. Trotz seiner nun 80 Jahre ist Peter Ripota der jüngste und unkonventionellste DJ, den ich kenne.

Ich fragte ihn einmal, ob es auch Besucher gebe, die bei ihm wegen der Musikauswahl Rabatz machten. Seine Antwort: „Nur meine Gattin!“

Ein Tangoblogger, bei dem noch vor Jahren große Teile der Szene in geistiger Untermiete logierten, hat Peter einmal den „anderen Sonderling im Tango“ genannt. Wen er mit dem „einen Sonderling“ meinte, ist wohl klar. Das machte uns beide zur Schicksalsgemeinschaft!

Zirka 35 Jahre ist Peter nun im Tango aktiv – und er hat, jenseits aller Modeerscheinungen, nie seine individuelle Linie aufgegeben. Monika und er kümmern sich aufopfernd um ihre Gäste – und gerade dies hat ihnen auch über Durststrecken weggeholfen. All das ist in der Szene nicht hoch genug einzuschätzen.

Vor fast zehn Jahren habe ich Peter gefragt, wie wir dem „Rentnertango“ entkommen könnten. Seiner Antwort kann ich nur voll und ganz beipflichten:

„Der Tango ist für die Jungen nicht das Richtige, da willst du nicht geheimnisvoll und traurig sein, da tanzt du lieber Salsa. Aber irgendwann kommen die schon zum Tango, weil der interessanter, komplexer, nicht so oberflächlich ist. Was wir machen können, ist immer nur das Gleiche, nämlich tun, was wir tun: Unseren Tango tanzen, und andere finden es vielleicht toll, dass da jemand so tanzt, wie es sich nicht gehört und trotzdem passt. Dann wird schon was draus.

Ich habe mir auch vorgenommen, bis mindestens 90 noch Tango zu tanzen – und danach werden wir sehen, wie’s weitergeht. Hängt dann auch von den Partnerinnen ab.“

Lieber Peter, da kann ich nur sagen:

„Genauso machen wir’s!“

P.S. Zur Erinnerung hier ein Video, auf dem Peter zusammen mit Co-Autorin Manuela Bößel Ausschnitte aus ihrem Buch vortragen: „Männer führen, Frauen folgen?“ Schon damals durfte ich ein kleines Vorwort verfassen.


https://www.youtube.com/watch?v=Hcb4m0vEuXk&t=532s

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