Regeln für die gepflegte Debatte: Faktencheck
Zu meinem jüngsten Artikel veröffentlichte mein treuer Leser Klaus Wendel – einmal mehr – auf meiner Facebook-Seite gestern eine geharnischte Kritik.
Damit ich mir nicht wieder den Vorwurf einfange, „Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen“, veröffentliche ich seinen Beitrag in voller Länge (in Schwarz und Kursiv). Meinen Faktencheck dazu gibt es abschnittsweise in Rot und Normalschrift, Zitate aus meinem Text sind grün und kursiv gehalten:
Ein erbaulicher Artikel, er wäre aber noch glaubwürdiger, wenn der Verfasser die beschrieben Regeln in seinen eigenen Beiträgen und Kommentaren einhalten würde.
Ich kann mir diesen „Whataboutism“ nicht ersparen.
Ich behaupte in meinem Beitrag allerdings mit keinem Wort, solche rhetorischen Kniffe nie zu verwenden – im Gegenteil: Man findet auf meinem Blog sicherlich Artikel, die davon nicht frei sind. Ich pflege Denkanstöße nicht nur an meine Leser weiterzugeben, sondern sie auch selber zu verwerten.
Glücklicherweise gibt Wendel gleich zu Beginn zu, sich nicht mit den beschriebenen rhetorischen Regeln beschäftigen zu wollen, sondern ausschließlich mit meinen Schwächen. Die Tür zur Themaverfehlung wird dadurch schon mal weit geöffnet.
Deshalb ist es nicht mehr so erstaunlich, dass die Kommentare unter seinen Blogbeiträgen seiner Seite oft fehlen, bzw. immer rarer werden oder nur noch zustimmend sind.
Erstens
hat das mit den Aussagen meines Artikels genau nichts zu tun. Zweitens habe ich
erst im Mai und Juni letzten Jahres Statistiken veröffentlicht, aus denen
hervorgeht, dass mein Blog im Vergleich mit den restlichen, noch aktiven
deutschsprachigen Tangoblogs bei den Kommentaren ganz gut dasteht. Auch bei den kritischen.
http://milongafuehrer.blogspot.com/2020/05/kommentar-bilanz.html
http://milongafuehrer.blogspot.com/2020/06/faktencheck.html
Eine etwas abweichende Meinung z.B. über seinen Lieblings-"Satiriker" Dieter Nuhr, und schon wird der Verfasser der Kritik (ja, mich) unnachgiebig mit neuen Aufsätzen (dieser ist schon der dritte Beitrag nach einer Facebookdiskussion) und ständig - wiederhole: ständig - aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten traktiert. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie die Energie für Ihre Texte nur aus Zustimmung oder totaler Ablehnung beziehen.
Ich darf mal „etwas abweichende Meinungen“ Klaus Wendels über den Kabarettisten zitieren (natürlich aus dem Zusammenhang gerissen): „handwerkliche Fehler, die man im ‚Bildzeitungsniveau‘ ansiedeln kann“, „Stuss“, „nur Stammtischniveau“, „schlechter Stil alter Männer“, „schlechter Satiriker“, „seine Witze sind platt“ (Quelle: siehe Schluss des Wendel-Textes).
Weiterhin habe ich erst kürzlich angeboten, bei Zitaten, welche angeblich den Zusammenhang verfälschen, Ergänzungen vorzuschlagen. Ich veröffentliche dann gern ein paar Sätze mehr. Die Energie für meine Texte beziehe ich übrigens von meiner Liebe zur Sprache und dem Interesse an den Themen.
Zitat: "Manche Leser schicken mir ellenlange (Blogbeiträge) Ausführungen, in denen sie von Thema zu Thema springen. [Was bleibt einem als Diskutant denn anderes übrig, als lange Artikel mit ellenlangen Ausführungen zu beantworten? Anm. Klaus Wendel]
Wenn ich dann versuche, die Argumente zu widerlegen, geht der Schreiber darauf wenig oder gar nicht ein. Stattdessen erhalte ich eine neue Zuschrift, in der wieder neue Behauptungen aufgestellt werden. Das kann man öfters wiederholen…"
Offenbar ist mein Kritiker fest entschlossen, möglichst viel auf sich zu beziehen. Solche Zuschriften und Kommentare habe ich schon von verschiedenen Autoren in rauen Mengen erhalten. Dennoch bitte ich die Unterschiede zu beachten: Meine Artikel haben meist ein klar umrissenes Thema. Es ist also unnötig, weit auseinander liegende Gedanken aneinanderzureihen. Falls man nicht vom Inhalt meines Beitrags abkommt, was leider an der Tagesordnung ist.
Ist das nicht auch genau Ihre Machart, Herr Riedl? Was Sie mit Ihrem Blogbeitrag machen, nennt man psychologisch eine Projektion, Wikipedia sagt dazu: (…)Die "Abwehr" besteht dabei darin, dass durch Projektion vermieden wird, sich mit Inhalten bei sich selbst auseinanderzusetzen, die man beim anderen sieht.“(…)
Diese Küchenpsychologie ist halt der Gipfel des „Argumentum ad hominem“. Würde man eigentlich auch bei einem privaten Treffen dem anderen mit Diagnosen aus dem seelischen Bereich kommen? Und wenn ja, wäre man dann überrascht, wenn das Gegenüber das Gespräch abbrechen und einen gar rausschmeißen würde?
Wird Ihre Meinung in einer Facebookdiskussion für Sie etwas genauer seziert, wird auf Ihrem Blog für Ihre Fans ein neues Fass aufgemacht und nachgeholfen. Und zwar mit vielen Hilfsmitteln wie Sophistischen Paradoxien (doppeltgemoppelt - ich weiß), Verdrehungen, Spitzfindigkeiten über nicht „wikipediataugliche Wortbedeutungen“ , Rechtschreib- und Grammatikkorrekturen, Fehldeutungen und Falschzitaten, dass Ihr Meinungsgegner für eine Richtigstellung Buchlänge zur Widerlegung aufbringen müsste.
Ich weiß nicht, ob ein Holzhammer das geeignete Instrument zum Sezieren ist. Und klar, ich bin ein Blogger und suche mir meine Themen natürlich bevorzugt im Nahbereich – wobei ich, wenn es geht, auf Namensnennungen verzichte. Eine gute Idee wäre also schon mal, mir nicht mit seitenlangen, teilweise ziemlich holzigen Abhandlungen neuen Stoff zu liefern.
Stattdessen könnte man einmal versuchen, mir im Einzelfall „Fehldeutungen“, „Falschzitate“ oder was auch immer nachzuweisen. Buchlänge ist da nicht zu befürchten.
Ich bin auf Ihre Art der Debattenführung hereingefallen, habe viel Zeit mit sachlicher Beweisführung verschwendet. Verschwendet, weil mir der Verdacht kommt, dass es Ihnen in einer Diskussion gar nicht mehr um die Sache geht, sondern um den Sieg in einem öffentlichen Disput. Und wenn nicht um den Sieg, doch dann zumindest nicht öffentlich als scheinbarer Verlierer dazustehen. Ihr Zitat "[...]Man sollte solche Attacken stets als das sehen, was sie sind: Die Anerkennung, dass man sich wohl schwertäte, etwas inhaltlich zu widerlegen. Grund: zu überzeugend[…] belegt das.
Den Begriff „sachliche Beweisführung“ muss man sich schon auf der Zunge zergehen lassen. Und es schließt sich überhaupt nicht aus, mit sachlichen Argumenten in einer Debatte die Oberhand gewinnen zu wollen. Ich würde es eher als Normalfall bezeichnen. Das obige Zitat würde ich gerne einen Satz früher beginnen lassen, weil dann deutlich wird, was ich meine:
Schätzungsweise zwei Drittel aller kritischen Anmerkungen zu meinen Artikeln gehen ad hominem, befassen sich also mit meinen angeblichen persönlichen Fehlern und Schwächen. Man sollte solche Attacken stets als das sehen, was sie sind: Die Anerkennung, dass man sich wohl schwertäte, etwas inhaltlich zu widerlegen. Grund: zu überzeugend…
Es geht also ausschließlich um die persönlichen Angriffe!
Ich glaube, viele Diskutanten, die ihre Erfahrungen mit Ihnen gemacht haben, können das bestätigen.
Und mein Rückzug aus Diskussionen mit Ihnen, der mir nach diesen Erfahrungen mit Ihnen vernünftiger erscheint, geschieht aus Resignation, weil ich an einem öffentlichen Disput interessiert bin und nicht aus persönlichen Gründen. Er resultiert hauptsächlich aus dem letzten Satz Ihres Beitrags und aus einem persönlichen Grund, den ich Ihnen in einer privaten Email gesendet habe.
Man sollte wissen, dass Klaus Wendel mein erstes Tangobuch 2010 bestellt hat und mich nicht lange danach mit heftigster Kritik daran eindeckte. Schon damals bat er mich, ihn aus meiner Newsletter-Liste zu streichen und bestätigte mir, die „letzte Glaubwürdigkeit“ verloren zu haben. Im Laufe der Zeit tauchte er dennoch immer wieder in sozialen Foren auf und stimmte in den Chor meiner Kritiker ein (einfach mal den Namen in die Suchfunktion meines Blogs eingeben!). Nach einer freundlicheren Phase ist derzeit wohl wieder Krieg angesagt…
Als Gipfel der Arroganz resümieren Sie nämlich mit dem Zitat von Arthur Schopenhauer: (…)„Daraus folgt, dass unter Hundert kaum einer ist, der wert ist, dass man mit ihm disputiert.“(…) Diese Verachtung und Ihre Selbstüberschätzung ist es, die ich unterschätzt habe.
Sorry, aber auch bei diesem Zitat sollte man den einleitenden Satz nicht verschweigen:
Der Philosoph Arthur Schopenhauer war, was persönliche Angriffe betrifft, ziemlich rigoros: „Daraus folgt, dass unter Hundert kaum einer ist, der wert ist, dass man mit ihm disputiert.“
Es ging also ausschließlich um persönliche Attacken. Und ich drückte aus, dass ich Schopenhauers Ansicht schon ziemlich extrem finde – und dennoch nachdenkenswert.
Jeder, der versucht zu verstehen, was Sie sich unter einer gepflegten Debatte vorstellen und sich vielleicht auf eine Diskussion mit Ihnen einlassen möchte, kann sich ja ein Bild auf Ihrer Facebookseite machen, wenn Sie den Mut haben, diese Debatte stehen zu lassen und nicht zu löschen:
https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1033502480471774&id=100014360957851
Wieso sollte ich den Mut nicht haben? Kann doch jeder nachlesen – ich rede mich dort ja nicht um Kopf und Kragen!
Fazit
Uff! Ich fürchte, mein Artikel ist eine glänzende Bestätigung des „Bullshit-Asymmetrie-Prinzips". Aber ein Faktencheck gilt ja auch bei Verschwörungs-Ideologen als gängige Methode der Widerlegung – wieso nicht auch bei Empörungs-Ideologen?
P.S. In meinem Beruf musste ich öfters Streitereien oder sogar Handgreiflichkeiten unter Schülern schlichten. Auf die Beschwerden, man sei vom Kontrahenten beschimpft, beleidigt oder sogar gehauen worden, war stets meine Standardantwort: „Dann geh ihm halt aus dem Weg, dann kann er dich kaum ärgern!“
Kindergarten!
AntwortenLöschenLG, Renate Schmidinger
Besten Dank für das differenzierte Eingehen auf den Inhalt des Artikels!
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