Liebe dich selbst wie deinen Nächsten
Jüngst
erreichte mich hier ein Kommentar, den ich leider nicht veröffentlichen konnte,
da der Verfasser ihn nur mit einem (mir unbekannten) Vornamen zeichnete. Meine
freundliche Bitte, doch die volle Identität preiszugeben, auf dass ich den Text
dann hochladen könne, blieb bedauerlicherweise unbeantwortet.
Sehr
schade, ich wäre gerne darauf eingegangen! Ich erlaube mir daher – losgelöst
vom konkreten Zusammenhang, daraus zu zitieren:
„Ihr häufiger Hinweis
auf die Vielzahl der Zustimmung zu Ihren Meinungsäußerungen (Zitat: ‚Mein
diesbezüglicher Artikel Über die
Feinsinnigkeit traditioneller Tangovertreter ist der meistgelesene aller
257 Posts!‘) klingt sehr danach, hier einmal klarzumachen, wer ‚Recht‘ hat und wer
das ‚Sagen‘ hat. Ich hoffe Sie erlauben mir diese direkten Worte - ich schätze
Sie als intelligenten und kompetenten Autor! Doch hier muss ich einfach sagen,
daß ich nichts anderes entdecken kann als einen grandiosen Schauplatz für das
Ego. Haben Sie das nötig? Ich finde es schade.“
Ich
muss da schon eine Gegenfrage stellen: Wo hätte ich je behauptet, Zugriffszahlen
sagten etwas über die jeweilige Zustimmung von Lesern aus? Ein Klick auf einen
bestimmten Beitrag kann vielfältigste Ursachen haben: von einer irrtümlichen
Reaktion über kurze, schnell befriedigte Neugier bis hin zu großem Interesse
und ausführlicher Lektüre. Wie sehr man dann beipflichtet, ablehnt oder
gemischter Ansicht ist – Ausgang offen und von mir nicht beurteilbar. (Außer anhand
von Kommentaren, aber da trauen sich halt viele nicht, mit vollem Namen für
ihre Meinung einzustehen.)
Was
kann man dann von einer hohen Einschaltquote ableiten? Zumindest müssen viele
das Thema für interessant halten – und das stellt für mich schon ein wichtiges
Feedback dar. Sicherlich veröffentlicht man als Blogger gelegentlich etwas zu Dingen,
die einem halt selber sehr am Herzen liegen – auch wenn man schon düster ahnt,
dass sie wohl kein Schwein jucken. Als Standardmethode wäre dies allerdings journalistisch
suizidal! Natürlich möchte man möglichst viele Leser – auch wenn sogar das
schon von irgendwelchen Dödeln zum Vorwurf gemünzt wird: Dies sei eitel,
selbstbeweihräuchernd und was dergleichen nette Adjektive mehr sind. Ich
erlaube mir, das als „Neid der Unbeachteten“ abzubuchen…
Natürlich
braucht ein hohes Interesse nicht von allzu edlen Motiven getrieben zu sein –
vielleicht ist es teilweise auch „Voyeurismus“
oder „Fremdschämen“, wie ein nicht
genannt sein müssender Kollege mir ja bereits attestierte. Okay, mag schon
sein, dass manche Zeitgenossen nur nach dem nächsten „geilen Spruch vom Riedl“
suchen, über den sie sich dann wahlweise amüsieren oder empören können…
Wobei
ich zugeben muss: Texte, in denen ich es mal heftig krachen lasse (oder
furchtbares Geschimpfe über mich zitiere), gehören oft zu den Spitzenreitern –
würde ich mich danach richten, könnten meine Posts noch eine bis drei Nummern
gröber ausfallen. Obwohl das sicher einige nicht glauben werden: Ich frage mich wirklich meistens, ob ich das
Geschriebene noch verantworten kann – so manches Wortspiel wurde daher schon zu
meinem größten Bedauern bestattet…
Trotzdem
wage ich die Behauptung: Wenn es nicht oft genug wenigstens amüsant oder
originell wäre, was ich verfasse, würde das Interesse mit der Zeit abklingen –
und erst recht, wenn man davon ausginge, dass da nur nicht lesenswerter Müll
stände.
Der
vergangene Monat brachte mit fast 9000 Zugriffen einen neuen Spitzenwert – das
sind nahezu achteinhalb Mal so viel wie zu Beginn des Blogs. Wie gesagt, ich
begründe dies nicht mit einer entsprechend gestiegenen Zustimmung – aber
immerhin klickt derzeit im Schnitt alle fünf Minuten jemand meine Seite an.
Hierfür muss man, wie man in Bloggerkreisen sagen würde, „wertvollen Content“ schaffen. Wer’s nicht glaubt, kann sich ja ein
eigenes Blog einrichten, „Hallo Welt“
schreiben und auf Reaktionen warten…
Freilich
steht der Leser bei mir inzwischen vor einer Menge von über 250 Beiträgen. Kürzlich
habe ich diese „gelabelt“, d.h. mit einem Stichwort versehen, sodass ein kleines
Inhaltsverzeichnis entstand. Freilich bleiben diese Zuordnungen oft vage. Daher
halte ich es schon für legitim, dem Leser gelegentlich mitzuteilen, an welchen
Texten bisher ein sehr großes Interesse herrschte. Ich werde dies aus jenem
Grund in Zukunft sogar ausweiten – unter Inkaufnahme des Geschreis mancher
Zeitgenossen in Richtung „Arroganz“
und „Selbstdarstellung“.
Schaffe
ich einen „grandiosen Schauplatz für mein Ego“, wie die Kommentatorin
eingangs meinte? Aus meiner Buchwerbung beispielsweise kann man dies kaum
ableiten. Dort stelle ich mich als jemanden dar, welcher schlicht und
pragmatisch seine persönlichen Erfahrungen auf deutschsprachigen Milongas
schildert und daraus praktische Tipps und Einsichten ableitet. Keine Behauptungen in Richtung „Expertentum“ oder „höhere Weihen Argentiniens“! Und
ich habe mich nie als hervorragenden Tänzer bezeichnet. Ich biete lediglich meine
Ideen zum Überdenken und Ausprobieren an – und wenn’s nicht konveniert, bitte
sehr…
(Link: http://www.robinson-riedl.de/index.php/inhalt)
(Link: http://www.robinson-riedl.de/index.php/inhalt)
Andererseits
muss ich gerade beim Tango schon einmal fragen, welches Ego eigentlich von
Tangolehrern mit Erotik-Hochglanzfoto-Posen abgefeiert wird, was Frauenpulks
dazu bringt, sich um Schuhverkaufstische zu drängen, Männer zu gestreiften
Hosen und zweifarbigen Puschen greifen lässt und Tanzpaare bewegt, dutzendweise
Showvideos zu veröffentlichen. Und nur der kleine Gerhard aus Pörnbach darf da
nicht auch ein bisschen mitmachen?
Das
könnt‘ euch so passen! Nein, ich bin stolz auf meine Arbeit und deren Erfolg –
so wie Millionen andere auch, sei es bei der Autoreparatur oder dem
Briefmarkensammeln. Und da wir, wenn gar nichts mehr hilft, gerne zur Bibel
greifen, sollten wir den Markus 12,31 mal genau durchdenken: „Du sollst deinen Nächsten lieben
wie dich selbst.“ Heißt das nicht auch: Nur wenn wir mit uns selbst
auskommen, hat auch der Nächste eine Chance?
Habe
ich sowas nötig? Ja. Finde ich gar nicht schade.
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