Tango Tips mit Mika

 

Neulich erfreute mich ein Leser mit einem Video-Vorschlag, zu dessen Protagonistin er schrieb:

„Offenbar hat sie einen Karrieresprung von einer Tupperware-Influenzerin zum Tango-Video-Mannequin mühelos geschafft.“

Er hatte nicht zu viel versprochen. Den Zuseher springt eine schröcklich schöne Blondine an, die ich ohne Schminke auf Ende Vierzig schätze. Mit Schminke auf Ende Fünfzig. Das lange güldene Haar fällt kontrastreich auf ein schwarzes Oberteil, darunter ein hautenges, wenngleich verpixeltes Beinkleid. Das durchdringende Stimmorgan und die affektierte Sprechweise assoziiere ich allerdings eher mit weiblichen Callcenter-Agenten, welche Rentner wie mich gerne am Vormittag mit verlogenen Werbeangeboten molestieren. Als Abwehrwaffe dient mir dabei ein elektrisches Alarmgerät, das ich nach Gedöns-Beginn mit 110 Dezibel an die Muschel halte. Leider funktioniert das bei YouTube nicht:


https://www.youtube.com/watch?v=z_JANbX153I

Nun lieber zum Inhalt: Tango Tip Nº 10: ‚Happy Feet‘“ nennt sich das fünfeinhalbminütige Machwerk. Es geht darum, die weiblichen Mauken für das Tanzen in High Heels gefügig zu machen. Dabei wird mutig sowie in Inglisch behauptet:

„Wenn wir Tango tanzen, benutzen wir hochhackige Schuhe.“

Das ist eine grobe und sogar sexistische Lüge. Einen Mann habe ich erst zweimal beim Tango auf gestielten Fersen erlebt. Wieso wir Kerle gern darauf verzichten, dürfte ähnliche Gründe haben wie die Tatsache, dass wir keine Cellulitis haben: Weil’s scheiße aussieht.

Im Ernst: Was mich zum Sarkasmus treibt, ist schlicht diese Vereinnahmung: Alle Frauen lieben es, auf solchen Fußdeformations-Geräten zu tanzen. Und alle verehren die Ronda, den Cabeceo, Flatterkleidchen und argentinische Tanzpaare.

Nein: Ich kenne hervorragende Tänzerinnen, die wunderbar auf Sneakers, Jazztanzschleichern oder ähnlich flachem Schuhwerk agieren. Aber die braucht man halt nicht in zwanzig Modefarben zu ebenso vielfarbigen Satin-Röckelein oder Haremshosen. Schlecht fürs Geschäft.

Auf hohen Hacken versprochen werden „Stability“, „Flexibility“ sowie „Sensitivity“ – und diese Sinnlichkeit wird mit derartigem Sexappeal verkauft, dass die Dame daher Zutritt auf mein Blog erlangt!  

Die vorgeschlagene Übung mit einem Tennisball, einem Handtuch und einer (leider waagrechten) Holzstange mag ja ganz sinnvoll sein. Sie bereitet allerdings auf etwas vor, was man (besser: frau) gar nicht braucht.

„Experience Tango“ nennt sich der Laden, welchen Michaela Böttinger zusammen mit ihrem Tanzpartner Cristian Miño hütet. Die Betrachtung ihrer Website ist nur mit Sonnenbrille ratsam. In schreienden Farben und riesigen Lettern wird alles angeboten, was der Kunde benötigen soll: Online-Kurse, Choreografie-Kurse, Tangoreisen…

Kostprobe aus der Selbstbeschreibung von Mika, die wohl inzwischen in der argentinischen Metropole lebt:

„Als ich zum ersten Mal in Buenos Aires ankam, musste ich noch einmal von vorne anfangen. Mir wurde klar, dass Tango so viel mehr ist als nur die Schritte. Ich musste seine Kultur, seine Geschichte leben, die Regeln seiner Gesellschaft verstehen, Tango hören, Tango atmen, riechen, schmecken, leben… Die Cafés, wie die Menschen interagieren, wie sich die Frauen bewegen, die fast altmodische Gentlemenness der argentinischen Herren,… das war erst der Anfang…“

https://www.experiencetango.online/

Echt, mir ist das alles einfach zu dick aufgetragen. Wann wird man damit aufhören, der deutschen Kundschaft den „authentisch-zauberhaften“ Tango aus Buenos Aires so überzogen anzupreisen?

Irgendwie erinnert mich das alles an die Wundertüten meiner Kindheit: Für zwei Groschen konnte man bunte Versprechungen kaufen mit eher bescheidenem Inhalt.

Klar können die beiden tanzen – und man mag bei ihnen sogar etwas lernen. Als Beispiel ein ganz schönes Video. Wobei ich finde, der gute Cristian kommt ein wenig bockbeinig daher. Und auch hier wäre etwas weniger viel mehr. Aber okay, Geschmackssache. Aber wieso muss man das alles mit einem derartigen Gedöns bewerben?

https://www.youtube.com/watch?v=kz7UX64E6Ic

 Der Titel Tango Tip Nº 10“ lässt befürchten, dass es noch mindestens neun andere Videos gibt. Ich habe mir die meisten nur flüchtig angesehen. Mein näheres Umfeld rät mir immer wieder dringend, mein Immunsystem nicht durch Betrachtung schlimmer Dinge zu belasten.

Leider halte ich mich nicht immer daran und hole mir daher teilweise traumatische Erfahrungen ab. Bei Thema „Ladies Technique with Mika ‚Osvaldo Fresedo‘war meine Neugier einfach zu groß: Was, in 1:27 lernen, zu Fresedo zu tanzen? Das musste ich sehen!

Des Rätsels Lösung: Man klemme sich einfach ein Blatt Papier zwischen die Knie und staksle mit zusammengekniffenen Beinen rückwärts! 

https://www.youtube.com/watch?v=Td74oABOEvE

Nun bin ich posttraumatisch belastet und fürchte, auf einer Milonga könnte ich beim Erklingen eines Fresedo-Titels von sofortigem Harndrang befallen werden. Aber vielleicht sollte ich einfach etwas mehr Papier mitnehmen…

P.S. Herzlichen Dank an meinen Leser für das schöne Thema! Ich weiß, er wollte seinen Hinweisnur als kleines Augenzwinkern, aber nicht hämisch gemeint“ verstanden wissen.

Ich schon.

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