Sag zum Abschied leise „Service“
Unter dem Titel „Tango Post COVID - Solidarität beginnt an der Abendkasse“ führte der Regensburger Tangoveranstalter Christian Beyreuther vor einiger Zeit heftige Klagen über manche Milonga-Besucher, denen im Zweifel alles zu teuer sei. (Tangodanze 3/2021).
24 Euro für eine Veranstaltung mit Livemusik? „Das ist ja Wucher! So etwas unterstützen wir nicht!“ Oder Besucher, die meinen, um halb Zwölf keinen Eintritt mehr entrichten zu müssen – oder „nur mal kurz reinschauen“, um Schuhe und Kleider zu kaufen – natürlich gratis. Als die Fragerin nach Stunden noch anwesend war, lehnte sie es weiterhin ab, ihren Obolus zu entrichten (vielleicht, weil sie nicht getanzt hatte – aber das trifft ja auf viele zu...).
Beyreuther berichtet von einer seiner Milongas, die er in einem veritablen Schloss veranstaltete. Bedingungen des Vermieters: kein Mitbringen eigener Getränke, keine „Wasserentnahme“ auf den Toiletten (Wer soll das eigentlich überprüfen?). Beim Aufräumen knallte ihm der Gastronom einen blauen Plastikmüllsack vor die Füße, gefüllt mit leeren Fremdgetränke-Behältnissen. Das war’s dann wohl…
Übrigens habe ich diese Veranstaltung selber besucht – allerdings nur einmal. Und das hatte nichts mit dem Eintrittsgeld zu tun:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2017/01/pobre-flor-gefangen-im-amaryllis-rondell.html
Grundsätzlich muss ich dem (mir in heftiger Abneigung verbundenen) Christian Beyreuther völlig recht geben: Was nix kost‘, ist auch nichts wert. Zumindest, wenn es sich um professionell veranstaltete Tangoevents handelt. Da hätte ich fürs Tanzen im Barocksaal glatt mal 15 Euro verlangt. Und dann dem Besitzer eine ordentliche Saalmiete bezahlt, damit der zur Beweissicherung keine leeren Bierflaschen einsammeln muss – oder einen Wachdienst auf den Klos braucht. Und übrigens beginnt nicht nur Solidarität, sondern auch Konsequenz an der Abendkasse: Wer sich mit Ausreden gratis reinschummeln möchte, fliegt im Zweifel hochkant raus!
Selbstverständlich sollte man eine „Sozialklausel“ anbieten: Wer wirklich knapp bei Kasse ist, darf ersatzweise gerne eine Stunde beim Aufbau oder Abräumen helfen. Aber nach meiner Erfahrung haben Leute, die um den Preis feilschen, oft mehr Geld als der Rest: Reich wird man in der Regel, indem man viel einnimmt und wenig bezahlt.
Das große ABER, welches ich bei diesem Thema stets hinzufüge: Der Veranstalter muss fürs gute Geld auch professionelle Leistungen erbringen!
Das beginnt früher, als die meisten ahnen: Reihenweise finde ich im Netz völlig nichtssagende, von Rechtschreibfehlern strotzende Einladungen: Da wird weder der Eintrittspreis genannt noch die konkrete Zeitdauer. Ebenso fehlt eine Beschreibung der Location – und zum Auflegestil des DJ liest man bestenfalls Wolkiges. In der Regel muss man dann den Kater im Sack kaufen.
Weiterhin scheint es fast allen Organisatoren völlig schnuppe zu sein, wie die Gäste zu seinem Event finden: Eine Wegbeschreibung fehlt ebenso wie eine Angabe zur Parkplatz-Situation oder der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Die „Garderobe“ besteht oft aus einem kleinen, windschiefen Kleiderständer, der in der Regel, gerade im Winter, nicht annähernd ausreicht. Wer mindestens 50 Gäste erwartet, sollte eine ebensolche Zahl von Kleiderbügeln bereitstellen (gibt es oft geschenkt in Kaufhäusern oder Reinigungsfirmen). Und auch ein zweites oder drittes Gestell zum Aufhängen kostet wenig oder gar kein Geld.
Auch, dass Tangoleute ihre Schuhe wechseln müssen, ist wohl für viele Gastgeber Neuland: Es fehlen dazu Stühle sowie Ablagemöglichkeiten für die Schuhbeutel oder anderes Mitgebrachte. So sind die Besucher vielfach gezwungen, ihren ganzen Kram in den Tanzsaal mitzuschleppen und unnötig Stühle oder Durchgänge zu blockieren.
Auch die Besorgung eines Getränks gestaltet sich oft zu einer größeren Expedition: Die Aushilfskräfte an der Bar halten es wohl für überflüssig, sich vor Veranstaltungsbeginn einmal zu informieren, wo sich welche Flaschen befinden, was die jeweils kosten oder wo die Gläser oder der Korkenzieher versteckt sind. Auch dieser Service ließe sich weit kundenfreundlicher gestalten.
Für mich das größte Ärgernis: Es fehlen – nicht nur in Augsburg – fast immer genügend Sitzgelegenheiten. Dabei wären einfache Sitzmöbel kostengünstig zu beschaffen. Oft stehen die sogar gestapelt in einem Nebenraum – man ist schlicht zu faul, sie aufzustellen. So ergibt sich immer wieder das Dilemma, sich mal irgendwo hinzusetzen, wo sich schon andere eingerichtet haben (das „Handtuch“ vom Urlaub nennt man übrigens in der Tangoszene „Schal“).
Gut – nun haben wir einen wackeligen Stuhl erobert: Aber wo soll man seine Getränke abstellen? Auch hierzu würde die Sperrmüllsammlung eine Vielzahl von Abstellmöglichkeiten liefern – aber warum sich Gedanken machen? Dann muss man sein Weinglas halt auf einer schiefen Fensterbank platzieren oder auf einen Lautsprecher stellen (daher wohl der Begriff „Klirrfaktor“). Öfters auch drei Meter laufen – wobei an dem Ort dann schon fünf Getränke stehen…
Der zentrale Ort jeder Tanzveranstaltung nennt sich Parkett – dieses leider oft in einem erbärmlichen Zustand. Meist deshalb, weil sich nur wenige Veranstalter um das Lüften kümmern. So bildet sich nach geraumer Zeit wegen des Dunstes ein Feuchtigkeitsfilm, welcher häufig mit Glättepuder bekämpft wird. Durch die innige Verbindung von Wasser und Puder bildet sich dann ein zäher Papp, der sich innig mit den dutzenden Auflagen früherer Tanzabende verbindet.
Ob schon jemals ein Organisator auf die Idee gekommen ist, dem Klebefilm mittels Scheuerbürste zu Leibe zu rücken? Da es sich dabei oft um Männer handelt: wohl kaum!
Ebenfalls eher selten erlebe ich es, dass ein DJ immer mal wieder durch den Saal wandelt, um die Klangqualität zu überprüfen. Nein, das Auflege-Personal schreibt entweder Textnachrichten oder befindet sich im Dauerratsch mit „DJ-Schnepfen“ und anderen Ego-Darstellern.
Dabei sollte der Veranstalter doch nicht nur während der ganzen Zeit ansprechbar sein, sondern sich aktiv in den Räumlichkeiten umsehen und etwaige Mängel beseitigen, bevor diese den Besuchern auffallen. Stattdessen wird Image-Pflege betrieben, indem man mit den „Schönen und Wichtigen“ plaudert…
Und zu den „professionellen Kalkulationen": Die meisten dieser Verbesserungen kosten wenig oder gar kein Geld. Sie machen allerdings etwas Arbeit.
Ich halte jedenfalls bei vielen Tangoveranstaltungen einen Eintrittspreis von 8 Euro bereits für ambitioniert: Was nicht viel wert ist, sollte auch wenig kosten.
Ein Paradoxon, das mir immer wieder auffällt: Bei kleinen, privat organisierten Milongas ist die Service-Qualität oft wesentlich besser – obwohl man wenig oder gar keinen Eintritt verlangt. Vielleicht sieht man sich dabei noch mehr in der persönlichen Verantwortung.
Tangoveranstalter haben sich weitgehend dem deutschen Unternehmertum angepasst: Im Jammern sind sie große Klasse, bei der Lieferung von Qualität lässt es dann etwas nach!
P.S. Wer das Wortspiel im Titel nicht erkannt haben sollte: Den Schlager „Sag beim Abschied leise Servus“ komponierte Peter Kreuder 1936 für den Film „Burgtheater“. Es singt die österreichische Diseuse Greta Keller:
https://www.youtube.com/watch?v=GH6PwdnV7is
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