Schneider zwischen Himmel und Hölle
Der gelernte Schauspieler David Tobias Schneider ist ein wahrer Tausendsassa: Nebenbei arbeitet er noch als Sänger, Texter, Heilpraktiker und Coach für eine Reihe von darstellerischen Fähigkeiten. Vor allem aber hat es ihm der Tango angetan, den er schon mit 14 Jahren zusammen mit seiner Mutter unterrichtete und zwei Jahre später showmäßig darbot.
https://de.wikipedia.org/wiki/David_Tobias_Schneider
Nun hat er zusammen mit der Gruppe „Tango Sur“ seine erste Tango-CD herausgebracht: „Zwischen Himmel und Hölle“. Nach dem Hören war mein erster Eindruck: Der Mann traut sich was!
Erstens singt Schneider zumeist auf Deutsch. Nicht viele Interpreten haben das gewagt – mir fallen, was den Tango argentino betrifft, spontan nur zwei Namen ein: Patrick Stern und Anja Stöhr. Zweitens hat David Tobias Schneider die Texte auch noch selbst verfasst. Und drittens sind die Kompositionen überwiegend keine Cover-Versionen klassischer Tangos, sondern stammen von der Chefin des Musiker-Trios, Margit Sonnauer (Piano und Akkordeon). Komplettiert wird die Gruppe von Nenad Uskoković (Violoncello) und Lori Lorenzen (Gitarre).
http://www.margit-sonnauer.de/index.php?ip=1
https://duoclassiqueall.com/de/
Um mit der Band anzufangen: „Tango Sur“ kreiert einen sehr kräftigen, durchsichtigen Sound, beherrscht aber auch, je nach Titel, das Feinfühlige. Sehr schön kommt das beim einzigen Instrumentalstück der CD, „Emilia“ zur Geltung. Die drei sind wahrlich Vollblutmusiker – eindrucksvoll vor allem die virtuosen Klavierpassagen von Margit Sonnauer.
Lediglich bei zwei Titeln hat sich der Sänger an klassische Vorlagen gewagt: Beim Troilo-Vals „Romance de Barrio“ beginnt sein Refrain mit „Gleich um die Ecke, da wohnt eine Frau, ich seh sie tagein, ich seh sie tagaus“. Den nicht eben einfachen Tango-Hit „Nostalgias“ singt Schneider auf Spanisch. Gerade bei diesem Titel wird deutlich: Seine Stimme hat nicht das große Volumen der bekannten Tangosänger – eher klingt sie oft rezitativ und chansonesk.
Ich finde aber, das passt sehr gut: Viele Stücke haben Chanson-Charakter – das Genre Tango ist ja davon nicht weit entfernt. Und bei beiden sind – obwohl man das in der Tangoszene ignoriert – die Texte sehr wichtig. Beim Abmischen hätte man allerdings die Gesangsstimme etwas stärker einstellen sollen – es hätte der Verständlichkeit der Texte gut getan.
Der Autor ist kein Meister der Dichtkunst. Seine Texte sind einfach, ehrlich und geradeheraus, wie es sich, in bester Tangotradition, für den Tanz der armen Leute gehört.
Was uns die üblichen DJs oft vorenthalten, bietet die CD reichlich: Vielfalt. Diese zeigt sich schon einmal in der Breite der verwendeten Rhythmen: Neben der strengen Tango-Metrik wie beim Titel „Geld“ findet man die schwungvollen Milongas „Der Weg“ und „Nie getroffen“. Viele Stücke verraten die Freude der Musiker am Tango nuevo wie beim mitreißenden Titellied „Himmel & Hölle“. Es gibt aber auch – selten beim modernen Tango – einige Walzer, von denen mir „Alle Tangos sind traurig“ mit seinem Musette-Charakter am besten gefallen hat. Und jede Menge Balladen – hervorzuheben hier das fulminante „Überall und Nirgendwo“.
Originell fand ich auch das Intro sowie vor allem das tolle bayerische Schlusslied (Nr. 18, ist auf der Playlist nicht angegeben).
Tangos zwischen Hoffen, Bangen, Glück und Enttäuschung – David Tobias Schneider lotet (typisch für ihn) ein weites Gefühlsspektrum aus. Das ist meilenweit entfernt von der eintönigen Auflegepraxis im Tango. Auch deshalb hat mich die CD sehr inspiriert.
Keine Produktion kommt in Pörnbach um den „Tanzbarkeitstest“ herum, den wir gestern unternommen haben. Ergebnis: Jede Stück liefert von Neuem Energie zur Bewegung auf dem Parkett. Was kann man sich mehr wünschen?
Und auch das Verhalten unseres flüchtenden ambulanten Haustigers beweist: Es handelt sich um keine „Katzenmusik“.
Was zu beweisen war.
P.S. Die CD kann man über die FB-Seite des Sängers bestellen:
https://www.facebook.com/davidtobiasschneider
https://tangosur.bandcamp.com/?fbclid=IwAR1NQWfpoZIiJ8JYlBq_IED3bme-kId882sowEYA-WwUiWSc7ThvTdfxW6A
P.P.S. Und nun noch einen Swing aus der CD:
https://www.youtube.com/watch?v=ux7aWn4qHlw
> mir fallen, [...] und Anja Stöhr.
AntwortenLöschenDa fehlt noch Iwan Harlan. Siehe z.B. https://www.tango-argentino-online.com/post/milongawahn-das-neue-album-von-iwan-harlan
Da habe ich wohl zu spontan überlegt... Dabei gibt es von mir eine Besprechung von Harlans erster CD: http://milongafuehrer.blogspot.com/2018/11/iwan-harlan-tango-aleman.html
LöschenAuf Schweizerdeutsch und andere Sprachen gäbe es noch Alexandra Prusa aus Zürich. Auch ein Multitalent von darstellerischen Fähigkeiten in Sachen Argentinischer Tango. https://alexandra-prusa.ch/music/
AntwortenLöschenVielen Dank für den Hinweis! Bitte beachten Sie aber, dass ich Kommentare mit Nennung des vollen Namens wünsche.
LöschenDanke für den Tipp. Ich seh schon, auf Bandcamp sollte ich öfters mal rumsuchen ;-)
AntwortenLöschenGerne! Ich habe es über Facebook erfahren, da hat David Tobias die CD beworben.
LöschenDa sind wir doch vorgestern glatt über eine weitere Deutsche gestolpert, die Tangos mit deutschen Texten singt. Zwar "nur" Coverversionen, aber auf eine herrlich kabarettistische Art:
AntwortenLöschenhttps://m.youtube.com/watch?v=kOH2-ZOl6H0&pp=ygUVYW5uZXR0ZSBwb3N0ZWwgdGFuZ28g
Ja, die Annette Postel ist seit vielen Jahren aktiv.
Löschen2013 hat sie in der konservativen Tangoszene helle Aufregung verursacht. In einem Tangodanza-Artikel schuf sie u.a. den Begriff „Tango-Taliban“.
Hier nochmal der korrekte Link:
https://www.youtube.com/watch?v=kOH2-ZOl6H0
Ich hatte schon vermutet, dass sie nur mir neu war....ihr Text zum "Kriminal Tango" erinnerte mich doch sehr stark an das Ständchen bei Peters Geburtstag.
LöschenLG
Carmen