Querdenker-Komödienstadel

Manchmal schaut man schon etwas neidisch auf Berlin und andere Großstädte, wenn sich dort auf Straßen und Plätzen tausende besorgte Bürger drängen, um die Corona-Infektionszahlen nicht zu sehr abflauen zu lassen. Und wir in der Provinz?

Nun gibt es gute Nachrichten aus der Region: Wie die Lokalzeitung meldet, hat sich im schönen Altmühltal jüngst ein tapferer Freiheitskämpfer gegen eine polizeiliche Belästigung gewehrt. Mehr noch: Seinen Kampf gibt es sogar auf einem selbstgedrehten Video. Und das hat durchaus die bei uns geschätzte Komödienstadel-Qualität.

Zum Ablauf:

Am 4.1. gegen 21.45 Uhr (also nach der Sperrstunde) war der 34-Jährige mit seiner Frau außerhalb von Beilngries im Auto unterwegs, als er von einer Polizeistreife gestoppt wurde. Zunächst war von einer „allgemeinen Verkehrskontrolle“ die Rede – also Führerschein und Kfz-Schein, bitteschön!

Bereits in diesem Stadium hält der Fahrer den Ordnungskräften vor, es ziemlich eilig gehabt zu haben, um ihn einzuholen. Er selber sei ja schon „Maximalgeschwindigkeit“ gefahren. Später wird er den Beamten vorwerfen, dadurch unnötigerweise ein Unfallrisiko eingegangen zu sein.

Nun kommt der Beamte auf den Punkt: Ob der Herr denn einen triftigen Grund nennen könne, warum er jetzt noch unterwegs sei? Die Antwort: Ja, aber den müsse er wohl nicht sagen. Auf Grundlage der strafrechtlichen Unschuldsvermutung habe ihm schon die Polizei nachzuweisen, dass er keinen triftigen Grund für das Verlassen der Wohnung gehabt habe. Dazu wünsche er viel Spaß!

Der Polizist zieht nun routiniert seine Erklärung durch, es werde halt ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren eingeleitet – inklusive der Belehrung, dass der junge Mann Angaben zur Sache machen könne, aber nicht müsse. Der bleibt bei seiner Aussage, einen triftigen Grund gehabt zu haben, ihn aber nicht nennen zu wollen. Die befragte Ehefrau schließt sich diesen Ausführungen an.

Der männlichen Hauptperson gelüstet es nun doch zu etwas anschaulicheren Aussagen: Sie wollten ja „kein Spiel spielen“ – aber er unterstütze einfach „so einen blödsinnigen Müll an Gesetz“ nicht. Im Endeffekt würden sie ja sowieso Recht kriegen, wollten aber vorher den Polizisten noch etwas Arbeit machen, damit die auch mal „aufwachen“. Seine Frau und er hätten doch „den ganzen Tag Zeit gehabt, beispielsweise beim Einkaufen Leute zu infizieren“ – nun aber säßen sie lediglich zu zweit im Auto, was solle da schon passieren? Nur, weil „der blöde Söder“ es sage. Den nennt er anschließend vorsichtshalber noch „Penner“.

In der Folge rückt sein Text noch mehr Richtung Bauernbühne: Was der Beamte denn sagen würde, wenn er in Zukunft in Unterhosen zur Arbeit erscheinen solle? Antwort: „Dann muss ich’s halt machen!“ Das bringt unseren Freiheitskämpfer noch mehr in Rage: Man müsse als Polizist nicht jeden Blödsinn unterstützen! Kurz darauf zündet er seinen größten Knaller: „Wenn’s heißt, mit einem Korken im Arsch rumzulaufen, weil die Aerosole auch beim Furzen austreten, dann stecken Sie auch einen Korken in den Arsch? Das ist doch wirklich lächerlich!“

Schließlich möchte der junge Mann – ganz im Querdenker-Jargon„Menschen aufwecken“. Das ist ihm zweifellos gelungen:

Neben der Ordnungswidrigkeiten-Anzeige, so berichtet die Presse, ermittle nun der Staatsschutz wegen Beleidigung des Ministerpräsidenten. Außerdem werde geprüft, ob durch das Video nicht die „Vertraulichkeit des Wortes“ verletzt sei (nach § 201 StGB wird dafür Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren ausgelobt).

Da dürfte einiges zusammenkommen: Vielleicht kriegt der Betroffene den Bußgeldbescheid per Einspruch weg, falls er wirklich einen guten Grund zum Verlassen der Wohnung hatte. Ich ahne allerdings: Das wird der Richter in dem Fall akribisch überprüfen…

Dass Markus Söder wegen des „Penners“ Strafantrag stellt, glaube ich eher nicht. Aber vielleicht bejaht der Staatsanwalt das „öffentliche Interesse“, dann könnte es so um die 50 Tagessätze geben.

Einen Anwalt jedenfalls, das rate ich dem jungen Mann, sollte er sich schon besorgen, und der arbeitet nicht gratis. Ach ja, Gerichtskosten und Verwaltungsgebühren könnten ebenfalls noch auf der Rechnung stehen.

Aber das Geld wäre ja gut investiert: Schon zum Erlernen des Unterschieds zwischen Strafrecht und Ordnungswidrigkeiten-Recht. Und klar, die Polizei muss ihm gar nichts nachweisen. Von der generellen nächtlichen Ausgangssperre gibt es halt Befreiungsgründe, welche aber derjenige zu offenbaren hat, der sie geltend macht.

Vor allem aber: Gesetze und Verordnungen hat man unabhängig davon zu befolgen, ob man sie für sinnvoll hält oder nicht. Auf diese Grundlage kann kein Gemeinwesen verzichten. Es gibt sicherlich auch Autofahrer, welche sich mit bestimmten Geschwindigkeits-Begrenzungen nicht abfinden können. Vor allem, wenn es geblitzt hat. Und ein Bankräuber dürfte zum Eigentumsrecht ganz spezielle Auffassungen haben… 

Die Ursache solcher Fehleinschätzungen liegt vermutlich in der Erziehung: Während man früher Kindern gegenüber oft einfach feststellte „Das tut man nicht“, begründen moderne Pädagogen und Eltern jeden Killefitz, damit die Kleinen es „verstünden“. Wenn die dann größer werden, glauben sie allen Ernstes, nur das befolgen zu müssen, was ihnen einleuchtet.

In diesem Fall könnte das Verbot sogar sinnvoll erscheinen: Normalerweise fährt man im Auto nicht einfach so herum, sondern von A nach B. Woher sollen die Polizisten wissen, dass es sich bei einem dieser Orte nicht um eine Party oder einen ähnlichen Auflauf handelt?

Ich empfehle dringend, sich das Video der Inszenierung anzusehen, so lange es noch im Netz ist. Wie im Komödienstadel oder beim Laienspielkreis wird die simple Handlung durch deftige Dialoge aufgewertet. Auch das gerne verwendete „kriminalische“ Motiv kommt gut heraus, ebenso die im hiesigen Volke verwurzelte Renitenz gegenüber der Obrigkeit. Vor allem, wenn sie Autofahrer behindert oder den Bierpreis erhöht. Wobei ich mir gewünscht hätte, der junge Mann hätte, wie der Polizist, bayerisch gesprochen. Leider preißelt er doch ziemlich…

Zudem wirkt der Anfang etwas gestellt: Kamera und Licht sind fertig eingerichtet. Man hat das Gefühl, den beiden ist völlig klar, was gleich passieren wird. Schrecklicher Verdacht: Sind die so lange rumgefahren, bis es mit der Kontrolle endlich geklappt hat? Ist also der triftige Grund der, dass man ihn dann der Polizei verschweigen kann?

Und was wir noch lernen: Auch bei Querdenkern fährt und redet vor allem der Mann, welcher seine Identität aber lieber verschweigt. Die Rolle der Frau beschränkt sich aufs Affirmative. Da war man im Komödienstadel schon vor Jahrzehnten weiter.

Also, trotzdem viel Spaß:

Im Stück gibt es auch einen Schlussgag: Am übernächsten Tag, so meldet die Presse, entdeckte der junge Mann an seinem Auto, das er „wie sonst entgegen der Fahrtrichtung in seiner Straße parkte“, einen Strafzettel.

Ja, auf die bayerische Polizei ist halt Verlass!  

Quellen: Pfaffenhofener Kurier vom 8.1.21, S. 13

https://www.donaukurier.de/nachrichten/bayern/Covid-19-Beilngrieser-beleidigt-Ministerpraesident-und-postet-Video-von-Polizeikontrolle;art155371,4731002

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