Stalins saufende Pferde

 

Wie ich bei dem „Triell“ ums Bundeskanzleramt letzten Sonntag feststellen durfte, packte Armin Laschet endlich ein Uralt-Argument gegen die Sozialdemokratie aus: Ihre mangelnde Abgrenzung nach links: Olaf Scholz weigere sich, hundertprozentig und für alle Zeiten eine Koalition mit der Linkspartei auszuschließen.

Wäre ich je Politiker geworden, hätte ich mich standhaft geweigert, Fragen zu beantworten, die mit „Schließen Sie aus, dass…“ beginnen. Das nur nebenbei…

Wie die Medien in den nächsten Tagen nach Blick ins Archiv vermeldeten, sei dies eine Wiedergeburt der „Rote Socken-Kampagne“, welche Pastor Peter Hintze bereits 1994 ins Leben gerufen habe, als er Plakate mit dem Spruch kleben ließ:

„Auf in die Zukunft… aber nicht auf roten Socken“

Dies bewog damals meinen ehemaligen Blogger-Kollegen Thomas Kröter angeblich dazu, als Journalist bei den Interviews mit Unionspolitikern stets rote Socken zu tragen. Damals war er wohl noch SPD-Sympathisant. Tempi passati…

Vorangegangen war die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, wo sich die rot-grüne Landesregierung von Ministerpräsident Reinhard Höppner von der PDS, der Vorgängerin der Linken, tolerieren ließ. „Zukunft statt Linksfront!" lautete die Devise von Hintze. Bei der Wahl scheiterte die PDS an der Fünf-Prozent-Hürde 

Auch 1998 versuchte Hintze die Nummer nochmal mit einem historischen Bild des Händedrucks der Zwangsvereinigung von KPD und SPD in der sowjetischen Besatzungszone. Parole: „Wir sind bereit SPD / PDS – Aufpassen Deutschland!“ Diesmal nützte es nichts mehr: Helmut Kohl verlor die Wahl – und Hintze trat drei Tage später als CDU-Generalsekretär zurück.

Dennoch bemühte man 2009, nach vier Jahren Großer Koalition, wiederum die Drohung mit der roten Gefahr. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla warf dem SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier vor: „Und jetzt sagt Herr Steinmeier, nach der Bundestagswahl niemals mit der Linkspartei. Seine Linksbekundungen sind schlicht unglaubwürdig."

Merke: Auch wenn man solche Bündnisse kategorisch ausschließt – verdächtig bleibt man dennoch.

https://www.tagesschau.de/inland/btw21/rote-socken-101.html

Nachdem seit letztem Sonntag die Unionspolitiker das exhumierte Argument gebetsmühlenartig wiederholten, kam ich ins Grübeln: Das Schüren der Kommunistenfurcht zum Schaden der SPD hatte es doch schon bei Konrad Adenauer gegeben, oder?

Fündig wurde ich in einer „Plakatgeschichte der CDU aus acht Jahrzehnten“:

https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=e62e1264-18e9-f009-4b28-50d6de89eefa&groupId=252038

Bereits 1946, ein Jahr nach ihrer Gründung, finden sich Plakat-Slogans wie „Deine Wahl – CDU oder Anarchie, Klassenkampf, Konfessionskampf“. 

1948 warb man für ein politisches Referat einer örtlichen CDU-Größe mit dem schönen Thema: „Bolschewismus ohne Maske – Werden Marschall Stalins Pferde aus dem Rheine saufen?“  Wobei man damals noch liberaler war als heute: „Die KPD erhält 30 Minuten Redezeit.“ Weiterhin bewarb man „Die Einheit der Christen gegen die rote Flut“.

1953 gab es ein heute noch bekanntes Plakat mit drohend starrenden Augen sowie Hammer und Sichel auf der Mütze: „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau!“ Die NPD kopierte das Ganze später mit der Aufschrift: „Wehrt euch gegen die rote Gefahr“.

https://www.bild-video-ton.ch/bestand/objekt/Sozarch_F_5053-Ob-244

„CDU schützt vor Enteignung“ war zur Adenauer-Wiederwahl ebenso ein Argument wie ein Rotarmist mit Maschinenpistole und der Frage: „Er ist bewaffnet – wollt ihr ihn hier haben?“

1955 wies die CDU dann auf die Unterdrückung der ungarischen Opposition hin: „Denkt an Ungarn: Seid wachsam!“

1957 erschien auf Plakaten ein signiertes Adenauer-Zitat: „Die SPD will die Bundesrepublik aus der Nato herauslösen. Diese Politik führt zum Rückzug der amerikanischen Truppen aus Europa und gibt uns schutzlos der sowjetischen Willkür preis.“

Die 1961er-Version lautete: „Chrustschew fordert: Stürzt Adenauer! Darum erst recht CDU.“

1972 hieß es in einer längeren Aufzählung hintereinander: „190000 Jusos lähmen die SPD – 425 % mehr Rauschgiftdelikte seit ‘69“

1976 zeigte eine Schiedsrichterin (!) die rechte Strafe: „Den Linken jetzt die Rote Karte!“. Massenhaft plakatiert wurde der Wahlkampf-Slogan: „Freiheit statt Sozialismus!“

1979 gab es die Variante: „Gegen ein sozialistisches Europa“

1980 hieß es: „Den Sozialismus stoppen – Strauß wählen“

1987: „Deutschland darf nicht rot-grün werden“

1990: „Deutschland braucht Freiheit statt Sozialismus“ Dazu äußerte sich per Porträt Karl Marx: „Proletarier aller Länder, vergebt mir – wählt CDU“

2005 bildete die CDU einen Mann ab, der schwarze Socken statt einer roten und grünen anzieht: „Wechsel tut gut!“

Wie groß ist denn tatsächlich die Gefahr, dass die SPD gemeinsame Sache mit den Kommunisten macht? In der deutschen Geschichte gab es das nur einmal: Unter dem Druck der sowjetischen Militärregierung stimmte der Sozialdemokrat Otto Grotewohl 1946 der Vereinigung mit den Kommunisten unter Wilhelm Pieck zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zu. Bei den Mitgliedern der Ost-SPD erlag man aber auch Illusionen über die Vorteile solchen Tuns. In der West-SPD war man unter Kurt Schumacher entschieden gegen diese Zusammenarbeit.

Schon ab 1949 spielten die SPD-Vertreter in den politischen Gremien der DDR kaum noch eine Rolle. Ulbricht und seine Leute verdrängten planmäßig die Sozialdemokraten aus dem politischen Leben – wo es ging, mit demokratischem Anschein. Wo nicht, griff die sowjetische Militärjustiz ein, welche manche Nazi-Konzentrationslager alsbald wieder eröffnete und mit Oppositionellen belegte. Tausende Sozialdemokraten kamen in Haft oder wurden sogar hingerichtet.

Ansonsten war das Verhältnis der SPD zu den Kommunisten mehr als gestört und hat der Partei eher geschadet als genützt: Sie musste 1917 die Abspaltung der USPD hinnehmen. Aus Teilen der Unabhängigen Sozialdemokraten entstand der Spartakus-Bund – ein Vorläufer der KPD. Als die Spartakisten 1919 zur Revolution schritten, ließ die Mehrheits-SPD unter Ebert, Scheidemann und Noske den Aufstand mit Reichswehr- und Freikorps-Einheiten gewaltsam beenden.

In der Weimarer Republik waren die Sozis für die Kommunisten ein Hassobjekt und wurden „Arbeiterverräter“ oder „Sozialfaschisten“ genannt. Eine „Volksfront“, die Hitler vielleicht noch hätte aufhalten können, kam nie zustande.

Die KPD war sich auch nicht zu schade, 1932 das letzte Bollwerk der Demokraten, die SPD-geführte Regierung Preußens unter Otto Braun zu stürzen: Da sie zusammen mit den Nazis die Mehrheit im Landtag stellten, verhinderten die Kommunisten das Zustandekommen einer demokratischen Regierung. Mittels einer Notverordnung setzte sich der deutschnationale Reichskanzler Franz von Papen als Reichskommissar ein.    

https://de.wikipedia.org/wiki/Preu%C3%9Fenschlag

Die SPD hat nie in ihrer fast 150-jährigen Geschichte Antidemokraten unterstützt – weder auf der linken noch gar der rechten Seite. Sie ist nicht nur die älteste deutsche Partei, sondern musste seit 1890 nie ihren Namen ändern.

Das gilt für die bürgerlichen Parteien nicht – und sie hatten auch allen Grund dazu: 1933 verrieten sie die Demokratie durch Zustimmung zu den Ermächtigungsgesetzen Hitlers. Einzig die Sozialdemokraten stimmten dagegen – und mussten das mit vielen Opfern büßen. Hätte man die Kommunisten nicht schon aus dem Reichstag ausgeschlossen gehabt, wäre man in der Ablehnung sicher einig gewesen.

Mal abgesehen davon, dass die heutige Linkspartei sicher keine Neuauflage der KPD darstellt: Warum fahren wir Sozis nicht endlich einmal eine „braune Socken-Kampagne“? In den Unionsparteien und der FDP tummelten sich nach dem Krieg noch sehr lange und unbehelligt alte Nazis in höchsten Regierungsämtern. Und ein gewisser Herr Kemmerich ließ sich letztes Jahr mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen…

1998 konterte die SPD mit einem Plakat, das zerlöcherte rote Socken und den Schriftzug zeigte: „Worauf Sie sich bei der CDU verlassen können: immer dieselbe Politik, immer dieselbe Reklame, keine neuen Ideen“.

https://de.wikipedia.org/wiki/Rote_Socke

Und der SPD-Rhetorik-Star Kevin Kühnert gab dem CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak dazu eine 105 Sekunden lange Antwort, die mir höchstes Vergnügen bereitete. Wo immer Stalins Pferde saufen mögen – das war zum Wiehern:


https://www.youtube.com/watch?v=aPplw2bwPn4

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