Mehr wird nicht verraten…



Bekanntlich fordern gerade traditionelle Tangovertreter seit Jahren mit Nachdruck, die Veranstalter mögen gefälligst die musikalische Ausrichtung ihrer Milongas vorab klar ankündigen. Mir war das früher egal. Inzwischen aber bieten die meisten Tangoevents ausschließlich Spartenmusik – da wäre ein wenig Information schon hilfreich.
Halten sich die Anbieter daran?

Ich habe einmal vier Tage (ab heute) auf der Seite http://www.tangobayern.de/index_content.php?paid=JoergVelletti dokumentiert und Erstaunliches festgestellt:

Donnerstag, 16.6.

-          Bei der ersten Veranstaltung wird kein DJ genannt, ansonsten erfahren wir lediglich „20:00 Tango am Abend“ – und, dass es außer Tango noch „Tee und Torte“ gibt…
-          Dann die Androhung einer strikt hardcore-traditionellen Milonga inklusive Benennung der DJane: „Nachdem dies eine traditionelle Milonga ist, bitte ich Euch, dass ihr die Ronda respektiert und miteinander respekt- und rücksichtsvoll auf der Tanzfläche umgeht. Flyer dazu liegen aus. Vielen lieben Dank!“ Auch schönen Dank – ich bin dann mal weg…
-          Die dritte Ankündigung umfasst neben der Nennung des DJs und Hausherrn die etwas fragliche Einordnung der sogenannten goldenen Ära der Tangomusik in Buenos Aires“ in die „zwanziger bis vierziger Jahre“.
-          Das vierte Event wird mit DJ benannt; zur Beschallung findet man die etwas sybillinische Einlassung: Eine Milonga mit traditioneller Musik wie in Buenos Aires und der etwas anderen Musik wie in München!“ (Blasmusik wohl eher nicht, oder?)
-          In der fünften Einladung wird das Gastgeberpaar als DJs angesagt, ansonsten heißt es: Wir spielen vorwiegend klassische Tangos, Valses und Milongas und erfüllen auch gern mal special Musikwünsche!“ (Darf das dann etwa mal moderner Tango sein? Na, ich weiß nicht…)
-          Im letzten Angebot ist es ebenfalls der Hausherr, welcher auflegt – was, wird so beschrieben: Eine gute Gelegenheit zu bester original argentinischer Tango Musik direkt aus Buenos Aires!!! zu tanzen.“ (Sind da die heutigen Interpreten aus dieser Stadt eingeschlossen – oder gehören diese selbstredend nicht zu den besten? Ich fürchte, Letzteres…)

Freitag, 17.6.

-          Das erste Angebot schweigt sich über nahezu alles Musikalische aus, enthält jedoch die dringende Bitte: weiter sagen..........weiter sagen.......weiter sagen........weiter sagen.....“
-          Auf dem zweiten Platz eine Offerte inklusive DJ und der Beschreibung „Traditionelle Tangomusik mit Tandas und Cortinas, je nach DJ auch 1-2 Neotango-Tandas sowie Einbeziehung neuerer Orchester.“
-          An dritter Stelle wird es wieder strictly edo-hardcore: Wir freuen uns auf alle, die traditionelle Tangomusik, gepflegtes Tanzen und respektvollen Umgang miteinander schätzen und lieben, – Aficionados eben und solche, die es werden möchten.“ Der DJ wird namentlich genannt – und wir Freunde der modernen Tangomusik erfahren so nebenbei, dass wir niemals „Aficionados“ werden können…
-          Umso lockerer dann das folgende Angebot: Traditionelle sowie ModerneMusik, je nach Publikum (…) das einzige was Deine Freiheit einschränkt ist das Deutsche Grundgesetz  :-)“  Na ja, ein bisserl schon auch das Strafgesetzbuch… Der DJ nennt sich übrigens „I’EVENT“.
-          Ziemlich konkret dann die nächste Ankündigung des DJ und Veranstalters: „Gespielt wird ein schöner Mix aus klassischem Tango und Tango Nuevo sowie Milonga und Vals.“
-          Nachfolgend erfahren wir kaum etwas vom Übungsabend außer: „in entspannter Atmosphäre nette Leute treffen“ – na, ist ja auch schon was…
-          Im nächsten Post werden wir zwar extensiv über Schuheinsatz und Geschichte des Veranstaltungsorts informiert und vor Dieben und Rauchern gewarnt – musikalisch fehlt allerdings jegliche Festlegung!
-          Relativ konkret die folgende Annonce: Der DJ wird benannt und zur Musik festgestellt: „von traditionell bis modern, Tango - Milonga - Vals, schöne Musik für alle“
-          Nachfolgend wirbt der DJ und Hausherr wohl für eine traditionelle Milonga: „Wir spielen klassische Tandas mit kurzen Cortinas.“ (Wobei der Begriff „Klassik“ allerdings für andere Bereiche steht, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Klassik – aber allzu viel Musikwissen beim Tango wollen wir nicht voraussetzen!)
-          Abschließend wird noch für zwei Practica geworben – bei der ersten ziemlich knapp und ohne Musikbeschreibung. Bei der anderen wird zwar viel über Tanztechnik geredet – wer auflegt und was, erfährt man aber wohl erst vor Ort.

Samstag, 18.6.
-          Die erste Einladung enthält für mich die rätselhafteste aller Musikbeschreibungen: MILONGA TRADICIONAL (…) + NON UND NEO TANGOS (…) eine echte Milonga tradicional nach argentinische Geschmack“. Hab ich da die Gusto-Revolution in diesem Land verpasst? Aber vielleicht erfährt man dazu vorher was in der „Anleitung für alles Niveau“? Der DJ wird genannt.
-          Die zweite Ankündigung wieder mal ohne DJ und Musikorientierung, aber immerhin inklusive Beschreibung der Parkmöglichkeit (auf dass man bei der Flucht möglichst schnell sein Auto wiederfinde?). Außerdem gibt’s Häppchen!
-          Im nächsten Fall dito: Es spielt zwar ein „leidenschaftliches Tango-Trio“ – was, wird leider nicht verraten, der DJ schon.
-          Auch an nächster Stelle verbleiben Rätsel: Die argentinische Herkunft der DJane berechtigt zwar zu Vermutungen – aber nix Genaues weiß man nicht…
-          Eine Milonga für Anfänger bietet „vorwiegend einfach zu tanzende Tangos“ (ich ahne, welche), allerdings keinen namentlich genannten DJ (erübrigt sich in dem Fall vielleicht auch).
-          Auch beim nachfolgenden Tango auf einem Schiff erfahren wir zwar, wer auflegt – allerdings nicht den musikalischen Kurs.
-          Bei der anschließenden Milonga wird wieder unsere Freiheit kaum eingeschränkt und gemischte Musik je nach Publikum geboten. Müsste man halt wissen, wer kommt! Als DJ fungiert abermals ein Fantasiename.

Sonntag, 19.6.
-          Endlich mal eine vorbildliche Ankündigung: Nennung des DJs inklusive Musikrichtung und speziell vorgestellter CD; sogar ein Link auf die Playlist vom letzten Mal! (Oh, sorry, das ist ja unsere „Wohnzimmer-Milonga“…)
-          Hardcore-Tradi-Milonga inklusive Nennung des Auflegers und kryptischer Bedrohung der Gäste: Wir legen Wert auf einen harmonischen Tanzfluss und rufen notorische Kreuz-und-Quer Tänzer diskret zur Ordnung.“ Für diese und andere Anfänger wird immerhin ein Ghettobereich „für ungestörtes Üben“ bereitgehalten.
-          Nachfolgend eine Practica mit „guter Musik“ – mehr wird nicht verraten.
-          Das vierte Angebot ist hundertprozentig traditionell mit einer DJane aus einschlägigen Gefilden.
-          Weiterhin ein Open-Air-Tango mit „versch. DJs“ und nicht weiter beschriebener Tangomusik, dafür aber genau charakterisiertem Tanzboden – getreu dem Motto: Wenn wir schon nicht wissen, wozu wir tanzen, dann wenigstens, worauf!
-          Offenbar täglich möglich: Schon wieder der bereits zweimal beschriebene „Anarcho-Tango“!
-          Dann eine weitgehend traditionelle Milonga mit Latino-DJ – immerhin werden „musikalische Überraschungen“ nicht ausgeschlossen!
-          Weiterhin ein nur frugal beschriebener Übungsabend, welcher seit 2480 Tagen im Netz steht – ob es ihn überhaupt noch gibt, darf bezweifelt werden.
-          Anschließend eine traditionelle Milonga mit Nennung der DJane, jedoch ohne Código-Bedrohungsszenario.
-          Von der letzten Milonga erfahren wir lediglich: „Die Musik ist sehr unterschiedlich, von traditionell bis modern über Non-Tangos, je nachdem wer auflegt...“ Man möge doch bitte auf der Internetseite nachsehen. Dort liest man für diese Woche den Namen des DJ und: Tango tradicinal ‚Vinyl‘ - lebendig und abwechslungsreich gemischte Tandas von alten und modernen Orchestern von Vinyl-Schallplatten und CD (Laptop)“ Dunkel ist der Rede Sinn…

Fazit:

Bei den 34 Ankündigungen fehlt in 14 Fällen (41 Prozent) der Name des DJ – die Musikausrichtung bleibt sogar in 18 Angeboten (53 Prozent) unklar bis unbekannt.

Interessant wäre, ob die Mehrzahl der Veranstalter die musikalische Orientierung ihrer Tangoevents nicht beschreiben kann oder will. Jedenfalls fallen die Auskünfte oft sehr vage aus, arbeiten sich an Randaspekten ab und sind nicht immer von großer Fachkenntnis getrübt. Professionell wirkt da vieles nicht.

Mich beschleicht aber eher der Verdacht, dass man oft absichtlich nichts Genaueres zur Beschallung mitteilt, um einen möglichst großen Kundenkreis anzulocken. Unangesagt dudeln dann wohl doch weitgehend die üblichen alten Aufnahmen. Dazu passt, dass hier nur 3 Ankündigungen (9 Prozent) explizit auf die (offenbar doch als abschreckend eingeschätzten) „Códigos de la milonga“ hinweisen.

Zudem sagen natürlich Begriffe wie „klassischer Tango“ oder „Tango nuevo“ nicht viel und werden teilweise auch unzutreffend verwendet. Warum veröffentlichen die Organisatoren nicht die Playlists früherer Tangoevents? Bislang stehen Annette und ich damit augenscheinlich allein auf weiter Flur!
Das allenthalben zu hörende Getütere, wie wichtig die Musik beim Tango wäre, bestätigt sich in der Praxis jedenfalls nicht!

Das Tröstlichste zum Schluss: Für reinrassige Traditionalisten wäre die große Mehrzahl der Angebote nicht akzeptabel, da diese ja hundertprozentige EdO-Musik beanspruchen. Diese wird jedoch nur in 7 Fällen (20 Prozent) angeboten.

Vorschlag:

Vielleicht könnte man im „Workshop-Zeitalter“ des Tango einmal das folgende Seminar anbieten: „Informative Ankündigung meiner Milonga im Internet“. Bis dahin kann ich ja als Zauberer bei der Planung meiner Milongabesuche weiterhin auf Katze und Kristallkugel zurückgreifen.
Mehr wird nicht verraten…

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